Streit um Beteiligung an Kosten der Krise:"Koalition der Willigen" will bei Finanzsteuer vorpreschen

Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sind dabei. Doch solange sich Großbritannien sperrt, ist die EU-weite Einführung einer Abgabe auf Finanzgeschäfte chancenlos. Einige Länder sind daher nun bereit, vorzupreschen und eine Transaktionssteuer in kleinerem Kreis zu prüfen. Neben den vier größten EU-Staaten haben mindestens fünf weitere Zustimmung zum Vorstoß von Bundesfinanzminister Schäuble signalisiert.

Obwohl sich die Finanzminister der 27 EU-Staaten nicht auf eine Finanztransaktionssteuer einigen konnten, wird deren Einführung immer wahrscheinlicher - zumindest in einzelnen Staaten. Beim Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg erreichten die Staaten zwar keine Einstimmigkeit. Für den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), deswegen den Weg der verstärkten Zusammenarbeit einzuschlagen, deutete sich in einer Tischrunde aber die notwendige Anzahl von neun Ländern ab.

Mit dabei sind die vier größten Länder der EU: "Ich freue mich auch, das alle vier heute sagen können, wir unterstützen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande, sowie den Ministerpräsidenten von Italien und Spanien, Mario Monti und Mariano Rajoy.

"Die Menschen in unseren Ländern haben nach wie vor den Eindruck, die (Staatsschulden-)Krise ist gekommen mit der internationalen Finanzkrise", sagte Merkel. "Und die Finanzmärkte sind noch nicht ausreichend beteiligt." Hollande sagte, die vier Länder würden daran arbeiten, dass die Steuer so schnell wie möglich eingeführt werde. Damit die Steuer in der EU auf dem Wege der verstärkten Zusammenarbeit - und damit im Rahmen des EU-Rechts - eingeführt werden kann, müssen neun EU-Länder dazu bereit sein.

Diese "Koalition der Willigen" signalisiert Einigkeit darin, dass die Finanzunternehmen an den Kosten der Krise beteiligt werden müssen - mittels einer Abgabe auf ihre Geschäfte. "Ich werde nicht zulassen, dass man das Projekt zu Grabe trägt", sagte die österreichische Finanzministerin Maria Fekter. Sie gehe fest davon aus, dass sich neun Befürworter fänden, darunter auch Nicht-Eurostaaten.

Außer der Zustimmung von mindestens neun Ländern ist für das Vorpreschen der der Steuerbefürworter auch eine qualifizierte Mehrheit im EU-Finanzministerrat nötig. Neben Deutschland und Österreich sprachen sich Frankreich, Belgien, Portugal und Slowenien grundsätzlich für eine gemeinsame Initiative aus. Spanien, Griechenland, Malta, die Slowakei und Estland zeigten sich ebenfalls offen, möglicherweise jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Schäuble setzt mit seinem Vorstoß, die Steuer in einer kleineren Gruppe von Ländern einzuführen, ein Versprechen an die Opposition um, von dem Grüne und SPD ihre Zustimmung zum Fiskalpakt abhängig gemacht hatten. Sie sehen in der Abgabe eine faire Einnahmequelle für Konjunkturprogramme.

Der größte Widerstand gegen die Finanzsteuer kommt aus London und Schweden. Und so lange die Briten nicht mitmachen, ist Luxemburg dagegen. Auch der schwedische Ressortchef Anders Borg bekräftigte am Freitag seine Vorbehalte: "Eine Finanztransaktionssteuer macht das Geldleihen teurer und wird das Wachstum negativ beeinflussen", sagte er in Luxemburg.

In den Chor der Kritiker stimmte am Freitag auch der Volkswirt Clemens Fuest ein. "Diese Steuer erhöht die Finanzmarktstabilität nicht. Sie ist eine Subvention für den Finanzplatz London - zulasten Deutschlands", sagte Fuest, der im wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums sitzt und künftig das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung leiten wird, der Wirtschaftswoche. An den Märkten könnten bereits kleinste Steueränderungen massive Verlagerungen auslösen, warnte er. Die von der EU-Kommission erhofften Einnahmen von 57 Milliarden Euro seien "politisches Wunschdenken", sagte der Ökonom weiter. Auch würden unerwünschte Transaktionen durch die Steuer nicht eingedämmt.

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