Streit um Zukunft des Auto-Werks:Bochumer Opel-Mitarbeiter brüskieren Vorstand

Wütende Opel-Mitarbeiter verlassen geschlossen eine Betriebsversammlung, der Vorstand ist brüskiert: Im Streit um die für 2016 geplante Schließung des Bochumer Opel-Werks prallen die Interessen aufeinander. Während der Konzern weiter Verluste macht, wollen die Mitarbeiter ihre Jobs behalten.

Thomas Fromm

Dass dieser Samstag in Bochum kein harmonischer Samstag werden würde, muss Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke schon am Morgen klar gewesen sein. Wer Mitarbeiter besucht, deren Fabrik in vier Jahren geschlossen werden soll, kann nicht mit Applaus rechnen. Nur dass es so schlimm kommen würde, damit hatte wohl auch ein Stracke nicht gerechnet. Kurz bevor er zu seinen 2000 Leuten sprechen wollte, verließen diese den Saal. Arbeiter auf der Flucht vor ihrem Chef - das ist neu. Selbst für einen krisenerprobten Autohersteller wie Opel.

Dabei war der Manager in den Ruhrpott gekommen, um für Verständnis zu werben. Für sich, die Konzernmutter General Motors (GM) und den Plan, das Werk nach Auslaufen des aktuellen Modells Zafira im Jahr 2016 zu schließen.

"Wir sind bereit, euch zu überraschen"

Laut Teilnehmern, die am Samstag in der Bochumer Ruhrcongress-Halle dabei waren, spitzte sich die Lage innerhalb von anderthalb Stunden zu. Los ging es gegen acht Uhr früh. Zuerst kam der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel auf die Bühne, begrüßte Mitarbeiter und Management und sprach rund eine Stunde. Dann sei ein zweiter Betriebsrat nach vorne gekommen. Irgendwann sei die Forderung gefallen, die Geschäftsführung solle Bochum ein weiteres Auto-Modell nach dem Auslaufen des Familienvans Zafira zusichern.

Was dann geschieht, ist offenbar schon im Vorfeld perfekt geplant. Die Opel-Beschäftigten brechen die Veranstaltung ab und lassen das Management allein im Saal zurück. Geplante Reden fallen aus. Einenkel spricht später von "kreativen Aktionen" und sagt: "Wir sind bereit, euch zu überraschen." Hinter vorgehaltener Hand heißt es, selbst Streiks würden inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. Bei Opel ist man perplex, fühlt sich brüskiert.

Schmallippig sind die Reaktionen am Wochenende. Ein Opel-Sprecher sagt lediglich, man bedauere, "dass wir nicht die Chance bekommen haben, unser Wort an die Belegschaft zu richten". Stracke, der Mann, der den angeschlagenen Autobauer sanieren muss, weiß nun zumindest eines: Die weitere Opel-Sanierung wird hart. Nicht nur für die Arbeiter, auch für ihn.

Opel verliert ständig Marktanteile

Die Jobs bei Opel waren zunächst bis Ende 2014 per Vertrag sicher. Vor einigen Tagen versprach die Opel-Führung eine Verlängerung der Standort- und Jobgarantien um zwei Jahre bis Ende 2016. Dann aber dürfte Bochum mit seinen 3000 Stellen endgültig geschlossen werden. Auch für die verbliebenen Standorte gibt es dann keine Garantien mehr.

Opel verliert ständig Marktanteile; allein in Deutschland verkaufte der Hersteller im Mai elf Prozent weniger Fahrzeuge. In den vergangenen Jahren hatte GM in Europa ein Werk in Antwerpen geschlossen und Jobs abgebaut. Den Niedergang konnte das nicht stoppen.

Der Streit könnte auf das wichtigste Gut Opels schlagen: das Image

So prallen die Interessen bei Opel immer härter aufeinander: Die US-Mutter in Detroit verlangt nach Jahren der Verluste endlich schwarze Zahlen. Die Opel-Mitarbeiter wollen ihre Jobs behalten. In der Kritik steht vor allem: der Chef. "Stracke hat die Pflicht, Schaden von Opel abzuwenden", sagt ein Mitarbeiter. "Das aber tut er gerade nicht."

Arbeiter, die ihren Chef stehen lassen, Fabriken auf Abruf - es wird bei Opel wieder heftig gestritten, und das dürfte in den kommenden Wochen und Monaten heftig auf das wichtigste Gut des Herstellers schlagen: das Image. "Man muss weg von den Themen, die das Image belasten", meint Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive in Bergisch Gladbach. "Eine lange Diskussion um die Schließung von Bochum kann sich der Autobauer nicht mehr leisten."

Autoexperte Willi Diez sagt: "Für das Image wird es nun entscheidend sein, die Situation in Bochum zu befrieden." Den Mitarbeitern müssten Angebote gemacht werden; eine "interessante Auffanglösung" müsse her. "Also bitte nicht die Nokia-Lösung: Schluss und weg." Opel hat für den Fall einer Schließung des Werks 500 Millionen Euro für Personalabbau bereitgestellt. Betriebsratschef Einenkel will sie nicht: "Das Geld sollte man besser in die Modellpolitik und in die weitere Produktion in Bochum stecken."

Bochum befrieden - seit Samstag, dem Tag, an dem sich Arbeitnehmer und Manager sprachlos gegenüberstanden, dürfte das noch schwieriger geworden sein.

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