Strafzölle:Alarm im Autoland

Die Bundesregierung will einen Handelskrieg mit den USA verhindern. Die von Brüssel ins Spiel gebrachten Vergeltungsmaßnahmen hält sie für einen "Irrweg". Auch die deutsche Industrie ist besorgt.

Von M. Balser, C. Gammelin, A. Mühlauer und H. Rossbach, Berlin/Brüssel

BLG-Autoterminal - Export

Aus Furcht vor US-Sanktionen gegen die Autoindustrie blockiert Deutschland eine EU-Digitalsteuer (auf dem Bild ein Terminal in Bremerhaven).

(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Die Botschaft aus Berlin ist eindeutig. "Wir wollen keinen Handelskrieg", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Eine solche Auseinandersetzung sei nicht in deutschem, nicht in europäischem und auch nicht in amerikanischem Interesse. Schließlich würde das Arbeitnehmer, Unternehmen und Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks "empfindlich treffen". Man wolle deshalb jede Eskalation im Handelsstreit mit den USA vermeiden.

In Paris warf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Vereinigten Staaten "Wirtschaftsnationalismus" vor. Er sprach sich für eine gemeinsame und schnelle Antwort der EU aus. Berlin lehnt die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Aussicht gestellten Vergeltungsmaßnahmen gegen die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle auf Stahl- und Aluminium-Importe ab. Weitere Zölle seien ein Irrweg, sagte Seibert.

Auch deutsche Konzerne könnten von einem Gegenschlag der EU betroffen sein

Juncker hatte erklärt, die EU prüfe als Antwort Zölle auf Whiskey, Blue-Jeans und Motorräder von Harley Davidson. Daraufhin schrieb Trump auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, ein Handelskrieg mit Europa sei leicht zu gewinnen - und kündigte eine Strafsteuer auf Autos aus Europa an. Damit würde er Deutschland an seiner empfindlichsten Stelle treffen. Das mit Abstand wichtigste deutsche Exportgut sind Autos. Außerdem sind die USA der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Waren.

Die EU-Kommission will am Mittwoch entscheiden, wie sie auf Trumps Zollpläne reagiert. "Es müssen Maßnahmen sein, die im amerikanischen Markt wirken, ohne jetzt eine übertriebene Reaktion und damit eine Eskalation auszulösen", sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Auch er will aber einen Handelskrieg vermeiden: "Wenn der transatlantische Handelskonflikt eskaliert, sind die Gewinner die Asiaten", so Oettinger.

Und der Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevedo, warnte: Eine Politik des "Auge um Auge, wird uns alle blind machen und die Welt in eine tiefe Rezession führen."

Die EU-Kommission ist selbst nicht ganz glücklich, wie Junckers Worte bei den Mitgliedsstaaten aufgenommen wurden. Statt weitere Vergeltungen anzudrohen, wies die Behörde darauf hin, dass man erst einmal Trumps angekündigte Details abwarten wolle. Schutzzölle seien lediglich eine von drei möglichen Maßnahmen. Zunächst gehe es um Schutzmechanismen für die eigene Industrie und ein Streitschlichtungsverfahren bei der WTO, um Europas Unternehmen zu schützen.

Deutschlands wichtigste Industrie schickte sogleich eine eindringliche Warnung. "Wir beobachten die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge", sagte Bernhard Mattes, Präsident des Autolobbyverbands VDA. "Strafzölle können nicht die Lösung sein", forderte Mattes. In einem Handelskrieg gebe es nur Verlierer.

Die Sorge in den Konzernzentralen ist groß. 2017 lieferten die deutschen Hersteller 494 000 Fahrzeuge allein in die USA. Allerdings haben viele Hersteller bereits eine eigene Produktion in Nordamerika. Weitere 800 000 Fahrzeuge für den US-Markt werden an US-Standorten hergestellt. Ein genauerer Blick auf die Branche zeigt, wie komplex das Handelsthema heute längst ist. Denn die Hälfte der in den USA produzierten Autos liefern deutsche Hersteller von dort aus in den Rest der Welt, auch nach Europa. Sie gelten als US-Exporte - und könnten wiederum von einem Gegenschlag aus Brüssel getroffen werden.

Trump twittert schon wieder: "Unsere Stahl- und Aluminium- Industrien sind tot."

Trump stört sich daran, dass die EU auf Autoimporte zehn Prozent Zoll erhebt, Amerika dagegen nur 2,5 Prozent. Das aber ist das Ergebnis der Uruguay-Runde, der achten Welthandelsrunde im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens Gatt; der entsprechende Vertrag wurde 1994 unterzeichnet.

"Das Gesamtsystem der Zollbindungen wurde so in der WTO vereinbart und gilt als austariert", teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit und verwies darauf, dass die USA etwa bei Kleidung 32 Prozent Zoll verlangten, die EU nur 12 Prozent. Die Zollsätze variierten je nach Produkt und Land, es gelte aber das Gesamtsystem. Der US-Präsident kann sich also nicht einfach einen Posten herauspicken und bei diesem einfach die Spielregeln ändern. Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Furor im Weißen Haus geht weiter. Das ist gegen wirtschaftliche Vernunft und vertrauensvolle Zusammenarbeit." Amerika zerdeppere viel Porzellan in den ökonomischen Beziehungen.

Trump selbst kündigte an: "Wir geben nicht nach." Zugleich sagte er aber: "Ich denke nicht, dass wir einen Handelskrieg haben werden." Freunde und Feinde seines Landes hätten lange Handelsvorteile auf Kosten der Vereinigten Staaten eingestrichen. Kanada und Mexiko stellte er allerdings in Aussicht, von Importzöllen auf Stahl und Aluminium verschont zu werden - wenn sie ein neues Freihandelsabkommen für Nordamerika unterschrieben. Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, riet Trump von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium ab. "Wir sind sehr besorgt über die Auswirkungen eines Handelskrieges und bitten das Weiße Haus, diese Pläne nicht weiterzuverfolgen", sagte seine Sprecherin. Der Schritt widerspricht der Grundphilosophie der Republikaner, das freie Spiel der Wirtschaftskräfte so wenig wie möglich zu beeinflussen.

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