Allround-Handwerker:Kann der wirklich alles?

Wohnungsrenovierung

Handwerker sind im aktuellen Bauboom schwer zu bekommen.

(Foto: dpa)
  • Fachbetriebe fehlen, Nachwuchs auch: Wer einen Handwerker für kleinere Reparaturen ruft, muss teils Wochen warten.
  • Immer mehr Allround-Handwerker drängen in diese Marktlücke und versprechen Abhilfe.
  • Doch Verbraucherschützer und Handwerkskammern raten zu Vorsicht bei den scheinbaren Heilsbringern.

Von Janis Beenen

Eine neue Dusche zu montieren ist für den Profi ein Klacks. Doch der Handwerker am Telefon reagiert genervt. "Termin gibt es frühestens in acht Wochen", brummt er. So passiert es täglich. Die Auftragslage ist gut. Deshalb können sich Installateure, Elektroniker und Anstreicher lukrative Baustellen rauspicken. Lieber die Bäder in einem großen Neubau herrichten, als das defekte Waschbecken zu reparieren.

Und die Suche der Kunden wird in Zukunft noch mühevoller: Der Branche fehlt Nachwuchs. Manche Laien probieren sich daher aus purer Not schon selber als Fliesenleger. Unter Anleitung von Erklärvideos basteln sie am neuen Boden.

Das muss nicht sein, meint Oliver Deuerling. Er ist sogenannter mobiler Generalist: Ein Handwerker, der alles ein bisschen macht und daher ohne große Werkstatt auskommt. "Ich schließe Ihnen die Waschmaschine an, repariere den tropfenden Wasserhahn und Fahrräder", sagt Deuerling. Weit mehr als 100 000 werkstattlose Handwerker gibt es schätzungsweise in Deutschland - darunter etliche Allrounder. Sie machen einen Milliardenumsatz. Im den letzen Jahren wurden es immer mehr. Die Generalisten könnten den Handwerkermangel lösen, hoffen Kunden. Für sie sind die Alleskönner Heilsbringer - scheinbar.

Tatsächlich drängen Deuerling und seine Kollegen in die Nische, die ihnen die Fachbetriebe lassen. Sie übernehmen den Kleinkram. "Bei mir müssen die Kunden maximal fünf Tage auf einen Termin warten", sagt Deuerling. Wenn es eilt, kommt der 46-Jährige früher. Er vergleicht das Geschäft der Allrounder mit einem Pizza-Dienst. Sehr spontan, wenn das Telefon klingelt, muss er los. Seit knapp zehn Jahren klingelt es bei Deuerling beständig. Eher zufällig kam er zu dem Job. Er war Hausmeister. Immer wurde er gefragt, ob er hier und da noch eine Kleinigkeit schrauben kann. Handwerker kämen ja keine. Also machte sich Deuerling mit seinem Haushalts- und Gebäudeservice selbständig. Seitdem düst er mit seinem Transporter durch München. Er kommt ohne einen Laden aus. Die meisten Generalisten arbeiten aus dem Auto heraus. In der Regel haben sie auch keine Angestellten. Das spart Kosten. Daher sind viele Allrounder auch günstiger als Fachbetriebe.

Das klingt für die Kunden super. Dennoch sollten sie kritisch bleiben. Jeder kann mobiler Generalist werden. Im Jahr 2004 wurden etliche Handwerksberufe zulassungsfrei, um den Weg zur Selbständigkeit zu vereinfachen. Darunter Fliesenleger, Parkettleger oder Rollladenbauer. Einen Gesellen- oder Meistertitel braucht niemand, um seine Dienste in diesen Bereichen anzumelden. Nach der EU-Erweiterung nutzen vor allem Menschen aus Osteuropa den liberalen Markt in Deutschland. Bleibt für die Kunden zu hoffen, dass das Arbeitsergebnis auch ohne Fachausbildung immer passt.

Oliver Deuerling, Handwerker, 2018

Oliver Deuerling ist seit knapp zehn Jahren Allround-Handwerker. Der 46-Jährige kämpft für den Ruf der Generalisten.

(Foto: Janis Beenen)

Vertreter von Handwerkskammern sind skeptisch. Manche reizen die Zulassungsfreiheit schließlich aus. "Es gibt Fälle, in denen sich Ungelernte als Maßschneider, Gold- und Silberschmied und Fliesenleger bei uns eintragen lassen", berichtet ein Sprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Er bezweifelt, dass die Arbeiten dann die Qualität eines Meisterbetriebs haben. Für den Ruf des Handwerks ist das freilich schlecht. Hinzu kommt: Die Generalisten können den Auftragsstau nur kurzfristig auflösen. "Ein Ein-Mann-Betrieb stellt nicht die Zukunft der Gewerke sicher", heißt es bei der Handwerkskammer München. Nur Meisterbetriebe dürfen ausbilden.

Deuerling ist zufrieden mit seiner Rolle. Er ist gelernter Autoelektriker. Das hilft ihm im Alltag nur bedingt. Bei seiner Arbeit vertraut er dafür auf sein handwerkliches Talent und Learning by doing. "Ich mache aber nichts, was ich mir nicht zutraue oder nicht darf, weil ich da eine Zulassung bräuchte", sagt Deuerling. Leitungen verlege er nicht, auch bei größeren Elektro-Problemen rate er zum Fachbetrieb. Manche Kunden berichten jedoch, dass sich andere Allrounder etwas zu viel zutrauen. Das Geschäft laufe nur mit zufriedenen Kunden, entgegnet Deuerling. Die Generalisten schalten zwar kleine Anzeigen und bieten ihre Dienste bei Online-Vermittlungen für Handwerker an. Doch vor allem persönliche Empfehlungen bringen Aufträge.

Auftraggeber sollten Arbeiten der Generalisten direkt prüfen: Ein fehlerfreies Werk ist Pflicht

Die Kunden können ebenfalls dazu beitragen, Ärger zu vermeiden. Auch Anke Kirchner, Justiziarin der Verbraucherzentrale Niedersachsen, weiß, dass es schwierig ist, einen Handwerker zu finden. Dennoch rät sie gerade bei größeren Investitionen zu Geduld: "Die Kunden sollten sich mehrere Kostenvoranschläge einholen." Bei Handwerkerarbeiten fehlt vielen das Preisgefühl. Und nur so lässt sich die abschließende Rechnung kalkulieren. Der tatsächliche Preis darf maximal um 20 Prozent vom Kostenvoranschlag abweichen - falls es keine Vorwarnung gibt.

Gerade wenn Kunden bei Generalisten skeptisch sind, sollten sie das Ergebnis der Arbeit umgehend prüfen. Ein ordentliches Werk ist Pflicht. Doch nur wer direkt kontrolliert, kann auf eine Nachbesserung pochen. Bei den Allroundern kommt hinzu: Wenn sie etwas machen, wofür sie eine Qualifikation bräuchten, arbeiten manche von ihnen schwarz. Die Gewährleistung bei möglichen Mängeln fehlt. Maurertätigkeiten darf beispielsweise nur ein Fachbetrieb übernehmen.

Handwerker Deuerling sieht beim Kontakt mit den Kunden sogar Vorteile gegenüber klassischen Meisterbetrieben. "Da jeder Auftrag anders ist, gehe ich individuell auf die Leute ein", sagt er. Viele Fachfirmen würden schlicht ihre Standardleistungen abspulen. "Ich erkläre, warum eine Montage vielleicht länger dauert", sagt Deuerling. So schaffe er auch transparente Preise. Nach neun Jahren in der Selbständigkeit ist er überzeugt: Das Geschäftsmodell hat sich bewährt und trägt auch in Zukunft. Obwohl es den Handwerkskammern nicht gefällt, wird Deuerling wohl recht behalten. Für den Nachwuchsmangel ist nach wie vor keine Lösung absehbar. Damit ist die Not der Kunden groß genug, vermehrt das vermeintliche Risiko mit den Allroundern einzugehen.

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