Streit um Denkmalschutz:Bunker soll Beiersdorf weichen

Denkmal gegen Jobs - auf diese Formel lässt sich ein Streit in Hamburg bringen: Die SPD-Regierung will dem Nivea-Hersteller zuliebe einen der am besten erhaltenen Hochbunker in Eimsbüttel abreißen lassen. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Wer durch die Eisentür tritt, beginnt eine Zeitreise. Es riecht muffig, und es ist kalt, mit wenigen Schritten landen Besucher im Zweiten Weltkrieg. Damals, als die Alliierten im Sommer 1943 bei der "Operation Gomorrha" die Bomben auf Hamburg warfen. Tausende Menschen verharrten in Bunkern wie diesem. In einem der vielen Räume auf mehreren Etagen, mit wenigen Toiletten am Gang. An den Wänden in den Fluren prangen bis heute kitschig-naive Malereien mit Hamburg-Motiven, das sollte beruhigen.

"Das hier ist einer der besterhaltenen Hochbunker der Stadt", sagt Klaus Pinker vom Verein "Hamburger Unterwelten". Nirgendwo sonst seien so viele Details so originalgetreu zu sehen, sagt er. Im Sommer führt der 73-Jährige häufig Erwachsene und Schulklassen durch den Klotz und die Ausstellung darin. "Die Besucher rennen uns die Türen ein."

Doch wer den Krieg und den Bunker selbst spüren will, sollte sich beeilen. Denn die Stadt Hamburg will den Hochbunker abreißen lassen, damit die Beiersdorf AG ihr Gelände erweitern kann. Man könnte auch sagen: Hier wird ein Denkmal gegen Arbeitsplätze getauscht.

Jede Baulücke ist begehrt

Die Quelle des Ärgers: Der Nivea-Hersteller hat seine Zentrale mitten in einem Wohnviertel, in Hamburg Eimsbüttel, und platzt dort aus allen Nähten. "Wir haben nicht genügend Gebäudekapazität", sagt Finanzchef Ulrich Schmidt. Rund um den Bunker stehen verteilt auf viele Straßen die Zentrale, die Produktion und die Forschung. Kürzlich musste schon die Sparte Tesa an den Stadtrand umziehen, in Eimsbüttel war es zu eng.

Gleichzeitig gibt es im Viertel sehr viele Schutzräume. Hamburg ist mit mehr als 1400 Luftschutzeinrichtungen die Bunkerhauptstadt der Republik. Es gibt mehr als 70 Hochbunker. Viele wurden bis zum Ende des Kalten Krieges kaum angetastet.

So reihen sich Häuser, Bunker und Firmengebäude nebeneinander, jede Baulücke ist begehrt. Begierde weckt auch der Kinderspielplatz, der direkt an das Gelände des Kosmetikkonzerns und an den Bunker grenzt. Ein weites Gelände mit einer Halfpipe für Skater, einem Klettergerüst und Schaukeln. An diesem Nachmittag ist der Platz verwaist. Rentner Pinker erzählt, dass auch sonst wenig los sei. "Hier sind selten viele Kinder."

Der Bunker steht seit 2013 unter Denkmalschutz

Bei der Stadt sehen sie das wohl ähnlich. Als Beiersdorf die Ausbauwünsche vortrug, haben sie sich im Bezirksamt überlegt, dass der Kinderspielplatz am besten ein paar Meter verlegt werden könnte. "Es geht schließlich darum, dass ein großer Dax-Konzern hier weiter gut arbeiten kann", sagt Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke. Das Problem: Der Spielplatz soll dahin umziehen, wo jetzt der Bunker steht. Und der soll dann weg, so ist der Plan des Amtes.

Doch es gab ein Hindernis: Der Bunker steht seit 2013 unter Denkmalschutz. Doch das ändert sich nun, durch einen Eingriff der SPD-Regierung unter Bürgermeister Olaf Scholz. Am 8. Juli hat sich der Senat kurzerhand dafür ausgesprochen, den Denkmalschutz für den Hochbunker aufzuheben - und den Weg frei zu machen für den Abriss. Man habe, so heißt es in einer Kleinen Schriftlichen Anfrage der Grünen Bürgerschaftsfraktion, die verschiedenen Interessen abgewogen und wolle nun die Voraussetzungen für eine "zukünftige gewerbliche Nutzung" ermöglichen. In der Opposition sind sie entsetzt, dass der Senat aus kommerziellem Interesse so leicht den Denkmalschutz einkassieren kann. "Wir fordern einen Stopp der Abrisspläne", sagt Christa Goetsch, kulturpolitische Sprecherin der Grünen in Hamburg. Das Platzproblem lasse sich auch lösen, ohne dass der Bunker weichen müsse, sagt sie. "Die Werkserweiterung von Beiersdorf und der Erhalt des Bunkers stehen in keinem Widerspruch."

Goetsch verweist auf das Konzept einer Architektin des Vereins Hamburger Unterwelten. Es vereint Bunker und Spielplatz; es sieht eine Kletterwand außen und Probenräume für Bands im Inneren vor. Auch im Bezirksamt kennen sie das Konzept, doch sie halten wenig davon. "Es ist nicht tauglich, um damit dauerhaft die Betriebskosten zu zahlen", sagt Bezirksamtsleiter Sevecke.

Der Verweis auf die Kosten lässt aufhorchen. Denn die Hochbunker sind für die Stadt eine Last. Einen solchen Klotz abzureißen, kostet geschätzt eine halbe Million Euro. Geld, das die Stadt nicht hat - und das beim Abriss wohl von Beiersdorf gezahlt würde. Wer beim Konzern nachfragt, der erfährt, dass über Ausbau und Abriss noch nicht entschieden sei. Aber, so beteuert die Sprecherin, die Kosten würde die Firma wohl tragen.

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