Handelsstreit:Wem die Strafzölle nutzen - und wem nicht

US-Präsident Trump verteuert Stahl und Aluminium aus der EU. Was will Washington damit bezwecken und wie reagiert Brüssel? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Benedikt Müller und Jan Schmidbauer

Den letzten Tweet des Tages hielt der US-Präsident verhältnismäßig kurz: "FAIR TRADE!", twitterte Donald Trump am späten Donnerstagabend. Worte, die wohl auch an die Europäische Union gerichtet waren. Bislang hatte Trump die EU-Staaten von Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte verschont, nun macht er Ernst. US-Firmen, die Stahl oder Aluminium aus EU-Staaten importieren wollen, müssen künftig 25 beziehungsweise zehn Prozent Aufschlag dafür zahlen. Was will die US-Regierung damit bezwecken? Wie reagiert Europa? Und was bringen die Zölle der amerikanischen Wirtschaft wirklich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum verhängen die USA Strafzölle auf Stahl und Aluminium?

Nach offizieller Darstellung will die US-Regierung damit die nationale Sicherheit der USA wahren. Washington will demnach erreichen, dass alle Rohstoffe, die für militärisches Gerät gebraucht werden, aus dem Inland kommen. Die Trump-Regierung beruft sicht dabei auf eine Regelung, die seit 1962 im amerikanischen Außenhandelsgesetz steht. Abschnitt 232 dieses Gesetzes erlaubt der Regierung die Einschränkung von Importen, wenn diese Industrien gefährden, die für die Sicherheit der USA von Bedeutung sind. Das WTO-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Gatt) enthält eine ähnliche Bestimmung. Der Artikel 21 erlaubt den Mitgliedsländern, geltende Zollbeschränkungen zu brechen, wenn die nationale Sicherheit sonst gefährdet wäre. Bisher wurde dieser Paragraf in Handelsfragen selten genutzt, nun könnte er als Mittel dienen, geltende Handelsregeln auszuhebeln.

Was halten die EU-Politiker von Trumps Argumenten?

Sie halten die Argumentation mit der Nationalen Sicherheit tatsächlich für vorgeschoben. Aus ihrer Sicht geht es Trump vor allem darum, heimische Stahlhersteller vor Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Trump will das Handelsdefizit der USA gegenüber Ländern wie Deutschland abbauen. Er wirft unter anderem der Bundesrepublik vor, sich auf Kosten der USA zu bereichern. Wenn US-Unternehmen nun verstärkt bei heimischen Herstellern kaufen, so die Logik, könnte dies das Handelsdefizit der USA mit anderen Ländern senken.

Wie reagiert die EU auf die Zölle?

Sie hat bereits reagiert, und zwar sehr zügig. Nur eine gute halbe Stunde nach der US-Entscheidung kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag Gegenmaßnahmen an. "Die USA lassen uns keine andere Wahl", sagte er. Die EU will nun einerseits eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO einlegen und andererseits Zölle auf mehrere US-Produkte erheben, darunter etwa Motorräder, Bourbon und Erdnussbutter. Auch sie sollen mit Importzöllen von 25 Prozent belegt werden. Die Wahl der Produkte ist als politisches Druckmittel in Richtung der US-Regierung zu verstehen: Bourbon-Whiskey wird vor allem in Kentucky hergestellt, dem Heimatstaat des republikanischen Senatsführers Mitch McConnell. Die Motorräder des bekannten Herstellers Harley-Davidson stammen aus dem Bundesstaat Wisconsin, der Heimat vom Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan.

Wann treten die europäischen Gegenzölle in Kraft?

Voraussichtlich nicht vor Ende Juni. Die EU hat ihre geplanten Gegenmaßnahmen erst am 18. Mai bei der WTO eingereicht. Wenn sie sich an die Regeln halten will, muss sie nun eine 30-Tages-Frist abwarten, bevor sie Zölle erhebt.

Wirkt sich das Hin und Her auf deutsche Verbraucher aus?

Wenn die EU ihrerseits Zölle verhängt, könnten die betroffenen US-Produkte hierzulande teurer werden. Wer also den Kauf einer Harley Davidson plant oder sich einen Vorrat an Bourbon-Whiskey anlegen will, sollte sich mit diesen Produkten lieber zeitig eindecken.

Wie schlimm treffen die Zölle Stahlhersteller in Deutschland?

Deutschland verschifft pro Jahr 1,3 Millionen Tonnen Stahl in die USA. Das entspricht etwa drei Prozent der gesamten hiesigen Produktion. "Mit dem Zoll wird der Zugang zum wichtigen US-Markt für Stahlunternehmen aus Deutschland und der EU deutlich erschwert", sagt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Aktienkurse von Thyssenkrupp oder Salzgitter sanken um gut drei Prozent, nachdem die USA ihre Entscheidung am Donnerstag bekannt gegeben hatten. Allerdings hoffen hiesige Hersteller, dass sie trotz des höheren Zolls nicht alle Kunden in den USA verlieren. Beispielsweise exportieren sie besonders feste Stahlsorten, die in Amerika nicht hergestellt werden. "Unsere direkte Betroffenheit ist gering", heißt es beim Salzgitter-Konzern.

Warum fürchtet die Industrie dennoch die höheren Zölle?

Hiesige Hersteller befürchten, dass höhere Zölle in Amerika den gesamten Weltmarkt durcheinanderbringen könnten. Schließlich sind die USA der größte Stahlimporteur der Welt. Überall leidet die Industrie derzeit darunter, dass sie viel mehr Tonnen Stahl fertigt, als überhaupt gebraucht wird. Viele Staaten erheben bereits Zölle, um ihre nationalen Hersteller zu schützen. Da sich nun auch die USA abschotten, könnten Staaten wie Russland, die Türkei oder Indien mehr Stahl in offene Märkte wie Europa verschiffen, befürchtet die Wirtschaftsvereinigung Stahl. Das könnte die Preise drücken, und deutsche Hersteller würden weniger Geld verdienen. In Deutschland arbeiten noch etwa 85 000 Beschäftigte in der Stahlindustrie, mehr als die Hälfte davon in Nordrhein-Westfalen.

Inwieweit helfen die Strafzölle denn der US-Wirtschaft?

Im Falle von Stahl und Aluminium ist es umstritten, ob sie das überhaupt tun. Profitieren könnten die Hersteller, die nun auf mehr Aufträge aus dem eigenen Land hoffen. Problematisch sind die Einfuhrzölle allerdings für die vielen Unternehmen, die Stahl und Aluminium weiterverarbeiten und auf spezielle Sorten aus Ländern wie Deutschland angewiesen sind. Ein amerikanischer Autohersteller, der Edelstahl aus Deutschland importiert, muss sich nach Alternativen umschauen oder deutlich höhere Preise zahlen. Nach einer Berechnung der US-Beratungsfirma Trade Partnership werden durch die Zölle rund 33 000 neue Jobs in der Stahl- und Aluminiumindustrie entstehen. In anderen Teilen der Wirtschaft würden allerdings 179 000 Jobs verloren gehen. Die US-Stahlunternehmen kritisieren die Entscheidung des Präsidenten: "Die Einführung von Zöllen auf Importe von unseren nächsten Handelspartnern bringt amerikanische Hersteller direkt in Gefahr", schreibt der Branchenverband Coalition of American Metal Manufacturers and Users, der sowohl Hersteller als auch weiterverarbeitende Betriebe vertritt.

Kommen nun auch Strafzölle auf deutsche Autos?

Trump hat immer wieder damit gedroht und die Namen von Konzernen wie Daimler oder BMW fallen lassen. Die Aussicht auf Auto-Strafzölle dürfte von US-Seite auch als Druckmittel genutzt werden, um die Europäer zu Zugeständnissen zu bewegen. Zuletzt wurden die Pläne allerdings deutlich konkreter: Trump hat das Handelsministerium angewiesen, mögliche Importzölle auf europäische Autos von bis zu 25 Prozent zu prüfen. In Kraft treten können diese aber erst, wenn das Handelsministerium eine Entscheidung darüber getroffen hat. Dies kann sich über mehrere Monate hinziehen.

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