Stofftierfirma Nici:Es hat sich ausgekuschelt

Millionenklage wegen wertloser Aktien: Ex-Mitarbeiter der kriminell in die Insolvenz getriebenen Stofftierfirma Nici klagen gegen früheren Arbeitgeber - und die Commerzbank

Uwe Ritzer

Für die interne Roadshow wurde eigens eine Lagerhalle leergeräumt und ein Podium aufgebaut. Gebannt verfolgte nahezu die gesamte Belegschaft der Nici AG am Vormittag des 4. November 2002, wie Vorstandschef Ottmar Pfaff und seine Mitstreiter eine Folie nach der anderen auf den Overheadprojektor legten. Die Umsatz- und Gewinnprognosen lasen sich phantastisch. Nici, so die Botschaft, werde in den kommenden Jahren abgehen wie eine Rakete.

Stofftierfirma Nici: WM-Maskottchen Goleos Schuld war es nicht. Schon davor lag einiges im Argen.

WM-Maskottchen Goleos Schuld war es nicht. Schon davor lag einiges im Argen.

(Foto: Foto: dpa)

Und jeder einzelne Mitarbeiter könne mit abheben, wenn er Anteile an seinem Arbeitgeber erwerbe. "Die Stimmung war total motivierend", erinnert sich Uwe Höhn. Niemand ahnte, dass die euphorischen Zahlen nichts anderes als kriminelle Luftbuchungen waren. Zumal die Commerzbank Nici-Mitarbeitern später sogar spezielle Darlehen anbot, um Firmenanteile erwerben zu können.

Hohen Schuldenberge und Scheinrechnungen

2006 brach der Hersteller von Accessoires und Plüschtieren wie dem Fußball-WM-Maskottchen "Goleo" zusammen. Seitdem sitzen viele ehemalige Nici-Mitarbeiter auf wertlosen Aktien und hohen Schuldenbergen.

17 Betroffene wollen ihr Geld zurück. Vor dem Landgericht Coburg haben sie nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Millionen-Klage auf Schadenersatz eingereicht. Sie könnte der Auftakt zu einer Klagelawine sein, die nicht nur auf Nici und den inhaftierten früheren Vorstandschef und Firmeninhaber Pfaff zurollt.

Neben der Commerzbank ist auch eine Anwaltskanzlei betroffen. Sie sollen fahrlässig gehandelt und Pfaff so geholfen haben, unter falschen Versprechungen wertlose Aktien und Wandelanleihen an Mitarbeiter zu verkaufen. An jenem 4.November 2002, bei einer weiteren Roadshow zwei Wochen später und in Prospekten sei "bewusst die Ertragslage der Nici AG als besonders positiv und aussichtsreich dargestellt worden, um die Kläger zum Anteilserwerb zu bewegen", sagt deren Rechtsanwalt Axel Lehmann.

Doch "anstatt die Mitarbeitergelder, wie behauptet, für die Expansion von Nici zu verwenden, wurden sie zur Schuldentilgung benötigt". Es war eine der spektakulärsten Firmenpleiten seit langem in Deutschland, als die Nici AG mit Sitz im oberfränkischen Altenkunstadt im Mai 2006 Insolvenz anmeldete. Allein das war ein Schock, galt die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft bis dahin doch als äußerst erfolgreich.

Fingierten Lieferscheinen und Scheinrechnungen

Schnell verbreitete sich das Gerücht, hohe Lizenzabgaben für das zottelige WM-Maskottchen Goleo hätten das in vielen Flughäfen und guten Einkaufsmeilen vertretene Unternehmen in den Ruin getrieben. Es dauerte nur wenige Tage, bis Insolvenzverwalter Michael Jaffee auf die wahren Ursachen stieß: Nici hatte seit 2002/2003 nur noch Verluste eingefahren.

Um sie zu vertuschen und Wachstum vorzugaukeln, hatte Firmengründer und Vorstandschef Ottmar Pfaff jahrelang mit fingierten Lieferscheinen und Scheinrechnungen künstliche Umsätze erzielt, die es in Wirklichkeit nicht gab. Forderungen über nie ausgelieferte Nici-Artikel verkaufte Pfaff für mehr als 55 Millionen Euro an Factoring-Gesellschaften. Mit dem Geld stopfte Pfaff Löcher in den Büchern und blies Umsätze künstlich auf. Die Blase platzte.

Im Juni 2007 verurteilte das Landgericht Hof den geständigen Pfaff zu sechseinhalb Jahren Gefängnis wegen Betrugs. Die zwischenzeitlich um 120 auf 360 Mitarbeiter geschrumpfte Firma Nici wurde im Dezember 2006 aus der Insolvenz vom US-Finanzinvestor SVP übernommen und firmiert seitdem als Nici GmbH; Anteile an der alten Nici AG sind wertlos.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Bankberater zu dem verhängnisvollen Aktienkauf rieten.

Es hat sich ausgekuschelt

Die größten Verlierer der Pleite sind Menschen wie Uwe Höhn. Pfaff hatte ihn 1999 als Leiter für Design und Produktentwicklung engagiert. Von Führungskräften, so wurde ihm bedeutet, werde erwartet, dass sie sich an der Firma beteiligten. Als dafür seit 2002 verstärkt geworben worden war, habe er nicht lange gezögert, sagt der heute 42-Jährige. "Ich habe einfach an das Unternehmen geglaubt." Zumal er manchmal Protokoll geführt habe, wenn Pfaff "mit Leuten zusammengesessen ist, die Bilanzen lesen können." Bis heute ist es ein großes Mysterium des Falls Nici, weshalb Wirtschaftsprüfern und Banken von dem jahrelangen Schwindel nie etwas auffiel.

"Bombensicheren Anlage"

Uwe Höhn sagt, Berater der Deutschen Bank, vor allem aber der Commerzbank, hätten sogar "alles in die Höhe gejubelt". Sie hätten Nici-Mitarbeitern spezielle Darlehen angedient, damit diese Anteile an der Firma erwerben konnten. "So etwas kriegen Sie in der Bank gar nicht geboten", habe ihm eine Commerzbank-Mitarbeiterin erklärt. Von einer "bombensicheren Anlage" sei die Rede gewesen und davon, "dass ich dumm sei, wenn ich mich nicht daran beteilige".

Ein Commerzbank-Sprecher wollte zu dem Vorwurf unter Hinweis auf das laufende Verfahren keine Stellung nehmen. Auch Nici lehnte einen Kommentar ab. Der von Klägeranwalt Lehmann mit einem Gutachten betraute Wirtschaftsprüfer Thomas Queck kommt zum Ergebnis, dass allein aus den von Nici veröffentlichten Unternehmensdaten bereits ab 2001 ersichtlich war, dass es mit Nici bergab ging. "Da hätte ich mich als Bank schon gefragt, was da los ist", so Queck.

Sechs Millionen von den Mitarbeitern

Insgesamt sechs Millionen Euro haben Nici-Mitarbeiter in die Firma gesteckt. Angestellte kauften Aktien, Arbeiter steckten Bonuszahlungen als vermeintliche Altersvorsorge in Wandelanleihen. 320.400 Euro Kredit bei der Commerzbank hat allein Uwe Höhn für seine Anteilsscheine aufgenommen. Seit 2006 kann er die Raten nicht mehr zurückzahlen. Sein Haus hat der verheiratete Vater zweier kleiner Kinder bereits verkauft.

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