Streit der Notenbanken:Bundesbank attackiert Draghis Euro-Versprechen

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Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann streiten um die richtige Strategie in der Euro-Krise - und das öffentlich. (Foto: dpa)

Die Europäische Zentralbank hat im vergangenen Jahr ganz erheblich zur Beruhigung der Euro-Krise beigetragen. Doch hat die EZB überhaupt das Recht zu sagen, was sie sagt? Die Bundesbank hat erhebliche Zweifel - und spart in einer Stellungnahme nicht mit Kritik.

Bastian Brinkmann

Mario Draghi hat es schon öffentlich eingestanden: Der Chef der Europäischen Zentralbank streitet mit dem Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann. Normalerweise regeln die Währungshüter Meinungsverschiedenheiten hinter verschlossenen Türen. Doch der Streit um die richtige Strategie in der Euro-Krise wird offen ausgetragen.

Jetzt ist auch noch eine Stellungnahme öffentlich geworden, die die Bundesbank an das Bundesverfassungsgericht geschickt hat. Das Gericht wird sich im Sommer mit dem neuen Rettungsschirm ESM befassen. In dem Schreiben erklärt die Bundesbank auf 29 Seiten, was aus ihrer Sicht bei der EZB schiefläuft. Das Handelsblatt hat das Papier online gestellt.

Draghi hatte vergangenen Sommer versprochen, den Euro zu beschützen, "whatever it takes", was auch immer dafür nötig sei. Der EZB-Chef kündigte an, dass die Zentralbank unbegrenzt Staatsanleihen kaufen würde, wenn sich ein Krisenland einem Reformprogramm unterwirft. Danach sanken die Zinsen sehr deutlich, die angeschlagene Staaten wie Spanien und Italien für neue Kredite zahlen müssen.

Staatsanleihenkäufe sind eigentlich tabu für die EZB. Die Zentralbank begründet ihre Ausnahme damit, dass die traditionelle Geldpolitik mithilfe des Leitzinses nicht mehr funktioniert. Schon diese Behauptung greift die Bundesbank an: Es könnte auch die Architektur der Euro-Zone an sich sein, die den Leitzins wirkungslos mache. Es gebe aber zu wenig Daten, um diese Frage zu beantworten.

Die EZB-Analyse sei "subjektiv", betont die Bundesbank. Und die hohen Zinsen für die Krisenstaaten seien zudem nicht unbedingt ein "irrationales" Überdrehen der Finanzmärkte, sondern könnten auch einfach ökonomische Gründe haben. "Es ist sehr zweifelhaft, ob ein einheitliches Zinsniveau in der Währungsunion erstrebenswert ist", heißt es in dem Papier.

Draghis "Whatever-it-takes"-Versprechen erteilt die Bundesbank ebenfalls eine klare Absage. "Die Notenbank kann die derzeitige Zusammensetzung der Währungsunion nicht garantieren, angesichts weiterhin souveräner Nationalstaaten", schreiben die Frankfurter. "Das wäre hypothetisch nur denkbar, wenn sie zur Verhinderung eines Austritts eine bedingungslose, unbegrenzte Finanzierung für jedes Land zusagte. Dies gehört jedoch nicht in den Aufgabenbereich der Geldpolitik."

Auch warnt die Bundesbank davor, dass die EZB ein Staatsanleihenprogramm nicht wie zugesagt aussetzen werde, wenn ein Land sich nicht mehr auf Reformkurs befinde. Denn ein Abbruch der EZB-Maßnahme könnte den Euro-Verbleib des Landes gefährden, den das Programm doch garantieren soll. Dann gäbe es eine Rettung ohne Auflagen.

Reisende soll man nicht aufhalten, findet Weidmann außerdem: Die EZB könne einen Austritt zudem gar nicht verhindern, "wenn die gewählten Vertreter eines Landes einen Austritt demokratisch beschließen, weil sie nicht in der Lage oder willens sind, die wirtschaftlichen Grundlagen für einen Verbleib in der Währungsunion zu schaffen".

Mit ähnlichen Worten hatten schon andere deutsche Politiker vor allem Griechenland mit dem Euro-Austritt gedroht.

Dazu kommen aus Sicht der Bundesbank "hohe Bilanzrisiken" bei den Anleihenkäufen. Staatsanleihen der Krisenstaaten zu kaufen, sei eine riskante Wette, mahnt sie - es drohten Verluste. Das Programm komme zudem einer "Umverteilung zwischen Steuerzahlern verschiedener Mitgliedsstaaten" gleich.

Allein: Bisher hat die EZB noch keinen Euro ausgegeben, um im Rahmen dieses Programms Staatsanleihen zu kaufen. Draghis warme Worte haben gereicht, um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen. Jetzt sagt sogar der Chef der griechischen Notenbank, George Provopoulos, dass die Pläne vielleicht nur Theorie bleiben. "Weil sich in den letzten Monaten viel stabilisiert und normalisiert hat, wird das vielleicht nie genutzt."

Das Bundesfinanzministerium wollte die Kritik der Bundesbank nicht kommentieren. Ministeriumssprecher Martin Kotthaus sagte, die Bundesregierung gehe davon aus, dass das Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Rettungsmechanismus ESM in vollem Umfang bestätigen werde.

Die SPD hingegen kritisiere die Haltung der Bundesbank. "Ihre Aussagen grenzen teils an geldpolitisches Harakiri", zitiert das Handelsblatt den Finanzexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Sieling. Es handele sich um rückwärtsgewandte Blockadepolitik, die nur Stoppschilder kenne, "ohne einen einzigen konstruktiven Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten".

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