Streit um Mitbestimmung:GDL zieht gegen die Bahn vor Gericht

Die Gewerkschaft der Lokführer wirft der Bahn vor, sie wolle mit dem Börsengang die Mitbestimmung aushebeln - und schaltet Gerichte ein.

Detlef Esslinger

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wirft der Bahn vor, sie wolle mit dem Börsengang die Mitbestimmung im Konzern aushebeln. Die GDL hat deshalb das Landgericht Berlin angerufen.

Streit um Mitbestimmung: Die Lokführer machen sich Sorgen um die Mitbestimmung im neuen Bahn-Konzern.

Die Lokführer machen sich Sorgen um die Mitbestimmung im neuen Bahn-Konzern.

(Foto: Foto: dpa)

Streit um Aufsichtsratsbesetzung

Die Richter sollen verhindern, dass der Aufsichtsrat der an die Börse gehenden DB Mobility Logistics AG nach den Vorstellungen des Konzerns gebildet wird. GDL-Chef Claus Weselsky sagte der Süddeutschen Zeitung, Bahnchef Hartmut Mehdorn wolle es 165.000 seiner Beschäftigten verwehren, im Aufsichtsrat vertreten zu sein.

Bei der DB Mobility Logistics AG handelt es sich um diejenige Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, die den Güter-, Regional- und Fernverkehr betreibt (nicht aber die Schienen und Bahnhöfe). Sie wird im Herbst zu 24,9 Prozent an die Börse gebracht.

Die Bahn bestreitet nicht, dass diese Tochtergesellschaft künftig unter das Mitbestimmungsgesetz fällt, dass die Arbeitnehmer also Anspruch auf die Hälfte aller Sitze im Aufsichtsrat haben. Aber sie stellt sich auf den Standpunkt, dass dabei nur die 2300 Beschäftigten von Mobility Logistics ein Wahlrecht besitzen, keinesfalls aber die 165.000 Beschäftigten, die in deren Tochtergesellschaften - vor allem DB Fernverkehr, DB Regio, und Railion - den täglichen Bahnbetrieb aufrecht erhalten.

165.000 Beschäftigte wären nicht vertreten

Was sich nach einer Debatte für Experten anhört, berührt nach Auffassung der GDL den Kern der Mitbestimmung. Mobility Logistics ist eine Zwischenholding im Bahnkonzern. Bei ihr selbst sind nur relativ wenige Mitarbeiter angestellt - die nach Ansicht von GDL-Chef Weselsky "überwiegend der mittleren und oberen Führungsebene zuzuordnen sind".

Er befürchtet, dass die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat der teilprivatisierten AG nur aus leitenden Angestellten bestehen wird, sollten bloß die Beschäftigten der Zwischenholding wahlberechtigt sein. "165.000 weitere Beschäftigte, Lokführer, Schaffner, Techniker oder Disponenten, wären jedoch nicht vertreten", sagte der Gewerkschaftschef.

Der Bahn-Vorstand hat vermutlich geahnt, dass es Streit um die Zusammensetzung des Aufsichtsrats geben würde. Denn das Mitbestimmungsgesetz legt fest, dass die Beschäftigten von Tochtergesellschaften immer dann als Beschäftigte der Mutter anzusehen sind, wenn die über die Tochtergesellschaft herrscht.

Kompetenz liegt bei der Bahn

Die Bahn hat daher bereits im Mai die internationale Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer um einen Vermerk zu der Frage gebeten. In dem 13 Seiten umfassenden Papier, das der SZ vorliegt, argumentieren die Anwälte, die Mobility Logistics herrsche nicht über ihre Tochtergesellschaften. Diese Kompetenz liege vielmehr bei der Deutschen Bahn AG, also der Muttergesellschaft von Mobility Logistics.

Wörtlich schreiben die Anwälte: "Die maßgeblichen Entscheidungen für die Tochtergesellschaften der Mobility Logistics werden nicht auf der Ebene der Mobility Logistics getroffen, sondern auf der Ebene der Deutschen Bahn AG."

Dass dies der künftigen Realität entsprechen wird, nimmt die GDL der Bahn nicht ab. Erstens hat der Konzern im Handelsregister (Nummer HRB 89517) das Gegenteil eintragen lassen. Unter "Geschäftszweck" von Mobility Logistics steht dort: "die Leitung einer Gruppe von Unternehmen", die Verkehrsdienstleistungen erbringen.

Das Gericht soll entscheiden

Zweitens macht nach Meinung von GDL-Chef Weselsky nur diese Regelung Sinn; nicht aber das, was die Anwälte erklären: "Warum sollte jemand Geld für Aktien von Mobility Logistics ausgeben, wenn die Entscheidungen über deren Geschäfte ganz woanders getroffen werden?" Die teilprivatisierte AG ist nach Meinung der Gewerkschaft künftig das entscheidende Gebilde im Bahn-Konzern.

Die Bahn wollte sich am Mittwoch auf eine Diskussion über ihren Standpunkt nicht einlassen. Auf Anfrage wiederholte der Konzern im wesentlichen die Argumentation seiner Anwälte.

In einer Erklärung im Namen des Vorstands hieß es, bei dem Unternehmen Mobility Logistics handle es sich nicht um einen "Konzern im Konzern" - womit im Mitbestimmungsrecht ein selbstständig agierender Unterkonzern gemeint ist. Daher müssten die Beschäftigten der Tochterfirmen von Mobility Logistics auch nicht ihrer Mutter zugerechnet werden. "Über diese Rechtsauffassung entscheidet jetzt das Gericht", hieß es weiter.

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