Strommarkt:Macquarie greift nach deutschen Stromnetzen

Die australische Investmentbank Macquarie will in weit größerem Stil in den deutschen Strommarkt einsteigen als bisher bekannt. Ein SZ-Gespräch mit Infrastruktur-Chef Martin Stanley.

Martin Hesse

"Wir könnten uns vorstellen, alle Netze zu kaufen", sagte Martin Stanley, der die europäischen Infrastrukturfonds von Macquarie leitet, der Süddeutschen Zeitung. Von den vier Netzbetreibern in Deutschland - Eon, RWE, Vattenfall und EnBW - hat bislang nur Vattenfall einen Verkauf eingeleitet. Auch Eon hat angekündigt, sich von seinem Netz zu trennen. In der Diskussion ist auch die Gründung einer Deutschen Netz AG, in der alle deutschen Fernnetze gebündelt werden könnten.

Strommarkt: Martin Stanley

Martin Stanley

(Foto: Foto: oH)

"Es wäre sinnvoll, ein integriertes Netz zu haben", sagte Stanley. Das lasse sich erreichen, indem man die Netze in einer Firma bündle oder aber die Netze koordiniere. "Wir würden gerne kooperieren, wenn wir die Möglichkeit bekämen, ein Netz zu kaufen", sagte Stanley. Man habe aber auch Interesse, in eine vereinte deutsche Netzwerkgesellschaft zu investieren. In Finanzkreisen heißt es, Macquarie habe für Vattenfall ein unverbindliches Gebot eingereicht. Es wird erwartet, dass Eon im Frühjahr ebenfalls den Verkauf vorantreibt. Dann will Macquarie auch für dieses Netz bieten.

Die Australier treten nach Informationen aus Verhandlungskreisen zusammen mit dem belgischen Stromnetzbetreiber Elia auf. Macquarie kommentiert dies offiziell nicht. Stanley sagt nur: "Wir können uns vorstellen, beim Kauf der Netze Partnerschaften einzugehen." Allerdings strebt Macquarie bei Beteiligungen stets eine Mehrheit an. "Wir sind keine passiven Investoren, wir wollen aktiv Mehrwert schaffen." Dem Vernehmen nach wollen Macquarie und Elia beim Kauf weiterer europäischer Netze gemeinsam auftreten.

Endverbraucher könnten profitieren

Neben Macquarie bietet für Vattenfall nach Angaben aus Finanzkreisen ein Konsortium aus Deutscher Bank, Allianz und der Investmentbank Goldman Sachs. Auch die australische Investmentbank Babcock & Brown gilt als möglicher Bieter, sowie die Netzbetreiber Ceps (Tschechien) und Terna (Italien). Die britische National Grid soll dagegen ausgestiegen sein. Vattenfall will dem Vernehmen nach in Kürze den Bieterkreis einengen. Die Gebote liegen nach Angaben aus Finanzkreisen klar unter einer Milliarde Euro. Dieser Preis war in Branchenkreisen für das Vattenfall-Netz genannt worden.

Den Bietern ist offenbar die aktuelle Vergütung für die Stromdurchleitung ein Dorn im Auge. Sie wird durch die Bundesnetzagentur festgelegt. "Wenn die Vergütung so ist, dass man mit jedem Euro, den man in das Netz investiert, Geld verliert, rentiert sich der Kauf eines Netzes nicht", erklärt Stanley. Die Vergütung müsse so gestaltet sein, dass Netzbetreiber zum einen die verlässliche Stromversorgung sicherstellen und zum anderen für ihre Investoren eine angemessene Rendite erwirtschaften könnten. Derzeit würden die Netze als Teile integrierter Konzerne reguliert, die die Stromleitungen quersubventionieren könnten. "Wenn man die Hochspannungsnetze separat führen möchte, muss man die Regulierung auch entsprechend anpassen."

Stanley betonte, wo Versorgungsnetze getrennt gemanagt würden, profitierten Endverbraucher von der Fokussierung auf das Kerngeschäft. Er nannte als Beispiel den britischen Versorger Thames Water. Dort sei der Wasserverlust durch defekte Leitungen seit der Übernahme durch Macquarie deutlich zurückgegangen. Eine politische Diskriminierung von Finanzinvestoren im Bieterverfahren fürchtet Stanley nicht. "Wir sind zuversichtlich, dass die Bundesregierung alle Bieter gleich betrachtet, soweit sie nachweisen können, dass sie in der Lage sind, ein Netz zu betreiben."

Die Krise als Chance

Die Finanzkrise sieht Stanley für Macquarie, die auf Infrastrukturfirmen spezialisiert ist, als Chance. Zwar hätten sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtert. "Doch weil Investitionen in Infrastrukturen einen langfristig stabilen Mittelzufluss bieten, sind Banken noch immer bereit, sie zu finanzieren." Finanzinvestoren wie Blackstone und KKR hatten zuletzt hohe Abschreibungen auf ihre Firmen vorgenommen.

Stanley rechnet mit solchen Problemen bei Macquarie nicht. "Wir erwarten keine Abschreibungen auf unsere europäischen Firmenbeteiligungen." Macquarie investiere in Branchen, die weitgehend konjunkturunabhängig seien, wie etwa der Energiedienstleister Techem. Mit Techem wolle Macquarie weiter wachsen, auch durch Zukäufe. "Es gibt heute mehr Gelegenheiten als vor zwölf Monaten. Einige davon sieht sich das Management derzeit an."

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