Steve Ballmer:Microsoft 2.0

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Microsoft-Chef Steve Ballmer will den Anschluss im Milliardengeschäft Internet nicht verlieren - und bereitet das Software-Unternehmen schon jetzt auf die Zeit nach Bill Gates vor.

Thorsten Riedl

Geht es nach dem Herren mit der fortgeschrittenen Glatze auf dem Podium der Analystenkonferenz, hängt sein Wohl und Wehe von diesem Kauf ab. Zur Übernahme des Internetportals Yahoo gebe es keine Alternative, sagt der Geschäftsmann jetzt. Groß gewachsen gibt er eine imposante Erscheinung ab. "Wir brauchen die gemeinsame Forschungs- und Entwicklungskapazität, um mit dem Marktführer mitzuhalten", erklärt dieser Herr namens Steve Ballmer, Chef des Softwareherstellers Microsoft. Mit der Übernahme in Höhe von 44,6 Milliarden Dollar will er zur Suchmaschine Google aufschließen. Kleinere Zukäufe haben nichts gebracht. Der große Schlag soll nun helfen - auch dabei, den Softwarekonzern auf die Zeit nach der Ära Gates vorzubereiten.

Steve Ballmer (l.) konnte nie ganz aus dem Schatten des Gründers Bill Gates (r.) treten. (Foto: Foto: AFP)

Trotz der von ihm gewohnten Eloquenz, mit der Ballmer den geplanten Zukauf verteidigt: Es geht nicht um das Überleben von Microsoft - der Konzern verdient prächtig mit Software wie dem Betriebssystem Windows oder dem Büroanwendungspaket Office, die beide auf fast allen Computern weltweit laufen. Im abgelaufenen Quartal lag der Umsatz von Microsoft bei 16,4, der Gewinn aus dem operativen Geschäft bei 6,5 Milliarden Dollar. Für den 51-jährigen Ballmer geht es darum, den Anschluss im Geschäftsfeld der Zukunft nicht zu verlieren: dem Internet. Alle Branchenexperten sind sich einig: Google zeigt Microsoft dort die lange Nase. Fast fünf Milliarden Dollar hat der Suchmaschinenbetreiber im vierten Quartal mit Werbung im Netz umgesetzt, 1,2 Milliarden Dollar verdient. Das entsprechende Geschäftsfeld von Microsoft hat weniger als ein Fünftel des Google-Erlöses erwirtschaftet - und einen Verlust.

Erster Nichttechniker

Seit acht Jahren schon steht der Sohn eines in die Staaten ausgewanderten Schweizers nun an der Spitze des weltweit größten Softwarekonzerns - und konnte doch nie ganz aus dem Schatten des Gründers treten. Ballmer und Gates lernten sich in den siebziger Jahren an der Harvard University kennen. Ballmer widmete sich dort der Mathematik und den Wirtschaftswissenschaften und brach im Gegensatz zu seinem Kommilitonen das Studium nicht ab, um eine Softwarebude ins Leben zu rufen. Fünf Jahre, nachdem der nur wenig ältere Gates Microsoft gegründet hatte, stieß Ballmer als erster Nichttechniker dazu: Gates hatte die Ideen, Ballmer setzte sie um. Bald war er der zweite Mann im Konzern.

Als zweiter in der Reihe erscheint er heute noch: Wenn von Microsoft die Rede ist, ist Gates als Übervater stets präsent. Doch nach mehr als 30 Jahren in führender Position bei Microsoft bekommen nun andere ihre Chance. Im Sommer verlässt Gates sein Unternehmen. Bei seinen Auftritten - jüngst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos - gibt er sich bereits als Elder Statesman. Zuletzt beschränkte er sich höchstens noch darauf, seine Visionen der IT-Welt von morgen zu skizzieren. Der reichste Mann der Welt kümmert sich von Juli an mit Frau Melinda um die gemeinsame Stiftung, die ein Vermögen von 60 Milliarden Dollar verwaltet. Dann stehen für ihn gesellschaftliche Fragen im Vordergrund.

Die Übernahme von Yahoo soll Microsoft den Schub im Internet verleihen, den der Konzern bislang aus eigener Kraft nicht geschafft hat. Mit Aquantive, Fast, und Ad-ECN schlug Ballmer im vergangenen Jahr schon bei einigen kleineren Unternehmen zu, die sich auf die Werbung im Internet spezialisiert haben. Mit Yahoo soll es nun endlich gelingen, zu Google aufzuschließen - denn letztlich gleichen sich die Tätigkeitsfelder der Kontrahenten. "Wenn Sie mich fragen, was das Kerngeschäft von Yahoo oder Google oder Microsoft ist, dann ist die Antwort Software - trotz der Tatsache, dass wir Werbung verkaufen", hat Ballmer vor kurzem in einem offiziell von Microsoft verbreiteten Interview gesagt. So hat Google auch eine Software im Portfolio, die dem Büropaket von Microsoft ähnelt. Das Softwarehaus dagegen vermarktet schon jetzt Anzeigen im Netz, etwa die der populären Seite Facebook.

Den Vorwurf von Google, Microsoft strebe durch den Kauf eine neue Monopolposition an, eben im Internet, wischt Ballmer beiseite. Google habe beim Suchmaschinenmarketing weltweit mit 75 Prozent Marktanteil bereits eine dominante Position, heißt es. "Wir glauben, dass die einzige Alternative eine Kombination von Microsoft und Yahoo ist", erklärt Ballmer - dafür ist er sogar dazu bereit, von einer bislang strikten Vorgabe abzurücken: Für den Kauf von Yahoo erwägt der Microsoft-Chef zum ersten Mal, sich in der Firmengeschichte über Anleihen zu verschulden.

© SZ vom 06.02.2008/sma/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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