Strafverfolgung:Vom Schreibtisch in den Knast

Siemens, Mannesmann und die Zumwinkel-Affäre: Wirtschaftskriminalität nimmt zu, denn erfolgreiche Tricks finden schnell Nachahmer.

M. Autenrieth

Schwarze Kassen und Bestechungszahlungen bei Siemens, der Verdacht auf unrechtmäßig hohe Abfindungszahlungen bei Mannesmann, Steuerhinterziehung beim Ex-Postchef Klaus Zumwinkel - in jüngster Vergangenheit haben spektakuläre Fälle mit hoher Medienresonanz den Eindruck erweckt, dass sich die Strafverfolgung von Wirtschaftsdelikten verstärkt hat. Ein Eindruck, den der auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierte Rechtsanwalt Markus Geray bestätigt.

Strafverfolgung: Die Beantragung von U-Haft für Top-Führungskräfte ist nicht neu. Wenn es aber passiert, bleiben die Schlagzeilen nicht aus.

Die Beantragung von U-Haft für Top-Führungskräfte ist nicht neu. Wenn es aber passiert, bleiben die Schlagzeilen nicht aus.

(Foto: Foto: Photocase/gagarenne)

"Es gibt einen klaren allgemeinen Trend in diese Richtung. Natürlich sind es die großen Fälle, die auch Dank breiter Darstellung in der Presse die Aufmerksamkeit erregen - aber auch auf breiter Ebene haben die Verfahren zugenommen", sagt der Jurist.

Grund für diese Zunahme seien zwei Faktoren: Einerseits ist die Anzahl der Delikte gestiegen, andererseits liegt es an den Staatsanwaltschaften. "Wenn sich eine Staatsanwaltschaft aufgrund eines Falles in ein bestimmtes Themenfeld eingearbeitet hat, ist es nur natürlich, dass sie dann mit diesem vertieften Wissen über den ursprünglichen Fall hinaus auch links und recht hinsehen wird", sagt Geray.

Erfolgreiche "Tricks" finden schnell Nachahmer

Diese Sensibilisierung der Strafverfolger für bestimmte Gebiete ist dann auch ein Grund, warum es von Zeit zu Zeit zu einer Häufung bestimmter aufgedeckter Wirtschaftsvergehen kommt. Auf der anderen Seite folgen auch die Straftäter bestimmten Moden. Dabei entdeckt einer eine neue Art, sich ungerechtfertigt zu bereichern, und sofort macht diese dann die Runde. "Es gibt hier regelrechte Wellen", so der Jurist Geray.

Demnach seien in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts Bestechung bei der Auftragsvergabe und Subventionsbetrug sehr modern gewesen. Um das Jahr 2000 häuften sich dann die sogenannten Umsatzsteuerkarusselle. "Nach dem EU-Umsatzsteuerrecht haben Unternehmen bei innergemeinschaftlichem Kauf von Waren die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs, das heißt, sie bekommen die Umsatzsteuer erstattet", erklärt Geray.

Beim Umsatzsteuerkarussell werden Waren innerhalb einer Kette von Unternehmen immer wieder weiter verkauft und dabei jedesmal die Umsatzsteuer kassiert, bevor die Rechnungen beglichen sind. Dies geschieht aber auch nicht, sondern die entsprechende Firma wird geschlossen und die Beteiligten verschwinden mit der erstatteten Steuer."

Lesen Sie weiter: Die rechtlichen Möglichkeiten des Staatsanwaltes.

Vom Schreibtisch in den Knast

Nachdem dieser Trick einmal bekannt war, sprangen um die Jahrtausendwende etliche auf den Zug auf. Dies blieb aber auch auf Seiten der Strafverfolger nicht unbemerkt und führte laut Geray dazu, dass in gewissen Branchen ab einer bestimmten Höhe einer Vorsteueranmeldung sofort eine Außenprüfung stattfand - noch bevor die Umsatzsteuer erstattet wurde. "Besonderer Augenmerk wurde hier auf mittelständische Unternehmen gelegt, bei denen die Summen lohnend genug für einen Betrug, aber noch zu überschauen waren", berichtet der Rechtsanwalt. Aktuell stehen nun steuerliche Vergehen im Mittelpunkt des Interesses. Denn kürzlich kamen die eigentlich geheimen Bankdaten aus Lichtenstein in die Hände der deutschen Behörden. Klaus Zumwinkel war hier nur das erste Ziel der Ermittlungen.

Dabei setzen solche Verfahren mit breitem Medienecho ebenso Zeichen wie die Beantragung von Untersuchungshaft. So hatte die Inhaftierung von Siemens-Spitzenmanagern nach Einschätzung von Geray eine klare Leuchtturmfunktion. "Hintergrund waren hier auch die Summen, die eine bis dahin nicht bekannte Dimension angenommen hatten. Da war das Maß überschritten", sagt Geray. Die Beantragung von U-Haft für Top-Führungskräfte sei aber nichts Neues, dies sei immer mal wieder passiert und habe dabei jedesmal für Schlagzeilen gesorgt. Ob es hier eine Zunahme gegeben hat, lässt sich allgemein schwer beantworten, glaubt Geray.

Zumindest bei Fällen in großen Unternehmen wird oft von einer Beantragung von U-Haft abgesehen. Es gibt zwei Gründe für Untersuchungshaft: Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. "Da Manager zumeist in ihr soziales Umfeld eingebunden sind und darüber hinaus in der Öffentlichkeit stehen, ist die Fluchtgefahr im Allgemeinen gering", so Geray. Und auch die Verdunkelungsgefahr sei häufig nicht gegeben. "Die Personen, gegen die ermittelt wird, haben im Normalfall ja keinen Zugriff mehr auf die entsprechenden Unterlagen, zumindest bei großen Unternehmen nicht. Und diese haben, nicht zuletzt aus Imagegründen ein Interesse daran, an der Aufklärung mitzuwirken", erklärt der Anwalt.

Ein Geständnis lässt auf ein mildes Strafmaß hoffen

Kooperiert der Beschuldigte bei der Aufklärung, wird dabei auch auf Seiten der Justiz regelmäßig honoriert, was sich nicht zuletzt im Strafmaß niederschlägt. Für Aufsehen in Fachkreisen sorgte dabei das kürzlich ergangene Urteil im Verfahren gegen den ehemaligen Siemens-Manager Reinhard Siekaczek. Aufgrund seines umfangreichen Geständnisses wurde seine Haftstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt, was angesichts der Verurteilung wegen Untreue in 49 Fällen und vor allem der Millionen von Euro, die Siekaczek in schwarze Kassen umgeleitet hat, als sehr milde gilt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: