Streik angedroht:Die Logik des Ärztelateins

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Ziel der Honorar-Reform der großen Koalition ist es, die Unterschiede der Ärzte-Gehälter zu verringern - doch das wird richtig teuer.

Guido Bohsem

Im Schnitt verdient ein niedergelassener Arzt pro Jahr 120.000 Euro. So sagt es das Statistische Bundesamt. Davon sind bereits alle Kosten abgezogen außer den Steuern. Das ist eine hübsche Summe und bestimmt nicht wenig. Ungefähr so viel verdient ein Staatssekretär in der Bundesregierung oder der Präsident des Bundesrechnungshofes; viele Anwälte und Notare verdienen weniger. Trotz aller Klagen sind Ärzte in Deutschland also weit davon entfernt, am Hungertuch zu nagen. Man könnte es deshalb überzogen finden, wenn die Ärzte von den gesetzlichen Krankenkassen eine Honorarsteigerung von 4,5 Milliarden Euro fordern, immerhin ein Plus von gut 16 Prozent.

Droht Deutschland nach dem großen Streik im Jahr 2006 ein neuer Protest der Ärzte. (Foto: Foto: dpa)

Doch wie so oft verschleiert der statistische Mittelwert, wie komplex die Situation tatsächlich ist. So gibt es unter den Honoraren der Mediziner erhebliche Unterschiede. Hausärzte verdienen beispielsweise erheblich weniger als Radiologen. Ärzte in Bayern und Baden-Württemberg erhalten deutlich mehr für ihre Arbeit als ihre Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg. Auch vergüten die einzelnen Krankenkassen die Ärzte aufgrund historisch gewachsener Strukturen mitunter völlig verschieden. Es ist Ziel der Honorar-Reform der großen Koalition, diese Unterschiede zu verringern. Nebenbei soll auch noch das komplizierte und undurchsichtige Abrechnungssystem umgestellt werden: Statt in abstrakten Punktwerten sollen die Mediziner künftig in Euro und Cent kalkulieren können. Dass es für Kassen und Ärzte nicht einfach ist, sich auf die Einzelheiten dieses gewaltigen Vorhabens zu verständigen, liegt auf der Hand.

Der Knackpunkt ist aber das Geld und die Frage, wie viel ein niedergelassener Arzt in Deutschland verdienen sollte. Grob gesprochen gibt es drei Lösungsansätze: billig, teuer und ganz teuer. Die Kassen haben Interesse an der günstigen Variante. Für sie wäre es ideal, ein Durchschnittshonorar festzulegen: Man vergleicht die Länder mit den höchsten Ärztehonoraren mit jenen, in denen am wenigsten gezahlt wird, und einigt sich auf die Mitte. Die heutigen Gutverdiener würden weniger bekommen, die Geringverdiener profitieren. Die Kassen müssten nicht mehr, sondern genauso viel zahlen wie jetzt. Das wäre gut für das System, weil die Beiträge der Kassenmitglieder nicht steigen müssten. Allein, es lässt sich nicht durchsetzen, weil damit für die Ärzte in Süddeutschland hohe Einkommensverluste verbunden wären.

Aussichtsloser Kampf

Die zweite, die teure Möglichkeit wäre, den Ärzten in ganz Deutschland soviel zu zahlen wie den Spitzenverdienern unter ihnen. Für die Mediziner würde es deutlich attraktiver, eine Praxis beispielsweise im Vorpommerschen aufzumachen. Das könnte helfen, dem drohenden Ärztemangel in der Region vorzubeugen. Auch der Arzt in München könnte zufrieden sein, weil er seinen komfortablen Status quo hält. Doch in Bayern herrscht derzeit der Ausnahmezustand, weil im Herbst gewählt wird. Vor allem auf Drängen der CSU kommt deshalb die ganz teure Lösung ins Spiel.

Die geht so: Die Honorare der Ärzte in Bayern steigen mindestens um ein Prozent, und der Rest der deutschen Ärzte orientiert sich an diesem Wert. Das hört sich absurd an, wird aber voraussichtlich die Lösung des Streits sein. Denn CSU-Chef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein ist vor den Wahlen daran gelegen, die rebellischen Ärzte zu befrieden. Die Zusage von Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sie schon eingeholt. Auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ist einverstanden. Mindestens 2,5 Milliarden Euro sollen die Mediziner zusätzlich bekommen. Die Krankenkassen kämpfen deshalb einen ziemlich aussichtslosen Kampf. Denn sollten sie und die Ärzte nicht zu einer Einigung kommen, kann Schmidts Ministerium den Kompromiss bestimmen. So sieht es das Gesetz vor.

© SZ vom 09./10.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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