Steuertricks des Internet-Konzerns:Googles Dublin-Connection

Google

Google in Großbritannien: 2008 hat der Konzern ein Bild der Queen in den Schriftzug eingebaut.

(Foto: AFP)

Haben die Mitarbeiter im Londoner Google-Büro Anzeigen verkauft oder nicht? Bei dieser Frage geht es um Millionen an Steuern, die das Unternehmen in Großbritannien hätte zahlen müssen. Wie andere Technologie-Firmen nutzt auch Google bei Steuerfragen sämtliche Möglichkeiten der Globalisierung. Ein Untersuchungsausschuss im britischen Unterhaus prüft nun, ob Google den Bogen überspannt hat.

Von Varinia Bernau und Malte Conradi

Es ist ja nicht so, dass Großbritannien nicht wichtig wäre für Google: Etwa ein Zehntel seines milliardenschweren Geschäfts mit Werbung rund um seine Suchmaschine macht der Internetkonzern auf der Insel. Besser läuft es für das US-Unternehmen nur in der Heimat.

Doch mit der Heimat ist das eben so eine Sache. Denn Google ist ein globaler Konzern. Einer, der sich auch bei Steuerfragen alle Möglichkeiten der Globalisierung zunutze macht. Diese Kniffe, die auch Apple oder Amazon einsetzen, sind legal. Doch immer mehr Menschen haben Zweifel, ob diese Kniffe auch legitim sind. Und nun untersucht der Haushaltsausschusses im britischen Unterhaus, ob Google den Bogen nicht doch überspannt hat.

Es geht darum, was all jene Leute in dem bunten Google-Büro unweit von Londons Einkaufsstraße treiben - und was daraus für die Steuerschuld von Google folgt. In dem Büro nahe der Oxfordstreet würden keinerlei Anzeigen bei britischen Kunden akquiriert, behauptete der Nordeuropa-Chef von Google, Matt Brittin, Ende letzten Jahres vor den Abgeordneten. Die Nachrichtenagentur Reuters enthüllte hingegen vor wenigen Wochen, dass in dem Londoner Büro sehr wohl Verkäufer die Preise für Annoncen aushandeln. Ehemalige Mitarbeiter und Kunden haben dies mittlerweile vor dem Untersuchungsausschuss bestätigt.

Doch Brittin hielt in einer Anhörung dagegen: Kein Deal komme ohne die Zustimmung der Muttergesellschaft in Irland zustande. Die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Margaret Hodge, überzeugt das nicht: "Es ist ungeheuerlich, dass die Steueraufsicht diesen Widerspruch nicht hinterfragt. Normale Steuerzahler haben die Nase voll von erfolgreichen Unternehmen wie Google, die keinen Trick ungenutzt lassen, um zu vermeiden, dass sie ihren gerechten Beitrag zahlen."

Von der Frage, was in dem Büro in London passiert, hängt viel ab: Zwischen 2006 und 2011 hat Google in Großbritannien 18 Milliarden Dollar umgesetzt - aber nur 16 Millionen Dollar Steuern gezahlt. Sollte sich rausstellen, dass in London nicht nur Verwalter, sondern Verkäufer sitzen, wäre deutlich mehr an Steuern fällig.

Konzerne wie Google verschieben Gewinne von Land zu Land

Technologiefirmen wie Google haben im Vergleich zur Old Economy einen entscheidenden Vorteil. Ihr Geschäft machen sie mit Ideen, die sie sich patentieren und gegen eine Lizenzgebühr weltweit nutzen lassen. "Wo diese Ideen entstehen, ist Ansichtssache", sagt ein Steuerrechtler. Mit Hilfe von ausgefeilten Finanz- und Firmenkonstruktionen wie "Double Irish" oder "Dutch Sandwich" schieben Großkonzerne wie Google ihre Gewinne so lange von Land zu Land, bis es kaum noch etwas zu versteuern gibt. Hauptsache, die Gewinne bleiben außerhalb der USA, ihrer Heimat, denn dort interessieren sich die Steuerbehörden nicht für Gewinne, die auf ausländischen Konten liegen.

Ein Kunde, der beispielsweise in einem Hochsteuerland wie Großbritannien Anzeigen rund um Googles Suchmaschine schaltet, spült der britischen Niederlassung von Google zwar viel Geld in die Kasse. Doch die Tochtergesellschaft reicht die Einnahmen an eine irische Mutter weiter. Auch deutsche Kunden für Google, die einen Vertrag für das Anzeigen-Programm Adwords unterzeichnen, schließen diesen Vertrag nicht mit einem deutschen Unternehmen, sondern direkt mit der Google Ireland Limited in der Barrow Street in Dublin.

Irland ist ein Steuerparadies für ausländische Unternehmen: Gerade einmal 12,5 Prozent Unternehmensteuern werden dort fällig, so wenig wie in keinem anderen der 30 Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Doch es geht noch besser: Wie viele andere Konzerne hat Google eine zweite irische Gesellschaft, an die die Gewinne weitergereicht werden. Ihr gehört die Technologie hinter der Suchmaschine, für die sie Lizenzgebühren von den Schwesterfirmen kassiert. "Der Charme dabei ist, dass diese Gesellschaft von einem Steuerparadies in der Karibik aus geführt wird, wo überhaupt keine Steuern auf Unternehmensgewinne erhoben werden", erläutert ein Fachmann, der selbst schon an solchen Konstruktionen gefeilt hat.

Bei Google herrscht ein anderes Verständnis von Verantwortung

Auch Google hat eine Niederlassung auf den Bermudas gegründet. Dorthin hat der Konzern der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge im Jahr 2011 etwa 80 Prozent seines Gewinns vor Steuern verschoben - und dabei insgesamt zwei Milliarden Dollar an Steuern gespart. Damals lag der Steuersatz, den Google für sein Auslandsgeschäft zahlte, bei 3,2 Prozent - obwohl der Internetkonzern einen großen Teil seiner Umsätze in Europa macht, wo Unternehmen zwischen 26 und 34 Prozent von ihrem Gewinn an den Fiskus abführen müssen.

Wer bei Google nachfragt, warum sich der Konzern seiner Verantwortung entzieht, der merkt, dass man dort ein anderes Verständnis von Verantwortung hat: Man halte sich ans Gesetz - und das werde nun einmal von den Politikern gemacht. "Der Ausschuss im britischen Parlament verlangt in seinem Bericht, dass internationale Firmen dort Steuern zahlen, wo ihre Kunden sind." Das entspreche, so heißt es in einem offiziellen Statement, aber nicht den heutigen Steuerregeln.

"In Zeiten, in denen Familien den Gürtel enger schnallen müssen und die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen unter Druck gerät, ist die Unternehmensteuer zu Recht ein heißen Thema", schrieb Googles Aufsichtsratschef Eric Schmidt vor wenigen Wochen in einem Beitrag für die Sonntagszeitung The Observer. In Zeiten, in denen Profit zu einem "dreckigen Wort" geworden sei, müsse man aber auch daran erinnern, dass viele Unternehmen ihren Gewinn in die Forschung stecken, wodurch neue Jobs und schließlich mehr Steuereinnahmen entstünden. Zugleich warnte er davor, die aktuelle Debatte um Google, Apple und Co. zum Anlass zu nehmen, weltweit die Steuern für Unternehmen zu erhöhen. Die "Versuchung" der Politiker sei zwar groß, aber, drohte Schmidt, die Unternehmen würde dann nicht mehr in neue Jobs investieren können.

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