Strafzinsen:Wenn Sparen geahndet wird

Die Europäische Zentralbank plant, Einlagen von Kreditinstituten künftig mit Strafzinsen zu belegen. So sollen Banken gezwungen werden, ihr Geld restlos in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Das ist ein gefährliches Signal.

Ein Kommentar von Markus Zydra

Ungebührliches Verhalten wird gemeinhin mit Strafe bedacht. Nun soll aber ein Verhalten geahndet werden, das in vielen Gesellschaftskreisen gerne als Tugend bezeichnet wird. Die Rede ist vom Sparen. Die Europäische Zentralbank (EZB) plant als erste große Geldinstitution, die Einlagen von Kreditinstituten bei der EZB künftig mit einem Strafzins zu belasten. Diese Maßnahme passt gut in die vor allem in den USA geführte akademische Debatte darüber, ob man nicht auch auf die ganz normalen Spareinlagen der Bürger eine Gebühr erheben solle.

Bei alledem geht es nur um eines: Die hasenfüßigen Banken und zaudernden Verbraucher sollen gezwungen werden, ihr Geld restlos in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Alles oder nichts. So soll das dümpelnde Wachstum in den Industriestaaten beschleunigt werden. Dieser Plan trägt den Hauch der Verzweiflung. Schließlich ist Geld schon seit Jahren so billig wie nie zuvor in der modernen Wirtschaftsgeschichte. Der Leitzins in der Euro-Zone liegt bei 0,25 Prozent, was in Deutschland dazu führte, dass Sparen durch die höhere Inflation zum Verlustgeschäft geworden ist. Zudem ist zweifelhaft, dass der Strafzins für Banken viel bewirken wird. Im Ernstfall legen Institute die Extrakosten auf den Kreditnehmer um.

Es scheint schon wieder vergessen zu sein, dass die globale Finanzkrise ab 2007 ihren Ursprung in der Verschuldung hatte. Die Welt hat damals mehr Geld ausgegeben, als sie es sich leisten konnte. Auch damals war der Zins niedrig. Die Abkehr vom "Sparkapitalismus" und der Einzug des "Pumpkapitalismus", wie es der Soziologe Ralf Dahrendorf nannte, war Auslöser des Finanzkollaps. Es mag sich einiges verbessert haben seither, ein Problem hat sich allerdings weiter verschärft: Die öffentlichen und privaten Schulden in Europa liegen jetzt höher als im Jahr 2008. Kann noch mehr Pump die Lösung sein?

Hemmungsloses Prassen statt Sparen?

Die Macht der Zentralbanken stößt an ihre Grenzen. Bei einem Zins nahe null verlieren die Währungshüter die Kontrolle über die Geldnachfrage. Nun aber die Hortung von Geld auch noch zu bestrafen, würde diese Hilflosigkeit nur unterstreichen. Geduld ist angezeigt.

Die westliche Welt schwitzt noch die Folgen der Krise aus, doch in Spanien, Portugal und Irland fruchten die wirtschaftspolitischen Reformen. Die Kreditvergabe und der Konsum werden anziehen, das ist absehbar. Die EZB darf nicht versuchen, diesen Prozess zu erzwingen. Er muss sich peu à peu entfalten.

Zudem braucht Geld einen fairen Preis, sonst fließt es in die falschen Kanäle. Schon jetzt sind die Börsen heiß gelaufen. Für die Sparer sind Nullzinsen - und schon gar ein Strafzins - doppelt gefährlich. Ihre Altersvorsorge wird durch die niedrigen Zinsen empfindlich geschmälert. Zudem senden Zentralbanker das gefährliche Signal aus, hemmungsloses Prassen sei dem vernünftigen Umgang mit den eigenen Mitteln vorzuziehen. Das Gegenteil ist richtig. Sparen ist wichtig. Es muss sich zumindest ein wenig lohnen.

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