Streaming:Apple will sein wie MTV

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Das amerikanische Unternehmen soll Interesse an der Musik-App Tidal haben. Das ist eine klare Ansage an den schwedischen Konkurrenten Spotify.

Von Simon Hurtz und Jan Schmidbauer

Früher war es einfach: Wenn ein Musikstar ein neues Album veröffentlichte, ging man am nächsten Tag in den Plattenladen und kaufte sich den Tonträger als Vinyl oder CD. Mit dem Internet kam die Möglichkeit des Downloads hinzu - illegal in Tauschbörsen oder legal bei iTunes und Amazon. So oder so: Jeder Fan konnte die Musik hören.

Spätestens seit dem 25. April ist klar, dass sich der Zugang zu Musik komplett verändert. Beyoncé veröffentlichte ihr neues Album "Lemonade" - und wer es sofort hören wollte, musste dafür Tidal nutzen. Genau für diesen Musikstreaming-Dienst bereitet Apple nun angeblich ein Angebot vor, wie das Wall Street Journal berichtet. Im Vergleich zu Konkurrenten wie Spotify oder Apple Music ist der Streamingdienst klein: Gerade mal 4,2 Millionen Nutzer zahlen Geld, um unbegrenzt Musik hören zu können. Spotify, der Marktführer aus Schweden, hat etwa 30 Millionen zahlende Kunden. Doch die Abonnenten interessieren Apple vermutlich nur am Rande, denn hinter Tidal steckt einer der umtriebigsten Männer im US-Musikbusiness: Jay-Z, Ehemann von Beyoncé.

Der Rapper zahlte im vergangenen Jahr 56 Millionen US-Dollar für Tidal. Seitdem nutzt er die eigene Bekanntheit und seine Kontakte zu anderen Künstlern, um den Kunden mehr zu bieten als die Konkurrenz. Tidal ergatterte in den USA Exklusivrechte für die Alben mehrerer bekannter Popstars. "Anti", das letzte Album der Sängerin Rihanna gab es im Januar zunächst nur auf Tidal. Erst nach einer Woche landeten die Songs bei anderen Streamingdiensten wie Spotify oder Apple Music. Auch mit Künstlern wie Coldplay, Madonna oder Arcade Fire hat Tidal teilweise exklusive Verträge.

Praktisch für unterwegs: Mit Streaming-Apps sind Millionen Musik-Titel online abrufbar. (Foto: David Ebener/dpa)

Tidal hat die Übernahmegerüchte zunächst dementiert, von Apple selbst gibt es noch keinen Kommentar. Doch für Apple könnte ein möglicher Zukauf Sinn ergeben: Der Konzern ist abhängig von den iPhone-Verkäufen und versucht, sich breiter aufzustellen. Dafür ist Apple vor einem Jahr auch ins Streaming-Geschäft eingestiegen. Inzwischen soll Apple Music immerhin 16 Millionen zahlende Nutzer haben und hat damit viele Konkurrenten abgehängt. Aber: Trotz des riesigen Marketingbudgets ist der wertvollste Konzern der Welt noch immer weit entfernt von Spotify, einem Unternehmen, das vor wenigen Jahren noch ein Start-up war.

Zwischen den beiden Konkurrenten soll es inzwischen auch handfesten Streit geben, weil Apple seine Marktmacht bei den Smartphones wohl ausnutzt, um Spotifys Musik-App zu schwächen. Wie das Tech-Magazin Recode berichtet, bekam Apple am Dienstag Post von einem Spotify-Juristen. Darin beschwert sich Spotify über eine Ungleichbehandlung. Der Vorwurf: Apple hindere die Kunden von Spotify daran, eine neue App aus dem Apple-Store herunterzuladen. Spotify hat den Brief auch an mehrere Kongress-Abgeordnete adressiert, um den Druck auf Apple zu erhöhen. Man könne nicht dabei zusehen, wie Apple die Richtlinien seines App-Stores als Waffe nutze, um Konkurrenten zu schwächen, heißt es in dem Schreiben. Apple habe die neue App demnach abgelehnt, weil sie nicht den Firmenrichtlinien entspreche.

Spotify sieht sich benachteiligt, weil Apple an allen Abos, die Spotify über seine iPhone-App verkauft, mit 30 Prozent beteiligt werden will. Diese Gebühr gibt Spotify an seine Kunden weiter: Innerhalb der App zahlen Nutzer 13 Euro, auf der Spotify-Webseite nur zehn. Deshalb versucht Spotify, mit Werbeaktionen Kunden zu überzeugen, die Abos auf der Webseite abzuschließen.

Was aber hat Apple vor? Larry Jackson, der bei Apple Music für die Inhalte verantwortlich ist, hat das vor wenigen Tagen bereits in einem Interview angedeutet. Er sprach von mehr Exklusivrechten für Künstler. Apple Music, kündigte Jackson an, solle das werden, was der Fernsehsender MTV in den 80ern und 90ern war: der Ort, an dem die Popkultur zuhause ist.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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