Streit mit Hedgefonds:Warum Argentinien die Staatspleite droht

Streit mit Hedgefonds: Bleibt hart: Argentiniens Präsidentin Christina Kirchner will nicht zahlen.

Bleibt hart: Argentiniens Präsidentin Christina Kirchner will nicht zahlen.

(Foto: Guillermo Legaria/AFP)

Entscheidung im Kampf zwischen Argentinien und seinem größten Feind in der Finanzwelt. Das Land muss nach einer Gerichtsentscheidung den Hedgefonds NML ausbezahlen - kann es sich aber nicht leisten. Präsidentin Kirchner bleiben nur zwei Wochen, eine Lösung zu finden.

Von Jannis Brühl

  • Das oberste US-Gericht zwingt Argentinien, 1,5 Milliarden Dollar an den Hedgefonds NML Capital und andere Gläubiger zu zahlen.
  • In zwei Wochen muss das Land insgesamt mehr als 15 Milliarden Dollar zurückzahlen - doch das Geld ist nach Angaben der Regierung nicht da. Ein Staatsbankrott ist möglich.

Worum geht es?

2001 war Argentinien pleite. Das Land verhandelte mit Gläubigern über einen Schuldenschnitt: Sie sollten auf mehr als 70 Prozent des Wertes ihrer Staatsanleihen verzichten, oder gar nichts bekommen. Staaten nehmen über solche Anleihen ihre Kredite auf. Bis 2010 stimmten mehr als 90 Prozent der Gläubiger einem Verzicht zu. Doch eine kleine Gruppe wollte sich darauf nicht einlassen, sie forderte das kompletten Geld für die Staatsschulden zurück, obwohl sie diese wohl zu einem kleinen Teil des Ausgabepreises auf dem Zweitmarkt gekauft hatte. Dazu zählt der Hedgefonds NML Capital. Die Firma mit Sitz im Steuerparadies der Cayman-Inseln wird vom Milliardär Paul Singer geleitet, der als einer der erfolgreichsten Spekulanten der Finanzwelt gilt - und einer der hartnäckigsten. Seit einem Jahrzehnt führt Singer jene Gruppe der Investoren an, die mit Argentiniens Regierung ringen. Zwischenzeitlich ließ er ein argentinisches Marineschiff pfänden, die mehr als hundert Meter lange Libertad. Singer verklagt auch die Familien Porsche und Piëch, weil bei der versuchten Übernahme von VW durch Porsche nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein soll.

Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner fährt in der Tradition der südamerikanischen Populisten einen harten Kurs gegen internationale Unternehmen, wenn sie ihrer Meinung nach dem Land schaden. Sich ihnen nicht zu beugen, ist Grundstein der Politik von Kirchner und ihrem verstorbenen Mann Néstor, der ihr Vorgänger im Amt war. Vergangenes Jahr verstaatlichte die Präsidentin den Ölkonzern Repsol-YPF zu 51 Prozent, was vor allem Spanien verärgerte, das Heimatland von Repsol. Singer wurde von Kirchners Regierung schon als "Erfinder der Geier-Fonds" geschmäht. Wegen der Staatspleite und dem Streit mit Kreditgebern bekam Argentinien lange fast kein Geld mehr von Investoren. Allerdings besserte sich die Lage in den vergangenen Monaten. Die Regierung einigte sich mit mehreren wichtigen staatlichen Gläubigern, Goldman Sachs lieh dem zuvor geächteten Land eine Milliarde Dollar.

Was hat das Gericht nun entschieden?

Es ist ein doppelter Sieg für NML Capital: Der Oberste Gerichtshof der USA bestätigte am Montag das Urteil einer niedrigeren Instanz, demzufolge Argentinien Gläubiger nicht benachteiligen darf (hier die Entscheidung). Wenn das Land die "braven" Investoren auszahlt, die den Schuldenschnitt akzeptiert haben, dann muss es das auch bei den widerspenstigen Gläubigern wie NML Capital tun. Deshalb werden Ende des Monats inklusive Zinsen 1,5 Milliarden Dollar an die Kläger fällig. Diese Zahlung würde Argentinien zu weiteren Zahlungen an andere Gläubiger verpflichten, die keinen Schuldenschnitt akzeptiert haben - schließlich sollen alle gleich behandelt werden. Zudem kann NML Capital nun Informationen über argentinischen Besitz von Banken in den USA anfordern, ein erster Schritt hin zu Pfändungen. Richterin Ruth Bader Ginsburg machte in der Entscheidung ihre abweichende Meinung deutlich: So viel Einsicht in den Besitz eines Staates gehe zu weit. Weil die Anleihen nach amerikanischem Recht vergeben wurden, entscheiden auch US-Gerichte über den Fall.

Geht Argentinien jetzt pleite?

Die Regierung machte schon vor der Gerichtsentscheidung klar: Am 30. Juni, wenn die nächsten Zahlungen fällig werden, könne das Land nicht alle seine Gläubiger bedienen. Auch nach dem Urteil bleibt Kirchner hart. "Geier" wie NML würden nicht das ganze geforderte Geld sehen, sagte sie in einer Fernsehansprache in der Nacht: "Als Präsidentin kann ich das Land nicht einer solchen Erpressung unterwerfen." Die mehr als 15 Milliarden Dollar, die fällig werden, seien mehr als die Hälfte der Devisenreserven der Zentralbank, die Zahlung deshalb unmöglich. Nur wenn Kirchner massiv staatliche Ausgaben kürzt, kann sie das Geld auftreiben - Sparprogramme würden ihr aber politisch schaden. Technisch gesehen dürfte Argentinien Ende Juli, 30 Tage nach Verstreichen der Frist, zahlungsunfähig werden. Die Ratingagenturen könnten das Land auf den gefürchteten Status "D" (für "default") zurückstufen. Dann würde Argentinien neu mit den Gläubigern verhandeln.

Einen Vorgeschmack darauf gab es nach dem Urteil bereits. Die Kurse an der argentinischen Börse brachen um zehn Prozent ein. Außerdem schnellten die Kosten von Kreditausfallversicherungen (CDS) auf argentinische Staatsanleihen in die Höhe. Das bedeutet, dass viele Investoren einen Staatsbankrott für wahrscheinlicher halten - was wiederum viele andere Investoren abschrecken dürfte und wiederum die Zinsen erhöht, die Argentinien für Kredite aufbieten muss. Allerdings zeigte sich Kirchner offen für Verhandlungen mit NML. Doch der Hedgefonds ist wegen des Urteils in der besseren Position und könnte versuchen, von Juli an argentinisches Vermögen zu pfänden, statt mit Kirchner zu verhandeln.

Das Urteil könnte zudem ein Präzedenzfall sein. Warum sollten sich Gläubiger noch auf Schuldenschnitte einlassen, wenn sie mit Verweis auf das Urteil des obersten US-Gerichtes ohnehin an ihr Geld kommen? Nicht nur Argentinien, auch die US-Regierung hatte an die Richter appelliert, Gläubigern die Einsicht in Staatsbesitz nicht zu erleichtern. Das wäre ein "substanzieller Eingriff in staatliche Souveränität".

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