Streit um Kontrolle der Finanzmärkte:Europa ringt um die Börsensteuer

Die EU-Finanzminister streiten sich um die Einführung einer Abgabe auf Börsengeschäfte. Bundesfinanzminister Schäuble ist sicher, dass die Transaktionssteuer bald kommt - notfalls auch nur in den Euro-Ländern. Weil er diese Ansicht einer deutschen Zeitung deutlicher mitteilt als den Kollegen in Breslau, gibt es gleich den nächsten Rüffel vom Koalitionspartner.

Deutschland, Frankreich und Belgien drängen bei der umstrittenen Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf ein Vorpreschen der Euro-Zone. Es wäre besser, die Steuer auf globaler Ebene oder in der gesamten EU einzuführen. Doch wenn dies nicht möglich sei, müsse die Euro-Zone vorangehen, sagte der belgische Finanzminister Didier Reynders in Breslau. Die Besteuerung der Finanzmarktaktivitäten sei nicht nur wichtig für die öffentlichen Haushalte, sagte Reynders, sondern auch, um die Kapitalflüsse zu stabilisieren.

Einer Finanztransaktionssteuer in der gesamten EU müssten alle EU-Länder zustimmen. Insbesondere Großbritannien fürchtet bei einer Einführung im EU-Alleingang die Abwanderung der Finanzindustrie aus London und lehnt die Abgabe deshalb ab.

Der polnische Finanzminister und amtierende Ratsvorsitzende Jacek Rostowski sprach von "erheblichen Spaltungen" in der Gemeinschaft, das Thema werde sehr emotional diskutiert. Er meldete selbst Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Steuer an: "Es ist nicht klar, dass es weniger Volatilität im europäischen Markt gibt, wenn die Finanzaktivitäten ausgelagert würden, zum Beispiel in die Schweiz."

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dringt hingegen auf die schnelle Einführung der Abgabe. "Wir werden noch in diesem Herbst eine Finanztransaktionssteuer auf den Weg bringen. Nach meiner eigenen Überzeugung notfalls auch nur in der Eurozone", sagte er in einem vorab veröffentlichten Interview der Bild am Sonntag. "Natürlich wird es im Einzelnen noch ein Ringen geben, das weiß ich schon", sagte Schäuble. Aber er sei "gar nicht so pessimistisch", denn "die Gewichte und die Argumente verschieben sich".

Schäuble äußerte die Hoffnung, dass eine solche Steuer ein Mittel sein werde, "diesen irrationalen Übertreibungen in den Finanzmärkten" entgegenzuwirken. Zudem könne so Geld eingenommen werden, um die Kosten der Schuldenkrise in Europa auszugleichen.

Weil Schäuble die Steuer für die 17 Euroländer in der Bild am Sonntag wesentlich deutlicher als Option nannte als in Breslau, wurde Schäuble von seinem Regierungskollegen, Entwicklungsminister Dirk Niebel, umgehend gerüffelt. Das FDP-Präsidiumsmitglied warf ihm "verwirrende Signale" vor, die "der Glaubwürdigkeit der gesamten Bundesregierung schaden". Die Bundesregierung habe jedenfalls nicht beschlossen, die Finanztransaktionssteuer "nur für die Euro-Besitzer gelten zu lassen".

EZB-Präsident sieht ermutigende Zeichen

Im Ringen um das Vertrauen der Finanzmärkte haben sich die EU-Finanzminister in Breslau am Freitag schon auf eine Verschärfung ihrer Haushaltsregeln geeinigt: Defizitsünder sollen in Zukunft leichter zur Verantwortung gezogen und die Volkswirtschaften der EU-Länder genauer unter die Lupe genommen werden können. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der zwischen dem Europäischen Parlament und den EU-Regierungen ausgehandelte Entwurf im November in geltendes Recht mündet, sagte der polnische Finanzminister Jacek Rostowski in Breslau. Der geltende Stabilitätspakt, der das erlaubte Haushaltsdefizit auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt, steht seit der ersten Jahreshälfte 2010 auf dem Prüfstand.

Auch wenn einzelne Länder Probleme haben, ist die Schuldensituation in Europa nach Ansicht des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) insgesamt besser als in anderen Industrieländern. "Wenn ich die Euro-Zone und die Europäische Union als Ganzes betrachte, ist die Situation durchaus ermutigend", sagte Jean-Claude Trichet in Breslau. Er rechne in diesem Jahr mit einem Gesamtdefizit der Euro-Staaten von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gegenüber rund 10 Prozent "bei anderen großen Wirtschaftsnationen". Insgesamt sei sind EU und Euro-Zone wahrscheinlich in einer besseren Lage als die Wirtschaft der anderen großen Industrieländer.

Der neue Chef der Bankenaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Raimund Röseler, hält auch die deutschen Geldinstitute für vergleichsweise wenig anfällig: "Dabei sind die deutschen Banken in einer sehr komfortablen Lage, weil am Markt niemand am deutschen Triple-A-Rating zweifelt."

Trotzdem warnt Röseler vor unvorhersehbaren Folgen einer Staatspleite Griechenlands für die deutschen Banken. "Der Ausfall des griechischen Staates allein würde die deutsche Bankenlandschaft zwar belasten, aber nicht zwingend in ihrer Existenz bedrohen. Sorgen machen uns vor allem die möglichen Folgeeffekte, die wir nicht zuverlässig kalkulieren können. Jede Zahl, die man da nennt, wäre relativ frei gegriffen." Deutsche Banken sind mit weniger als zehn Milliarden Euro in griechischen Staatsanleihen engagiert. Sie könnten aber in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn andere Banken wegen Griechenland in Schieflage geraten sollten.

Die BaFin halte die Institute in der gegenwärtigen Krise deshalb enger am Zügel als gewöhnlich, sagte Röseler in Bonn. "Wir lassen uns jeden Tag die Liquiditätssituation aller wichtigen Banken melden. Wir haben eine viel strengere Überwachung aufgesetzt und sprechen sehr intensiv mit den Banken über ihre Exposures - aber auch darüber, wie sie die Lage am Geldmarkt insgesamt einschätzen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: