Streit über VW-Betriebsrat in den USA:US-Senator lästert über deutsche Mitbestimmung

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Noch ohne Betriebsrat: VW-Werk in Chattanooga, Tennessee (Foto: dpa)

Noch ist es das einzige größere VW-Werk weltweit, das keinen Betriebsrat hat: Im amerikanischen Chattanooga will Volkswagen nun endlich eine Arbeitnehmervertretung einrichten - stößt dabei jedoch kurioserweise bei der Politik auf Widerstand. Ein Senator bezeichnet das Vorhaben als "einen der größten Fehler in der Konzerngeschichte".

Noch vor einem Jahr reiste US-Senator Bob Corker nach New York, um VW-Chef Martin Winterkorn eine Auszeichnung für dessen Managementleistungen zu überreichen - heute würde der republikanische Politiker den Konzernchef wohl nicht mehr so uneingeschränkt loben. Denn wenn es nach Corker geht, ist Volkswagen gerade dabei "einen der größten Fehler in der Firmengeschichte" zu begehen. Das sagte er dem Handelsblatt.

Mit diesem vermeintlichen Fehler meint Corker ein Vorhaben, was auf den ersten Blick recht unspektakulär scheint: Volkswagen will einen Betriebsrat einrichten. Aber in Chattanooga. Das Werk im US-Bundesstaat Tennessee ist das bisher einzige der großen VW-Werke weltweit, in dem ein Mitbestimmungsgremium fehlt. In Tennessee dominieren die Republikaner, und sie leisten enormen Widerstand.

Denn sollte es in dem Werk eine Arbeitnehmervertretung geben, würde VW diese wohl mit der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) einrichten. Rechtlich ist in den USA eine Gewerkschaft nötig, um eine Arbeitnehmervertretung einzurichten - unabhängige Betriebsräte nach deutschem Vorbild gibt es nicht. Senator Bob Corker, der als einer der härtesten Gewerkschaftskritiker des Landes gilt, sagte, es sei "schrecklich naiv" zu glauben, "das deutsche Modell nach Amerika exportieren zu können". "Die UAW würde nicht nur VW, sondern auch meiner Heimatstadt großen Schaden zufügen, andere Firmen würden einen Bogen um uns machen. Waren Sie mal in Detroit?", sagte Corker.

Die UAW war im Süden der USA in den vergangenen Jahren relativ machtlos, die Löhne waren meist entsprechend niedriger als in den Industriezentren im Norden der USA. Gerade deswegen haben sich viele Konzerne wie auch BMW oder Mercedes-Benz in der Region angesiedelt. Sollten die Gewerkschaften nun wieder mehr Macht haben und die Löhne steigen, fürchten Corker und seine Mitstreiter, dass die Attraktivität des Standorts für die Firmen sinkt - und die Konzerne wieder abziehen.

"Demokratie endet für uns nicht an Werkszäunen"

Schon im Juni drohten die Arbeiter im Werk in Chattanooga mit einer Blockade, sollte kein Betriebsrat für sie eingerichtet werden. Der Personalvorstand von Volkswagen, Horst Neumann, und der Betriebsratschef Bernd Osterloh wollten nun vergangene Woche persönlich die Fabrik besuchen, um das Vorhaben voranzutreiben. Doch der Firmenjet hatte eine Panne, abermals wurden die Gespräche verschoben.

Die UAW hatte bereits verlauten lassen, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten im VW-Werk Gewerkschaftskarten unterschrieben hätte. Lobby-Organisationen wie das "National Right to Work Comittee" starteten daraufhin zum Gegenangriff und sammeln nun ebenfalls Unterschriften - sie geben an, dass 30 Prozent der Arbeiter gegen eine gewerkschaftliche Vertretung sind.

Volkswagen lässt sich von solchen Nachrichten bisher nicht beeindrucken. Betriebsratschef Osterloh will die Reise nach Chattanooga in den kommenden Wochen nachholen, für ihn ist eindeutig: Er wird nicht verhandeln. Dem Handelsblatt sagte er: "In puncto Mitbestimmung muss klar sein: Demokratie endet für uns nicht an Werkszäunen."

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/ratz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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