Streik der Lokführer:Wenn alle für einen nerven

Streik der Lokführer - GDL-Vorsitzender Claus Weselsky am Hauptbahnhof Leipzig

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky am 15. Oktober 2014 am Leipziger Hauptbahnhof.

(Foto: dpa)

Es ist ein absurder Streik, mit dem die Gewerkschaft GDL die Geduld der Deutschen strapaziert. Absurd deshalb, weil es nicht um mehr Geld für die Lokführer, sondern um mehr Macht für einen Einzelnen geht: ihren Vorsitzenden.

Kommentar von Daniela Kuhr

Fünfzig Stunden Streik, fünfzig Stunden überfüllte Züge, fünfzig Stunden Chaos an den Bahnhöfen, das ist die Bilanz dieses Wochenendes. Eines Wochenendes, an dem in sieben Bundesländern die Herbstferien begonnen haben.

Wofür das Ganze? Würde man eine Straßenumfrage machen, dürfte die Antwort überwiegend lauten: damit die Lokführer mehr Geld bekommen. Auch die Lokführer selbst würden vermutlich so antworten. Doch das ist falsch. Um Lokführer geht es bei diesem Streik überhaupt nicht - was die ohnehin schon völlig verfahrene Auseinandersetzung endgültig absurd macht.

Ginge es um die Lokführer, hätte der Tarifstreit längst beigelegt werden können. Sie könnten schon eine ganze Zeit lang mehr Geld haben. Die Bahn hat bereits mehrere Angebote vorgelegt, das jüngste am vergangenen Freitag. Es sah neben einigen anderen Verbesserungen auch vor, die Gehälter schrittweise um fünf Prozent zu erhöhen. Das ist nicht mehr weit von dem entfernt, was die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) als Lohnplus gefordert hat. Doch der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky lehnte erneut ab, wie er es schon bei sämtlichen vorangegangenen Angeboten der Bahn gemacht hatte.

Auf inhaltliche Gespräche über Verbesserungen für die Lokomotivführer hat Weselsky sich bislang nicht eingelassen. Nicht, weil ihm die Angebote der Bahn zu gering erschienen, sondern weil er sich in den Kopf gesetzt hat, erst dann über eine Tariferhöhung für die Lokführer zu verhandeln, wenn die Bahn ihm zubilligt, auch für das sonstige Zugpersonal, wie Zugbegleiter oder Bordkellner, verhandeln zu dürfen. Diese Berufsgruppen werden bislang von der weitaus größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten, die das verständlicherweise gerne auch weiterhin so handhaben möchte. Die Lokführer dienen dem GDL-Vorsitzenden also als Druckmittel, um seinen persönlichen Einflussbereich auszudehnen.

Nicht etwa hilflos und entrechtet

Mit einer normalen Tarifauseinandersetzung hat das nichts mehr zu tun. Üblicherweise laufen Tarifgespräche so ab, dass Arbeitnehmer zunächst deutlich mehr Geld fordern, der Arbeitgeber jedoch nur einen Bruchteil davon zubilligen will. Dann setzen sich beide Seiten zusammen, es wird verhandelt, gedroht, gestreikt - und am Ende einigt man sich irgendwo in der Mitte. Streiks sind in diesem Fall ein absolut legitimes Mittel, um den eigenen Interessen Nachdruck zu verleihen.

In dem gegenwärtigen Tarifkonflikt streiken die Lokführer aber nicht für ihre eigenen Interessen, sie streiken auch nicht für mehr Geld. Sie streiken, damit ihre Gewerkschaft zusätzliche Berufsgruppen vertreten darf. Berufsgruppen, die bislang nicht etwa hilflos und entrechtet dastehen, sondern bereits von einer anderen, großen Gewerkschaft vertreten werden. Es geht bei diesem Streik also nicht um Verbesserungen für die Lokführer, sondern um die Macht eines Einzelnen, die des Gewerkschaftschefs Weselsky. Sein größter Trumpf scheint zu sein, dass die Lokomotivführer das noch nicht gemerkt haben.

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