Strippenzieher im Hintergrund:Die wahren Herren der Deutschen Bank

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Sollte der Chef des größten deutschen Geldhauses abtreten, verliert es nur scheinbar seinen Kopf - die beiden wichtigsten Manager arbeiten in London.

Gerd Zitzelsberger und Daniela Kuhr

Von außen ist gar nichts aufregend an dem lang gestreckten ockerfarbenen Bürohaus am London Wall in der Finanzmeile der britischen Metropole. An der einen Ecke verkaufen sie Sandwiches, in die andere Ecke hat sich eine Filiale der Konkurrenz eingemietet, und an der dritten Ecke gibt es Sandwiches getoastet: kein Hauch von Glamour und Macht.

Die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main (Foto: Foto: AP)

Die sechste Etage sieht man von unten, von der Straße, überhaupt nicht, soweit hat der Architekt sie zurückgesetzt. In dieser Etage, 1000 Kilometer von Frankfurt entfernt, arbeiten die beiden Männer der Deutschen Bank, denen Vorstandschef Josef Ackermann vor allem seine Milliardengewinne verdankt. Noch sind die Herren nur in Fachkreisen bekannt, doch das kann sich in der kommenden Woche schlagartig ändern.

Wiedereinmal muss Ackermann derzeit viel Prügel einstecken. Die überraschende Schließung eines Immobilienfonds hat Anleger entsetzt, Privatkunden empört und die Finanzbranche verärgert. Am Mittwoch um 10.30 Uhr könnte es für Deutschlands umstrittensten Manager noch schlimmer kommen: An diesem Tag wird der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sein Urteil in Sachen Mannesmann sprechen.

Ein junges, manchmal richtig braves Gesicht

Dann wird feststehen, ob der Mann, der ganz Deutschland mit einem Victory-Zeichen gegen sich aufbrachte, sich endgültig als unbescholtener Bürger fühlen darf oder ob er noch einmal auf die Anklagebank muss. Wenn es schlecht für Ackermann läuft, wackelt sein Stuhl. Und dann werden die zwei Herren aus der sechsten Etage ein gewichtiges Wort mitreden, wenn es um die Zukunft des einzigen deutschen Kreditinstituts geht, das international in der ersten Liga der Geldhäuser mitspielt.

Der eine, drahtig und mittelgroß, heißt Michael Cohrs. Der andere, etwas größere hat ein junges, manchmal ein richtig braves Gesicht und heißt Anshu Jain. Die beiden stehen bei der Deutschen Bank auf der Gehaltsliste. Cohrs wird kommendes Jahr 50 und ist amerikanischer Herkunft. Jain stammt aus Indien und ist noch keine 43 Jahre alt. "Von Frankfurt lassen die beiden sich wirklich nichts sagen", sagt ein Analyst, der nicht zitiert werden will.

Olaf Ermgassen, Teilhaber eines Beratungshauses für Übernahmen und Fusionen, geht sogar noch weiter: "Die Deutsche Bank ist im Grunde keine deutsche Bank mehr. Der Großteil wird aus London gemanagt." Soll heißen: Die wirklichen Chefs der Deutschen Bank sind nicht Ackermann und die anderen drei Vorstandsmitglieder, sondern die Männer im Hintergrund, Jain und Cohrs.

Auf dem Papier gehören die beiden Manager noch nicht einmal zur obersten Führungsebene, dem Vorstand. Sie sind formal einfach zwei der zehn Mitglieder des "Group Executive Committee". Die Bank verzichtet mit gutem Grund darauf, eine deutsche Übersetzung - etwa "Führungsgremium des Konzerns" - zu suchen. Denn auf der einen Seite will sie ihren Geschäftspartnern, Angestellten und Aktionären natürlich mitteilen, wer die Bank leitet. Auf der anderen Seite gibt es das Aktienrecht. Danach führt der Vorstand die Geschäfte, und nicht ein Nebengremium.

Die Realität sieht offenbar anders aus: "Banker denken sehr marktwirtschaftlich", sagt einer: "Wer verdient, der schafft an." Cohrs und Jain verdienen in der Tat enorme Summen. Ihre eigenen Bezüge sind ein besser gehütetes Geheimnis als die Gefangenentransporte der CIA. "Irgendwo im zweistelligen Millionenbereich" lägen dieses Jahr Gehalt und Sonderzahlungen für jeden der beiden, wird in London gemunkelt.

Auf das Doppelte von Ackermanns Bezügen - er kam im vergangenen Jahr einschließlich aller Sonderleistungen auf etwa zehn Millionen Euro - schätzt man die beiden auf jeden Fall. Im Geschäftsbericht der Bank ist das aber nicht zu lesen. Cohrs und Jain sitzen schließlich nicht im Vorstand, dessen Bezüge zumindest in der Gesamtsumme zu publizieren sind.

Bekannt ist dagegen, was die Geschäftsbereiche der beiden Banker verdienen. Jain steht an der Spitze von "Global Markets", womit unter anderem der Handel mit Aktien, Anleihen und vor allem das Geschäft mit komplizierten neuen Finanzprodukten gemeint ist. Cohrs leitet den Bereich "Global Banking". Dazu gehört etwa die Beratung bei Börsengängen, Übernahmen und Fusionen - und nicht zuletzt das Einfädeln solcher Geschäfte. Auch die ganz traditionellen Großkredite an Unternehmen wurden ihm zugeschlagen. Zusammen repräsentieren die beiden Manager damit das Investmentbanking des Kreditinstituts.

Statt zu feiern lieber auf Tauchstation

Dieser Teil des Geldhauses hat in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres vor Steuern 3,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Es ist ein Zuwachs von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr - und entspricht etwa drei Vierteln des gesamten Gewinns der Bank. Im Vergleich nimmt sich der Gewinn im Privatkunden- beziehungsweise Mengen-Geschäft und Vermögensverwaltungsbereich mit 1,2 Milliarden geradezu kärglich aus.

Seit gut einem Jahr erst sind Cohrs und Jain auf ihren heutigen Positionen, sie hätten jetzt jedes Recht, laut über ihre Erfolge zu reden. Josef Ackermann will unbedingt eine Kapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern erreichen. Wenn ihm das gelingt, hat er dies vor allem Cohrs und Jain zu verdanken. Doch statt zu feiern gehen die beiden Männer auf Tauchstation.

Die Chefs und Statthalter anderer großer Banken in London arrangieren in der Vorweihnachtszeit Treffen mit Journalisten. Die beiden Deutsch-Bankiers dagegen meiden den Kontakt mit der Öffentlichkeit. Ganz selten geben sie ein Interview. Beim "Familienfoto" des Executive Committee haben sich die beiden an den Rand drapiert, als seien sie dessen unwichtigste Mitglieder. Und Klatsch und Tratsch ist über sie auch nicht zu hören. Über Cohrs verlautet aus seiner Umgebung, dass er sehr zurückgezogen lebe. Und von Jain weiß man auch nur, dass der Ehrgeiz ihn noch sonntags beim Kricket-Spiel ein aufgeschlagenes Schienbein vergessen lässt.

Der Drang zur Unsichtbarkeit kommt nicht von ungefähr: Die Investmentbanker beim deutschen Branchenführer, dessen Symbolfiguren Cohrs und Jain mittlerweile sind, haben viele Neider und Kritiker. S

ie würden zu Lasten der Kreditvergabe an den Mittelstand aus der Bank einen wahren Hedge-Fonds machen, hieß es schon; manchen gelten sie auch als diejenigen, die den Zusammenschluss mit der Dresdner Bank platzen ließen; und sie hätten die Übernahme der Postbank verhindert und Ackermann zu den massiven Streichungen im traditionellen Geschäft gedrängt. Der (angebliche) Grund: Sie wollten einen größeren Teil des Eigenkapitals der Bank in Anspruch nehmen, um den eigenen Bereich nach vorne zu bringen.

"Jain tut was für seine Leute"

"Bei keinem der anderen Geldhäuser haben die Investmentbanker den ganzen Konzern so unter ihre Fuchtel gebracht, wie bei der Deutschen Bank", befand das britische Wirtschaftsmagazin Economist einmal. Seitdem haben sich Cohrs und Jain vollends eingeigelt, selbst harmlosen Fragen weichen sie aus. "Ich habe meinen Hauptsitz bei Lufthansa und British Airways", pflegt Jain etwa zu antworten, wenn er nach seinem Büro am London Wall gefragt wird.

Optisch kann das Ambiente dort zwar mit den Frankfurter Zwillingstürmen nicht im Entferntesten mithalten. Den Managern von Citigroup, HSBC oder Lehman Brothers liegt in ihren Wolkenkratzern London zu Füßen. Wer bei der Deutschen Bank dagegen aus dem Fenster schaut, dessen Blick wandert nach oben: Selbst der verlassene Büroturm der Dresdner Bank nimmt sich noch machtvoller aus.

Tatsächlich aber haben sich Cohrs und Jain inzwischen eine wahre Festung geschaffen: Um sie herum arbeiten in London 7000 Angestellte - 1000 mehr als im Dunstkreis der Frankfurter Konzernzentrale. Und die Vergütungen, die Cohrs und Jain ihren (höherrangigen) Mitarbeitern bewilligen, sind von ganz anderem Kaliber als die in Frankfurt. "Jain tut was für seine Leute", sagt einer im Sandwich-Café an der Ecke. "Söldnertruppe", kontert ein anderer später.

Die deutschen Blicke auf diese Bastion sind gegenwärtig noch misstrauischer als sonst: Was geschieht, wenn der Bundesgerichtshof am Mittwoch das Urteil des Landgerichts Düsseldorf aufhebt? In der Hauptverhandlung Ende Oktober hatten die obersten deutschen Strafrichter erhebliche Zweifel an den Freisprüchen der sechs Angeklagten erkennen lassen.

Mehrfach sprachen sie von einem grundlosen "Geschenk", wenn es um den Millionenbetrag ging, den der Aufsichtsrat von Mannesmann bei der Übernahme durch Vodafone an Führungskräfte verteilt hat. Ackermann war im Frühjahr 2000 eines der Aufsichtsratsmitglieder, die die Prämien bewilligt hatten. Er fand die Zahlungen angemessen. Ob er damit durchkommt, wird sich am Mittwoch zeigen.

Sollten die Richter jedoch anderer Meinung sein und das erstinstanzliche Urteil aufheben, müsste Ackermann erneut auf die Anklagebank des Landgerichts. Wie lange dieser zweite Prozess dauern würde, hängt ganz davon ab, ob sich die Richter nur an Teilen oder an dem gesamten Urteil stoßen.

Kein Prickeln im Bauch

Es ist jedoch gut möglich, dass sich die Verhandlung wieder über viele Wochen hinziehen wird. Auch wenn die Bank das hartnäckig zurückweist: Im Bekanntenkreis soll Ackermann bereits angedeutet haben, dass er in diesem Fall den Vorstandsvorsitz bei der Deutschen Bank aufgeben wolle.

Wie geht es bei der Bank weiter, wenn Ackermann zurücktreten sollte? Dass Anshu Jain oder Michael Cohrs in Frankfurt das Zepter übernehmen, gilt als nahezu ausgeschlossen. Das Brot- und Butter-Geschäft der Bankfiliale an der Ecke verschafft ihnen kein Prickeln im Bauch; außerdem müssten sie mit einem Gehalt von lediglich Ackermann'scher Dimension leben. Und bei der Deutschen Bank ist ein Vorstandssprecher schwer vorstellbar, der mit seinen Geschäftspartnern nur englisch parliert.

Ackermann selbst schweigt zu dem Thema seiner Nachfolge. Öffentlich redet er nicht darüber, ob er Vorstandssprecher bleibt, wenn er sich bei einer Neuauflage des Mannesmann-Prozesses erneut womöglich über Monate hinweg zweimal die Woche im Gerichtssaal einfinden muss. In einem Interview ließ er nur so viel durchblicken: "Wir haben", sagte er im Oktober kurz vor der Verhandlung in Karlsruhe, "wie jedes gut geführte Unternehmen eine Nachfolgeregelung." Wie sie aussieht, ließ der Chef der Deutschen Bank offen.

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