Stiftung im Visier:Schwere Vorwürfe gegen Bertelsmann

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Globalisierungskritiker richten ihren Unmut gezielt gegen eines der großen Familienunternehmen des Landes und die von ihr finanzierte gemeinnützige Stiftung.

Kristina Läsker

Knapp 220 Menschen waren am Samstag in den großen Hörsaal der Frankfurter Fachhochschule gekommen, um über politische Einflussnahme des Medienkonzerns Bertelsmann und der gleichnamigen Stiftung zu diskutieren.

"Das Schattenkabinett aus Gütersloh" hatten Mitveranstalter Gewerkschaft Verdi und Aktivistenorganisation Attac ihre Tagung getauft, doch anders als man glauben könnte, richtete sich der Ärger von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und linken Politikern nicht gegen den Einfluss der zu Bertelsmann gehörenden Medien.

Nicht den TV-Sendern von RTL oder den Zeitungen und Zeitschriften von Gruner+Jahr galt der Ärger, sondern den politischen und gesellschaftlichen Projekten der Bertelsmann Stiftung, einer der größten gemeinnützigen Einrichtungen des Landes. So kritisierte Horst Bethge von den Hamburger Linken die "Bertelsmannisierung der Schulen". Die Bildung würde durch die Stiftungsprojekte "ökonomisiert", so Bethges Vorwurf.

"Sehr zweifelhafte Verquickung"

Insbesondere die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wirft der Bertelsmann Stiftung vor, sie beschere der Bertelsmann Tochter Arvato neue Geschäfte, indem sie sich etwa in Großbritannien dafür eingesetzt habe, dass öffentliche Aufgaben privatisiert werden, meinte Verdi-Mitglied Karsten Arendt.

Auf dem jüngsten Bundeskongress hatte Verdi beschlossen, nicht mehr mit der Stiftung zu kooperieren. Sie lasse sich zu "zu stark von kapitalistischen Konzerninteressen" leite. Verdi steht mit dem Vorwurf nicht allein: "Zwischen Konzern und Stiftung besteht eine sehr zweifelhafte Verquickung", meint Marlene Werfl von Attac..

Offiziell nimmt die Stiftung zu den Vorwürfen nicht Stellung, doch man ist um Brandbekämpfung bemüht . Für kommende Woche sei ein Gespräch mit der Verdi-Spitze geplant, verlautet aus Stiftungkreisen.

Die einflussreiche Denkfabrik war bereits letzte Woche in die Medien geraten. Zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft München gegen Stiftungsvorstand Werner Weidenfeld ermittelt. Die Strafverfolger verdächtigten den Münchner Politik-Professor, die Stiftung 2004 bei kleineren Spesenabrechnungen um eine vierstelligen Summe betrogen zu haben. Weidenfeld soll private Essen mit Freunden als Geschäftsessen abgerechnet habe.

Weidenfeld zahlt 10.000 Euro

Am Montag teilte der Anwalt von Weidenfeld mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen eine Auflage eingestellt werde. Der 60-jährige Wissenschaftler werde an zwei gemeinnützige Organisationen jeweils 5000 Euro zahlen. "Die Zustimmung zu der Einstellung bedeutet kein Schuldeingeständnis", betonte Rechtsanwalt Hartmut Wächtler.

Ausschlaggebend für die Einstellung des Verfahrens war nach Aussage der Staatsanwaltschaft aber eher der hohe Rechercheaufwand, der für den Nachweisen der Schuld nötig gewesen wäre. "Der wesentliche Teil der Vorwürfe der anonymen Anzeige lässt sich wohl nicht nachweisen", sagte der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler. "So erschien es gerechtfertigt, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen."

Noch ist unklar, ob die Einstellung des Verfahrens dazu beitragen kann, dass Weidenfeld bei der Stiftung bleibt. Der rührige Wissenschaftler kooperiert seit 20 Jahren mit dem Haus, seit 1992 sitzt er im Stiftungsvorstand. Außerdem leitet er das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP), dass zahlreiche Aufträge von der Stiftung erhält.

Intern hat das Kuratorium der Stiftung, eine Art Aufsichtsrat, sich bereits von Weidenfeld distanziert. Kuratoriumschef Dieter Vogel hatte den beschuldigten Professor in einer offiziellen Stellungnahme nicht in Schutz genommen.

Am Montagmittag hatte das Handelsblatt gemeldet, die Stiftung wolle sich von Werner Weidenfeld trennen. Die Tageszeitung beruft sich auf Konzernkreise in Gütersloh. Die Verträge zwischen der Bertelsmann Stiftung und dem CAP würden demnach jedoch fortgesetzt werden. Die letzten Kooperationen würden bis 2010 laufen.

Nach SZ-Recherchen wird die Weiterbeschäftigung von Weidenfeld trotz Einstellung des Verfahrens unwahrscheinlicher. "Das Verhältnis zwischen der Führung und Weidenfeld ist zerrüttet", heißt es in der Stiftung. Dem vierköpfigen Vorstand der Einrichtung gehören mit Liz Mohn die Gattin des Firmengründers Reinhard Mohn, ihre Tochter Brigitte Mohn und Johannes Meier an. Werner Weidenfeld wollte sich am Montag zu den Vorgängen nicht äußern.

© SZ vom 30.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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