Streik bei der Post:Sag mir, wo die Briefe sind

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Verdi-Streik bei der Post: Sieben Millionen Briefe sollen am ersten Streiktag liegen geblieben sein. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Millionen Briefe und Päckchen bleiben wegen des Post-Streiks liegen. Kunden auf der Suche nach Alternativen merken schnell, dass man an der Post nur schwer vorbeikommt.

Fragen und Antworten von Annette Zoch

Durch die Streiks in den Briefverteilzentren verzögern sich nach Angaben der Deutschen Post deutschlandweit rund sieben Millionen Briefsendungen. Das sind knapp elf Prozent der täglichen Menge von rund 65 Millionen Sendungen. Für viele Verbraucher stellt sich angesichts des Streiks die Frage nach Alternativen zur Deutschen Post. Doch gibt es diese überhaupt, und was taugen sie?

Wie sieht der Briefmarkt aus?

Die Deutsche Post dominiert. Laut des Jahresberichts der Bundesnetzagentur von 2014 hält die Post im Briefmarkt einen Marktanteil von 87,7 Prozent. Den Rest des Kuchens teilen rund 600 Dienstleiter unter sich auf. Davon waren aber 350 Lizenznehmer kleine Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 000 Euro im Jahr, bei denen zum Beispiel nur der Inhaber oder weitere Familienangehörige arbeiteten.

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Nach gescheiterten Verhandlungen sind die Post-Mitarbeiter am Montagnachmittag in einem unbefristeten Streik getreten. "Wir müssen den Druck nun massiv erhöhen", sagte Verdi-Vize Andrea Kocsis. Wie groß ist Ihr Verständnis?

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Gibt es im Briefmarkt für Privatkunden Alternativen zur Deutschen Post?

Jein. Es gibt zwar diverse andere Briefzusteller, in Berlin zum Beispiel Pin Mail oder in Niedersachsen Citipost. Diese verfügen auch über Briefkästen und eigene Postwertzeichen, die etwa im Einzelhandel oder in Lotto-Annahmestellen gekauft werden können. Viele der Konkurrenz-Briefdienstleister sind laut Bundesnetzagentur zudem günstiger als die Post, 91 Prozent von ihnen lagen 2013 unter deren Standardporto. Für den normalen Bürger sind die meisten anderen Anbieter allerdings keine Alternative, da diese sich hauptsächlich an Geschäftskunden richten und nicht an Privatleute, die sonst in einer Postfiliale mit ihren Briefen oder Postkarten Schlange stehen würden.

Der Versand über die Post-Konkurrenten kann außerdem länger dauern als über die Post, da die meisten Zusteller ihre Dienste nur in beschränkten regionalen Zustellgebieten anbieten. Zwar haben sich viele Dienstleiter in Versandnetzwerken wie Mail Alliance oder P2 zusammengeschlossen, doch eine flächendeckende Zustellung gibt es noch nicht. "Jenseits der Metropolen, auf dem platten Land, geht es gar nicht ohne Post", sagt Verdi-Sprecher Jan Jurczyk. Nach Angaben des Bundesverbands Briefdienste sind die Anbieter in rund 20 Prozent der Bundesrepublik auf der sogenannten "letzten Meile" auf die Post angewiesen. Zahlreiche deutsche Zeitungsverlage sind an Postdienstleistern beteiligt. Zur SWMH, zu der auch die Süddeutsche Zeitung zählt, gehört beispielsweise auch der Zustelldienst BWPost.

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Von Daniela Kuhr

Welche Möglichkeiten gibt es darüber hinaus, wenn man wichtige Schriftstücke verschicken muss?

Kurierdienste wie Federal Express oder UPS versenden nicht nur Pakete, sondern auch Briefe. Das hat allerdings seinen Preis: Ein in Deutschland versandtes Schreiben kostet je nach Anbieter um die 30 Euro. Wer ganz sicher gehen möchte, dass ein Brief ankommt, kann seinen Brief bei der Deutschen Post auch per Express-Versand verschicken. Dies ist zwar teurer, hier garantiert die Post aber trotz des Streiks momentan noch die rechtzeitige Zustellung, sagt Julian Graf, Experte für Postdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Eine weitere, jedoch bisher in Deutschland kaum genutzte Möglichkeit ist die sogenannte De-Mail, bei der die Identität von Absender und Empfänger sowie Versand und Eingang von Dokumenten zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Um diese elektronische Versandmöglichkeit nutzen zu können, muss man sich vorher bei akkreditierten De-Mail-Anbietern wie zum Beispiel der Telekom oder anderen großen Mailprovidern registrieren. Allerdings muss vorher klar sein, dass der Empfänger eine De-Mail auch als Schriftstück akzeptiert. Zudem gab es in der Vergangenheit öfter Zweifel an der Datensicherheit. "Deshalb würde ich aus Datenschutzsicht von diesem Versandweg abraten", sagt Verbraucherschützer Julian Graf.

Wie ist es im Paketmarkt?

Hier ist die Dominanz der Post-Tochter DHL ohnehin nicht ganz so groß wie im Briefsegment, auch wenn die DHL den Markt der Paketzusteller klar anführt. Beim Paketdienst DPD geht man allerdings nicht davon aus, dass der Streik bei der Post sich kurzfristig auf das Paketgeschäft der Konkurrenzunternehmen auswirkt: "Bei den Paketdienstleistern geht es gerade im Internethandel um langfristige Geschäftsbeziehungen, da werden wir den Streik nicht sofort merken", sagt ein Unternehmens-Sprecher. Man habe deshalb noch keine Kapazitäten aufgestockt. "Erst wenn der Streik länger dauern sollte, könnte es sein, dass andere Unternehmen etwas von der Wut der Verbraucher merken", hieß es beim DHL-Konkurrenten.

Wie zahlt die Post, und wie zahlen ihre Wettbewerber?

Politik und Gewerkschaften haben in der Vergangenheit Kritik an der Lohnpolitik der Paketversandbranche geübt, weil diese häufig versucht, durch den Einsatz von oft scheinselbstständigen Zustellern die Lohnkosten zu drücken. Bei Briefzustellern gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Zusteller der Deutschen Post verdienen im vergleichbaren Eingangstarif mehr, sie müssen aber mitunter auf dem Land auch gleich Pakete mit zustellen, heißt es bei Verdi. Gewerkschaftschef Frank Bsirske verteidigt deshalb den unbefristeten Streik bei der Deutschen Post: "Von einem Marktführer wird man erwarten können, dass er auch bei Arbeitsbedingungen und Löhnen vorne liegt."

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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