Stromverbrauch:Ein Kühlschrank mit A+++? Von wegen!

Kühlschrank - ´A+++"

Ein Kühlschrank mit dem Siegel A+++ verspricht dem Kunden Energieeffizienz - kann diese oft aber gar nicht einhalten.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Viele Hersteller pfuschen bei Energiesiegeln. Das kann so nicht weitergehen. Sie schaden damit nicht nur dem Kunden und der Umwelt - sondern auch sich selbst.

Kommentar von Stephan Radomsky

So ein offizielles Siegel macht Eindruck beim Kunden: geprüft und für gut befunden. Dafür zahlt er dann gern auch ein paar Euro mehr - zumal, wenn es wie beim europaweiten Energielabel das schöne Gefühl dazu gibt, mit einem besonders stromsparenden Gerät gleichzeitig etwas für die Umwelt und den Geldbeutel zu tun. Ob der Verbraucher für sein Geld tatsächlich mehr bekommt als ein gutes Gefühl, erscheint aber gerade im Fall des Energielabels zunehmend fragwürdig.

Die Labortests, nach denen die Effizienz-Noten zwischen "A+++" und "G" verteilt werden, haben meist nur wenig damit zu tun, wie die Geräte im Alltag eingesetzt werden. Und vor allem halten sie oft nicht mit der technischen Entwicklung Schritt; sie sind hoffnungslos veraltet. Das Ergebnis ist, dass Fernseher, Kühlschränke, Geschirrspüler oder Lampen längst nicht so sparsam arbeiten, wie es das Siegel suggeriert. Das schadet am Ende allen: dem Kunden, weil seine Stromrechnung höher ausfällt, als sie sollte; der Umwelt, weil Strom noch immer häufig aus Kohle und Gas gewonnen wird; der Politik, weil sie ihre Energiespar- und Klimaziele reißt; und schließlich auch den Unternehmen selbst, wenn die Verbraucher die Täuschung bei den Energietests durchschauen und eben nicht mehr bereit sind, viel Geld für vermeintlich sparsame Geräte auszugeben.

Ohne die Digitalisierung gäbe es dieses Problem nicht. Sie hat dafür gesorgt, dass elektrische Geräte heute sehr viel mehr leisten können als früher - aber für diese neuen Funktionen oft auch zusätzliche Energie benötigen. Die meisten Fernseher liefern heute hyperrealistisch scharfe Bilder und Kontraste, sind mit dem Internet verbunden und verfügen über mehr Rechenleistung als mancher Büro-PC. Ihr Stromverbrauch aber wird mit einem zehn Jahre alten Standard-Testvideo geprüft, das aus einer Zeit stammt, in dem noch Röhrenfernseher in vielen Wohnzimmern standen.

Viele Hersteller nutzen aus, dass sich ihre Produkte viel schneller entwickeln als die Teststandards: Sie optimieren den Verbrauch der Geräte einfach auf die Prüfung hin; wie stromhungrig sie dann später im Alltag sind, zählt ja nicht. Das ist legal, die Produkte erfüllen ja unter den gesetzten Testbedingungen die Anforderungen.

Zugleich hegen erfahrene Prüfingenieure den Verdacht, dass manche Hersteller sie aber auch gezielt an der Nase herumführen - und zumindest einzelne Geräte erkennen, wenn sie im Labor getestet werden, und ihren Energiekonsum daraufhin gezielt herunterregeln. Bewiesen worden ist das erst in einem Fall, aber solch ein Vorgehen erinnert an VW.

Der Kunde darf nicht auf jedes Versprechen reinfallen

Den Testern geht es nicht in erster Linie darum, den Alltag getreu oder aktuell nachzubilden. Sie wollen vor allem verlässliche und vergleichbare Ergebnisse, weil sich verschiedene Geräte nur so vernünftig beurteilen lassen. Das ist ein wichtiges und richtiges Ziel, aber es darf nicht zum Selbstzweck verkommen. Die Tester müssen deshalb einen neuen Weg einschlagen: weg vom perfekten, über Jahre ausgetüftelten Testaufbau, hin zu vielleicht weniger ausgefeilten, dafür schneller verfügbaren Methoden. Dass diese Tests dann auch stetig weiterentwickelt werden, das müssten die Behörden ermöglichen und überwachen - und zwar genauso schnell, wie die Digitalisierung voranschreitet. Es nutzt nichts, wenn Messergebnisse zwar verlässlich und vergleichbar sind, aber nicht mehr aussagekräftig.

Aber auch der Kunde selbst ist gefragt, nicht einfach auf jedes wohlklingende Versprechen reinzufallen. Wenn, wie vor ein paar Jahren, ein großer Hersteller behauptet, sein neuester Kühlschrank brauche weniger Strom als eine Energiesparlampe, sollte das einfach skeptisch machen - offizielles Siegel hin oder her.

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