Streik bei der Lufthansa:Dünne Luft

Lufthansa

Die Lufthansa stellt Flugbetrieb wegen Pilotenstreik weitgehend ein.

(Foto: dpa)

Ein Gesetzentwurf der großen Koalition sieht vor, dass pro Betrieb nur noch ein Tarifvertrag gelten darf. Für die Lufthansa hieße das, nur Verdi dürfte verhandeln, die Pilotenvereinigung Cockpit könne sich lediglich anschließen und zu keinem Streik aufrufen. Ein riskanter Plan.

Ein Kommentar von Detlef Esslinger

Die große Koalition hat ein Gesetz verabredet, nach dem pro Betrieb nur noch ein Tarifvertrag gelten soll - und zwar derjenige der Gewerkschaft, die dort die meisten Mitglieder hat. Bei der Lufthansa hieße das: Nur noch Verdi dürfte einen Tarifvertrag aushandeln, die Pilotenvereinigung Cockpit hingegen hätte bloß noch das Recht, sich dem anzuschließen. Sie könnte keinen eigenen mehr aushandeln und folglich auch zu keinem Streik aufrufen.

Wäre das nicht ein Segen fürs Land: keine dreitägige Arbeitsniederlegung mehr wie jetzt, keine Möglichkeit mehr für eine relativ kleine Berufsgruppe, einen ganzen Konzern lahmzulegen? Die Frage ist aus mehreren Gründen falsch gestellt. Der Maßstab für die Beurteilung eines Streiks ist doch nicht, wie sehr sich Reisende und Frachtkunden darüber ärgern. Ein Streik, der niemanden ärgert (und niemandem schadet), wäre wohl keiner.

Riskanter Plan

Es ist dafür auch nicht erheblich, ob die Piloten zu Recht fordern, dass ihre Versorgung im Alter so bleibt, wie sie seit Jahrzehnten war - oder ob sie ihren Arbeitgeber damit überfordern. Das sollen beide Seiten miteinander klären. Die Frage muss doch sein, ob ein solches Gesetz überhaupt geeignet wäre, das zu erreichen, was es erreichen soll: dass eine große Gewerkschaft für sämtliche Beschäftigte verhandelt und danach Ruhe an der Tariffront herrscht.

In Wahrheit ist kaum ein Plan der Koalition riskanter als dieser. Das Grundgesetz garantiert in Artikel 9 jedermann das Recht, "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden". Diese Vereinigungen - Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände genannt - verdienen diese Bezeichnung aber nur, wenn sie nicht bloß so heißen, sondern auch etwas durchsetzen können; darüber sind sich alle Verfassungs- und Arbeitsrechtler einig. Wer also ein Gesetz macht, das relativ kleinen Gewerkschaften wie Cockpit, dem Marburger Bund oder der Lokführer-Gewerkschaft nur erlaubt, unter die Tarifverträge großer Gewerkschaften zu schlüpfen, der läuft recht große Gefahr, vor dem Bundesverfassungsgericht krachend zu scheitern.

Aber abgesehen vom Juristischen: Die Arbeitsbedingungen von Piloten müssen nun mal ausgehandelt werden, so wie die jeder anderen Berufsgruppe. Und wer sollte dies tun, wenn nicht die Vereinigung Cockpit? Fast alle organisierten Piloten sind bei ihr, nur sehr wenige bei der Großgewerkschaft Verdi.

Deren Vorsitzender Frank Bsirske lehnt es deshalb ausdrücklich ab, für Piloten zu verhandeln. Er könnte weder auf deren Knowhow noch auf deren Kampfkraft zurückgreifen, er könnte also mit einem Streik nie auch nur drohen - weshalb er von Arbeitgebern nicht ernst genommen würde. So sind die Gesetze von Tarifverhandlungen, egal wo. Das Ergebnis könnten folglich nur Tarifverträge sein, für die Bsirske sich hinterher schämen müsste. Also lässt er es lieber gleich. Wer per Gesetz das Streikrecht verschärfen will, kann genauso gut Aspirin gegen seine Krampfadern nehmen. Die Wirkung ist in beiden Fällen gleich, nämlich null.

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