Strauss Innovation:Ausverkauft

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Das Startjahr im Namenszug. Aus dem vom Ehepaar Strauss gegründetem Kurzwarenladen machten die Nachfolger ein Paradies für Schnäppchenjäger. (Foto: Martin Gerten/dpa)

Strauss Innovation hat jahrelang lang die Preisschlacht angeheizt. Nun ist die seit Anfang 2014 laufende Sanierung aus eigener Kraft gescheitert.

Von Elisabeth Dostert und Michael Kuntz, München

Wenn es zu Ende geht, gibt es noch Mal Rabatt, kräftiger als je zuvor. "30 Prozent auf fast alles, auch auf bereits reduzierte Artikel", wirbt der Einzelhändler Strauss Innovation auf seiner Internetseite. So war es auch bei der Baumarktkette Praktiker, Insolvenz 2013. Und beim Drogisten Schlecker, Pleite 2012. Hauptsache billig. Am Freitag musste Strauss Innovation mit noch 77 Filialen und 1100 Mitarbeitern beim Amtsgericht Düsseldorf Insolvenz anmelden. Der Einzelhändler ist ein weiterer Gefallener in der von ihm und Seinesgleichen befeuerten Preisschlacht.

Es ist die radikalste Zäsur eines langen Siechtums. Wann der Niedergang einsetzte, lässt sich nicht genau ausmachen. War es 1989, als die Gründerfamilie Strauss sich entschloss, sich nach mehr als 85 Jahren von ihrer Firma zu trennen und an den langjährigen Mitarbeiter Peter Geringhoff zu verkaufen? Eher nicht. Unter Geringhoff läuft es noch lange prächtig. Er eröffnet bundesweit Filialen und schafft Erlebniswelten mit immer neuen Angeboten und Gewohntem. Das Sortiment? Eine wilde Mischung: Jeans, Porzellan, Pralinen, Lippenstifte, Wein und T-Shirts im Dreierpack. Restposten von Markenware wie Joop. Ein Paradies für Schnäppchenjäger. "Wir wollen den Kunden gezielt zum Stöbern und Spontankauf animieren", sagt Geringhoff Ende der Neunzigerjahre in einem Interview. 1997 beteiligt sich der IT-Dienstleister Alldata um Jürgen Pelka. In sehr viel besseren Zeiten machen die mehr als 2000 Mitarbeiter in den gut 100 Filialen 280 Millionen Euro Umsatz. 2004 übergibt Geringhoff die Firma an seinen Sohn Peter. Ist das der Anfang vom Niedergang? Eher schon. Die Geschäfte laufen jedenfalls nicht mehr so gut.

Als Retter taucht Mitte 2008 die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT auf, sie übernimmt über ihren Opportunity Fund die Mehrheit. Die Geringhoffs bleiben an Bord. Mit ihrem innovativen Konzept und der "extrem hohen Kundenloyalität" habe Strauss Innovation ein sehr großes Potenzial, freut sich damals EQT-Partner Ernst Ludes. Gemeinsam mit einem starken Management werde man die Firma zu ihrem größtmöglichen Erfolg führen. Zumindest für EQT wird es ein Erfolg. 2011 reichen die Schweden den deutschen Händler an Sun European Partners, Tochter des US-Finanzinvestors Sun Capital, weiter. Auch die Geringhoffs steigen aus.

Es sei eine erfolgreiche Turnaround-Geschichte, schreibt EQT in seiner Pressemitteilung im November 2011. 2008, beim Einstieg, habe Strauss Verluste gemacht. EQT schließt marode Filialen. 2010 liegt der Umsatz in den "fast 100" Filialen mit etwa 1100 Mitarbeitern bei 170 Millionen Euro. Sun-Manager Benjamin Buerstedde freut sich beim Eigentümerwechsel nach nicht einmal vier Jahren ähnlich wie EQT. Die Geschichte für Sun geht aber anders aus. Der Finanzinvestor soll, so wird in den Medien spekuliert, einen zweistelligen Millionenbetrag in den Sand gesetzt haben.

Im Frühjahr bricht der Umsatz massiv ein, damit fehlt Geld für eine Winterkollektion

Im Januar 2014 flüchtet sich Strauss Innovation in ein Schutzschirmverfahren, eine Spezialität des Insolvenzrechts. Die Firma stellt zwar einen Insolvenzantrag, beantragt aber gleichzeitig die Eigenverwaltung. Als Sachwalter holt sich Strauss Innovation Andreas Ringstmeier ins Haus und Hans Peter Döhmen, einen Restrukturierer. Auf der "Referenzliste" des Beraters stehen Firmen wie der Holzbearbeiter Klenk Holz AG und Hein Gericke, ein Händler von Motorradbekleidung und Zubehör. Und Solia Palmer, ein Spezialist für Großküchentechnik. Die Aufenthaltsdauer von Döhmen beträgt oft nur Monate.

Er zaudert nicht lange. Auch bei Strauss Innovation nicht. Er schließt Filialen und entlässt Mitarbeiter. Die Beteiligungsgesellschaft der Familie Mühleck steigt ein. "Wir schreiben operativ schwarze Zahlen", versichert Döhmen damals. Das Unternehmen werde sich künftig im höherwertigen Bereich bewegen. "Wir dürfen nicht als billiger Jakob daherkommen", zitiert Die Welt den Sanierer. "Wir sehen uns als langfristig orientierter Investor mit langem Atem", lässt sich Michael Mühleck im Dezember in einer Mitteilung von Döhmens Beratungsfirma zitieren, nachdem Gläubiger und Amtsgericht den Insolvenzplan genehmigt haben. In der Mitteilung kommt auch Sachwalter Ringstmeier zu Wort. Er sei sich sicher, "für die Gläubiger des Unternehmens eine sehr gute Lösung gefunden zu haben." Der neue Investor Mühleck kennt sich mit Filialen aus - er betreibt unter dem Namen Magic Casino Spielhallen und die Fitnessstudio-Kette Body Fit - aber nicht im Einzelhandel.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist gescheitert. Strauss Innovation fehlt nach Umsatzeinbrüchen von gut zehn Prozent im März und April das Geld, um eine höherwertige Winterkollektion zu bestellen. Das Sagen hat jetzt der vorläufige Insolvenzverwalter Horst Piepenburg.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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