Strategieplan:Rettung, nächster Versuch

European Central Bank, ECB, banking stress test results

"Bellissimo", wie ihr Firmensitz im Palazzo Salimbeni, ist die neue Strategie für die Bank Monte dei Paschi. Sagt ihr Chef.

(Foto: Carlo Ferraro/dpa)

Monte dei Paschi sorgt mal wieder mit einer Kapitalerhöhung für Wirbel - aber anders als sonst.

Von Ulrike Sauer, Rom

Das Geldinstitut aus Siena ist unvermittelt aus seiner Agonie erwacht. Zumindest an der Börse. In einer Woche stieg der Aktienkurs der siechen Bank um 110 Prozent. Ihr Börsenwert schnellte von knapp 500 Millionen Euro am 17. Oktober auf mehr als eine Milliarde Euro am Montag. Den sensationellen Anstieg legte keine Internet-Bude hin, sondern der drittgrößte und marodeste Geldkonzern Italiens. Seit Jahren gilt die Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) als Aschenputtel unter Europas Banken. Er landet bei den Stresstests der Kreditinstitute auf dem letzten Platz.

Plausible Motive für die Kursrally gibt es keine. Außer diesem: Jedes Mal, wenn sich die klamme Bank zu einer Kapitalerhöhung aufrafft, zieht der Kurs vorher kräftig an. Das war 2014 so, und das war 2015 wieder so. Die acht Milliarden Euro, die die Sienesen bei den Anlegern in den beiden Runden einsammelten, waren dann im Sog der Krise rasch wieder weg. Nun steht der dritte Rettungsversuch bevor. Diesmal führt die US-Investmentbank JP Morgan Regie. Angekündigt hatte die MPS-Spitze den Plan am 29. Juli. Bei einer Aufstockung des Kapitals sollen diesmal fünf Milliarden Euro kassiert werden. Obwohl hinter dem Rettungsplan die größte US-Bank steht, überzeugte das Vorhaben an den Finanzmärkten zunächst nicht. Während JP Morgans Bemühen, Investoren an die Angel zu kriegen, bisher erfolglos blieb, setzte sich der Sturz des Aktienkurses fort. Seit Ende Juli verlor Monte weitere 45 Prozent des Wertes. Bis in der vergangenen Woche plötzlich der Höhenflug begann.

Am Dienstag stellte die Bank ihren überarbeiteten Strategieplan vor. Er stammt aus der Feder des neuen MPS-Chefs Marco Morelli, den JP Morgan im September auf den Posten gehievt hatte. "Bellissimo" nannte Morelli seinen Plan für die kommenden drei Jahre. Er sieht vor, dass MPS seinen Gewinn 2019 auf 1,1 Milliarden Euro steigert. Dazu sollen weitere 2900 Stellen abgebaut und 500 Filialen geschlossen werden. Die Personalkosten will Morelli so in drei Jahren um neun Prozent drücken.

Bei den Gewerkschaften fand sein Plan Anklang. "Wir haben Vertrauen in den neuen Kurs bei MPS", sagte Lando Sileoni, Chef der Bankengewerkschaft FABI. "Auf dem Spiel steht nicht allein der Neustart in Siena, sondern die Stabilität der Branche in unserem Land", sagte er. Der dichte Nebel, der die Rettungsaktion umgibt, lichtete sich kaum. Viele technische Details der Kapitalerhöhung sind ungeklärt. Sie soll spätestens bis Ende Juni 2017 umgesetzt werden. Wenn es der Markt zulasse, wolle er die Operation jedoch vor Jahresende starten. Auf Zeit zu spielen, könnte für die toskanische Krisenbank als riskant sein. Denn nach dem Jahreswechsel werden die Mailänder Großbank Unicredit und vielleicht auch andere europäische Geldkonzerne um Milliardensummen buhlen. Fest steht, dass sich Morelli die Kapitalerhöhung am 24. November von den Aktionären billigen lassen will. Der Ausgang der Hauptversammlung ist ungewiss.

Die Bank aus Siena will ihre ausgefallenen Kredite losschlagen und das Bilanzloch auffüllen

Der 54-Jährige wurde nach dem brüsken Rauswurf seines Vorgängers Fabrizio Viola von JP Morgan ins Amt gehoben. Bevor der Aufsichtsrat den ehemaligen JP-Morgan-Mann Morelli als Chef berufen konnte, hatte sich der Neue bereits bei der Bankenaufsicht in Frankfurt vorgestellt, um die präventive Zustimmung der EZB einzuholen. Das ist ungewöhnlich, war aber wohl nötig, weil der Römer keine unbefleckte Weste trägt. Die italienische Zentralbank brummte ihm 2013 ein Bußgeld in Höhe von 208 000 Euro wegen "mangelnder oder irreführender Information der Aufsichtsbehörde" auf. Morelli arbeitete damals bei Monte dei Paschi. Es ging um ein Wertpapier namens Fresh, das von Monte dei Paschi während der Ära des inzwischen verurteilten Chefs Giuseppe Mussari als Eigenkapital präsentiert wurde, in Wahrheit aber ein Kredit war. Die Operation Fresh, an der auch JP Morgan beteiligt war, diente damals der Übernahme der Bank Antonveneta zu einem astronomischen Preis. Der fatale Kauf löste den Niedergang von Monte aus.

Nun soll der Abstieg mithilfe von JP Morgan gestoppt werden. Die Bank aus Siena will ihre ausgefallenen Kredite in Höhe von 27,7 Milliarden Euro komplett losschlagen und das entstehende Loch in der Bilanz mit der Kapitalerhöhung füllen. Damit die Rettung klappt, müssen beide Operationen zeitgleich über die Bühne gehen. Das Interesse der Anleger scheint aber gegen null zu tendieren. Schuld daran gibt man dem bevorstehenden Referendum über Matteo Renzis Verfassungsreform. Da die Volksbefragung zu einer Schicksalsfrage für die Regierung und das Land hochstilisiert wurde, warten potenzielle Anleger lieber den völlig offenen Ausgang der Abstimmung am 4. Dezember ab. Renzi versucht nun, zurückzurudern: Eine Niederlage beim Referendum sei "kein Weltuntergang und keine Invasion von Heuschrecken", wiegelt er ab.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: