Stresstest für Geldhäuser:Spaniens Banken benötigen 59,3 Milliarden Euro

Spaniens Banken mussten einen Stresstest absolvieren. Das Ergebnis: Fast 60 Milliarden Euro brauchen die Institute. Nun will die spanische Regierung eine Bad Bank schaffen, um dort toxische Kredite abzuladen.

Andrea Rexer, Frankfurt, und Thomas Urban, Madrid

Nichts hassen Investoren so sehr wie Ungewissheit. Und im Fall der spanischen Banken ist diese besonders hoch. Kein Wunder also, dass spanische Banken derzeit von allen Seiten gemieden werden: Investoren hüten sich, Aktien oder Anleihen zu kaufen, andere Banken wollen ihnen keinen Kredit einräumen. Wäre da nicht die Europäische Zentralbank (EZB), säßen die spanischen Banken längst auf dem Trockenen.

Nun hat ein Stresstest für Klarheit gesorgt: Die angeschlagenen spanischen Banken benötigen demnach 59,3 Milliarden Euro Überbrückungsgeld, um die Zahlungsfähigkeit nicht zu verlieren, wie ein Vertreter der Nationalbank am Freitagabend in Madrid mitteilte. Der Stresstest soll der Ausgangspunkt für die Umstrukturierung und auch Erholung des spanischen Bankensektors werden.

Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker zeigte sich erleichtert, dass die zugesagte finanzielle Unterstützung zur Sanierung der spanischen Banken ausreicht. "Ich bin beruhigt, dass der tatsächliche Kapitalbedarf des spanischen Bankensektors bei etwas weniger als 60 Milliarden Euro liegt", sagte Juncker in einer am Freitag in Luxemburg verbreiteten Erklärung. Die Euro-Länder hatten Madrid bereits im Juli pauschal bis zu 100 Milliarden Euro zur Rettung maroder Banken zugesagt - nun liegt der benötigte Betrag wie erwartet deutlich darunter.

In den Büchern der meisten Banken häufen sich Immobilienbestände, über deren Wert bislang niemand so recht Auskunft geben kann - den aktuellen Preis für spanische Immobilien kann man derzeit bestenfalls schätzen. Verkauft wird schon lange kaum mehr etwas. Und wo kein Markt, da kein Preis. Die Investoren hegen den Verdacht, dass sich die spanischen Geldhäuser dabei bisher reich geschätzt haben. Der Stresstest sollte die Zweifel ausräumen - auch wenn alle wussten, dass das Ergebnis schmerzhaft sein würde.

Nun ist klar: Die Hälfte der 14 untersuchten Geldhäuser braucht frisches Kapital. Der Löwenanteil der benötigten 59,3 Milliarden Euro, nämlich 49 Milliarden, entfällt auf die vier verstaatlichen Geldhäuser Bankia, Catalunya Caixa, Novagalicia und Banco de Valencia. Von dieser Summe benötigt Bankia, das viertgrößte Kreditinstitut des Landes, mit 24,7 Milliarden mehr als die Hälfte. Den Stresstest hatte das US-Beratungsunternehmen Oliver Wyman im Auftrag des Wirtschaftsministeriums und der Nationalbank vorgenommen.

Bankia war erst 2010 - noch zu Zeiten der sozialistischen Regierung - auf Betreiben der Nationalbank durch einen Zusammenschluss von sieben Großsparkassen gegründet worden. Um die Pleite zu vermeiden, hat die erst Ende 2011 ins Amt gekommene konservative Regierung unter Mariano Rajoy das Geldhaus in diesem Mai verstaatlicht. Dazu musste sie mehr als 20 Milliarden Euro auf den Tisch legen.

Stresstest soll für neues Vertrauen sorgen

Die Regierung plant nun mit Hilfe der Nationalbank den Umbau des spanischen Bankensystems. Dazu gehört die Gründung einer Bad Bank, in die vor allem faule Kredite ausgelagert werden sollen, die nach dem Platzens der Immobilienblase 2008 zuhauf angefallen sind.

Die Ergebnisse des Stresstests wurden auch in Berlin mit Spannung erwartet. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) braucht noch die Zustimmung des Bundestages zu einem Hilfspaket für Madrid. Als wichtigstes Signal an die Partner in der EU und ausländische Investoren hatte die spanische Regierung am Donnerstag ihren Haushaltsentwurf für 2013 vorgelegt. Er sieht weitere Einsparungen mit einem Gesamtvolumen von 40 Milliarden Euro vor. Rajoy hat in den vergangenen Wochen wiederholt bekräftigt, dass Madrid zunächst keinen Hilfsantrag bei der Europäische Zentralbank stellen werde. Er schloss dies aber für den Fall nicht aus, dass die Zinssätze für spanische Staatsanleihen stark steigen sollten.

Wirtschaftsminister Lois de Guindos erklärte, dass der Stresstest an den Finanzmärkten für neues Vertrauen in die spanischen Banken sorgen solle. Die Börsen reagierten auf das Ergebnis gelassen. Die offiziell bekannt gegebenen Zahlen deckten sich weitgehend mit der Vorberichterstattung der Madrider Wirtschaftspresse und enthielten somit keine Überraschung.

Eine gute Nachricht ist nach de Guindos Worten, dass die drei größten Banken - Santander, BBVA und La Caixa - den Test problemlos bestanden haben. Sie kämen der Untersuchung zufolge auch im Falle eines weiteren drastischen Einbrechens der Konjunktur ohne staatliche oder europäische Hilfe aus. Hauptziel des Tests war es nach Angaben der Nationalbank, den genauen Schaden zu beziffern, den die Immobilienkrise verursacht hat. In ganz Spanien stehen Hunderttausende von Wohnungen leer, Zehntausende von Gebäuden wurden nicht vollendet.

Bei mehreren kleineren und mittleren Banken machten die später als toxisch erkannten Immobilienwerte vor der Krise mehr als die Hälfte ihrer Bilanzsumme aus. Nach Angaben der Nationalbank lag der Anteil der nicht bedienten Kredite im Durchschnitt bei knapp zehn Prozent. Sie erreichten ein Rekordvolumen von 170 Milliarden Euro, 45 Milliarden mehr als ein Jahr zuvor.

Wie die Nationalbank bekannt gab, setzt sich die Kapitalflucht aus Spanien fort, wenn auch mit vermindertem Tempo. In den vergangenen 13 Monaten wurden insgesamt 331 Milliarden Euro aus dem Land abgezogen.

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