Streit über Ärztehonorare:270 Millionen Euro mehr - nein danke!

Die Kassenärzte hatten im Honorarstreit mit den Krankenkassen 3,5 Milliarden Euro gefordert. Ein Schlichter hat nun entschieden, dass sie im nächsten Jahr lediglich 270 Millionen Euro zusätzlich bekommen sollen. Die Mediziner sind empört.

Guido Bohsem, Berlin

Wer Ärztechef Andreas Köhler kennt, weiß, dass es in ihm kocht nach diesem Ergebnis. Nach diesem Schlichterspruch in den Honorarverhandlungen für die Kassenärzte. 270 Millionen Euro zusätzlich sollen die etwa 150.000 Ärzte und Psychotherapeuten 2013 bekommen. Nur 270 Millionen Euro, muss man in Köhlers Sinne sagen - denn für den Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist diese Summe nicht zu akzeptieren. Kein Wunder, dass der Beschluss des Schiedsgremiums von Ärzten und Krankenkassen gegen die Stimmen der Ärzteschaft gefallen ist. Die Kassen hingegen stimmten dem Vorschlag des überparteilichen Vorsitzenden, des Duisburger Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem, zu.

Streit ums Geld für Deutschlands Ärzte

Deutschlands Kassenärzte sind mit dem Ergebnis des Schlichterspruchs nicht zufrieden.

(Foto: dpa)

3,5 Milliarden Euro hatte Köhler für die Kassenärzte gefordert, ein Plus von elf Prozent. Um diese Forderung zu begründen, hatte er vor allem auf die hohen Kostensteigerungen der vergangenen Jahre aufmerksam gemacht - die gestiegenen Energiekosten, die höheren Tariflöhne für die Sprechstundenhilfen, die gestiegenen Mieten. Der sogenannte Punktwert, der diese Kosten berücksichtigt und den Preis der ärztlichen Leistung anzeigt, sei seit 2008 nicht mehr gestiegen. Nach der Vereinbarung soll er nun von 3,5048 Cent auf 3,5363 Cent angehoben werden. Weitere Verhandlungen in den Regionen werden folgen. Dort kann das Ergebnis noch beeinflusst werden, wenn auch nur minimal.

Die Kassen hingegen hatten eine ganz andere Rechnung aufgemacht. Sie beauftragten das Schweizer Prognos-Institut und ließen die Kostensituation der Ärzte untersuchen. Als Ergebnis kam heraus, dass die Gesamtvergütung der Ärzteschaft seit 2008 deutlich gestiegen ist, und zwar sehr viel stärker als die erbrachte Leistung. Die Kostenentwicklung habe damit längst nicht Schritt gehalten. Weshalb die Kassen sich dafür aussprachen, das Honorar der Ärzte um 2,2 Milliarden Euro zu senken.

Auch dass die Kassen das Gutachten zudem der Öffentlichkeit präsentierten, verursachte Ärger in der Ärzteschaft. "Selten so lautes Geschrei gehört", bilanzierte ein Teilnehmer die Stimmung in einer Verhandlungsrunde. Von Vertrauensbruch war die Rede, von schlechtem Stil und Missachtung der ärztlichen Leistung. Die Kassen dagegen sprachen von überzogenen Forderungen und einem unverschämten Anspruchsdenken. Am vergangenen Wochenende kündigten einzelne Ärzteverbände massive Proteste an, wenn das Ergebnis nicht den Vorstellungen entspreche. "Das Verhalten der Kassen hat die Ärzteschaft ins Mark getroffen", sagte ein Vertreter.

Womöglich drohen Streiks

Jubel ist hingegen auch nicht von den Kassen zu vernehmen. Der stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte: "Das ist nicht das von den Kassen geforderte Ergebnis, aber eine vernünftige Lösung, die den Interessen beider Seiten entgegen kommt." Für die Beitragszahler bleibe damit der große Kostenschub aus, der durch eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Forderungen der Ärzteschaft entstanden wäre. Nach Berechnungen der Kassen erhält jeder Arzt im Durchschnitt etwa 1800 Euro im Jahr zusätzlich.

Obwohl es am Montag noch weitere Verhandlungen über einen Teilaspekt der Honorierung geben wird, wollen die Ärzte schon an diesem Wochenende zum Sturm gegen das Ergebnis blasen. In der Ärzteschaft wird damit gerechnet, dass in der für Samstag angesetzten Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Empörung groß sein wird.

Die Zeichen stehen nun auf Protest und vielleicht sogar auf Streik. Wie zuletzt 2006 könnten viele Praxen geschlossen bleiben, womöglich flächendeckend. Der Vorsitzende des Hartmann-Bundes, Klaus Reinhardt, bezeichnete das Verhandlungsergebnis als unannehmbaren Affront. Es handle sich um einen herben Rückschlag für die Bemühungen im Kampf gegen den drohenden Ärztemangel in Deutschland. Der Honorar-Anstieg liege deutlich unter dem überfälligen Inflationsausgleich und sei nicht mehr als eine weitere erbärmliche Episode im verbissenen Kampf der Kassen gegen all jene, die ihre Versicherten angemessen medizinisch versorgen wollen.

Auch aus der Politik ernteten die Kassen für ihre Verhandlungstaktik Kritik. "Ich verstehe den Unmut der Ärzte angesichts des eher mageren Ergebnisses", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn. Die Kampagne der Krankenkassen vor und während der Verhandlungen sei inakzeptabel gewesen. "Das vergiftet das Klima zwischen Ärzten und Kassen", betonte der Politiker. "So führt sich die Selbstverwaltung zum Schaden der Patienten ad absurdum."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: