Streit um Krankenkassen:Gefahr für das Gesundheitssystem

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Sind die gesetzlichen Krankenkassen nur ganz normale Unternehmen? Würde wie geplant die Bundesregierung das Wettbewerbsrecht auf die Krankenkassen übertragen, "stünde dann das gesamte deutsche Gesundheitssystem in seiner derzeitigen Form in Frage", warnt die Hamburger Gesundheits-Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks.

Guido Bohsem, Berlin

Die Hamburger Gesundheits-Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hat eindringlich davor gewarnt, das Wettbewerbsrecht auf die Krankenkassen zu übertragen.

"Im Grunde stünde dann das gesamte deutsche Gesundheitssystem in seiner derzeitigen Form in Frage", sagte Prüfer-Storcks vor der entscheidenden Runde des Vermittlungsausschusses am Dienstagabend.

Die geplante Regelung ändere die Art und Weise wie Kassen rechtlich definiert würden. "Sie werden dadurch wie herkömmliche Unternehmen behandelt." Eine erste Verschiebung in diese Richtung habe es im Zuge der Einführung der Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie gegeben. Es sei hochgefährlich, nun noch einen Schritt weiter zu gehen.

Mehr Möglichkeiten für den Gesetzgeber

Zwar agierten die Kassen zum Teil schon jetzt wie Unternehmen, jedoch seien sie weiterhin Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das gebe dem Gesetzgeber die Möglichkeit, in ihr Geschäftsgebaren einzugreifen.

Er könne ihnen beispielsweise über den Gesundheitsfonds einen Zuschuss zahlen oder sie von der Mehrwertsteuer befreien. Sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) aber nun aufgrund der geplanten Änderung zu der Überzeugung kommen, die Kassen seien Unternehmen, ändere sich auch die Rechtslage.

"Dann gälte das europäische Kartellrecht auch für die Kassen. Der EuGH könnte dann beispielsweise den Bundeszuschuss als staatliche Beihilfe einstufen und verbieten."

Zudem werde das bewährte Zusammenspiel der Kassen empfindlich gestört, sagte Prüfer-Storcks. "Bislang gibt es eine erfolgreiche Zusammenarbeit beispielsweise bei Mammographie-Screening, bei der Erstellung von Registern zu Endoprothesen, bei der elektronischen Gesundheitskarte und bei vielen anderen Dingen, die wir Gesundheitspolitiker uns wünschen", betonte sie.

Wettbewerb sei kein Selbstzweck sein, sondern solle zu einer besseren Qualität führen. "Mit der geplanten Neuregelung sind diese Dinge gefährdet - alleine schon, weil die Kassenchefs sich Sorgen machen müssten, vom Kartellamt in die Mangel genommen zu werden."

Sie warf der Koalition leichtfertiges Verhalten vor, wenn sie weiterhin an der Regelung festhalte. "Wenn das Gesetz den EuGH zu einer Änderung der derzeitigen Auffassung bringt, gibt es nichts, was wir in Deutschland tun könnten, um das wieder rückgängig zu machen", sagte Prüfer-Storcks.

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