Steuerstreit:Schweizer Banken sollen sich in den USA freikaufen

Die Finanzmacht der Vereinigten Staaten zwingt die Steueroase Schweiz zu einem Kompromiss: Die eidgenössischen Banken sollen selbst Daten weitergeben - und Ablass zahlen. Die Schweizer Regierung weigert sich jedoch, Kundendaten an die USA zu liefern.

In den milliardenschweren Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA kommt Bewegung. Die Banken des Landes können sich nun bei den Amerikanern von Strafverfolgungen freikaufen. Ein entsprechendes Gesetz hat das Kabinett am Mittwoch in Bern verabschiedet.

Es ermöglicht neben der Weitergabe von Informationen an die USA auch Ablasszahlungen für die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch US-Bürger. Das Gesetz soll in einem Dringlichkeitsverfahren noch im Sommer vom Parlament abgesegnet werden, teilt das Eidgenössische Finanzdepartement mit.

Das US-Justizministerium und die Steuerbehörde IRS hatten Schweizer Banken vorgeworfen, reichen Amerikanern jahrelang bei der Hinterziehung von Steuern geholfen zu haben. Die Amerikaner fordern laut New York Times bis zu zehn Milliarden Dollar. Das Schweizer Finanzportal Inside Paradeplatz spricht deswegen von einem "Kniefall vor den USA".

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sprach in einer Presskonferenz (hier auf Blick.ch zum Nachlesen) im Anschluss an den Kabinettsbeschluss von einem "unilateralen Angebot, dass man nicht verhandeln konnte" - das Ersuchen aus Übersee sei also in Gänze zu akzeptieren oder abzulehnen gewesen.

Zu möglichen Strafzahlungen für die Geldhäuser sagte Widmer-Schlumpf nichts: dies mitzuteilen, sei allein Sache der Banken. "Die Schweiz zahlt nichts", betonte die Ministerin. Die Banken müssten nun entscheiden, ob sie das Abkommen akzeptieren oder nicht. Die Regierung habe ihre Pflicht getan, indem sie die rechtliche Basis zur Verfolgung von Steuerdelikten gelegt habe. Einen offenen Bruch des Schweizer Bankgeheimnisses will die Regierung aber vermeiden.

Der zweite wichtige Punkt des Gesetzes betrifft die Weitergabe von Daten. Er sieht vor, dass die Schweizer Geldhäuser den US-Behörden Bank- und Mitarbeiterdaten zur Verfügung stellen. Es gehe um "Informationen über Geschäftsbeziehungen mit Bezug zu US-Personen sowie Angaben über Personen, die ins US-Geschäft der jeweiligen Bank involviert waren", teilte das Finanzministerium mit. "Nicht erfasst von der Ermächtigung sind Kundendaten einschließlich Kundeninformationen." Die Namen mutmaßlicher US-Steuersünder sollen also nicht übergeben werden. Das dürfte in den USA für Verstimmung sorgen.

Die Börsenkurse der Schweizer Banken verzeichneten nach Bekanntwerden des Gesetzes deutliche Verluste. So fielen etwa die Aktien der UBS, die bereits 780 Millionen Dollar an die USA gezahlt hat, um fast drei Prozent. Auch Papiere von Julius Bär gerieten unter Druck.

Chronik des Steuerstreits zwischen USA und Schweiz - was bisher geschah

Die USA setzen die Schweiz seit Jahren unter Druck. Die Nachrichtenagentur Reuters hat eine Chronik der Ereignisse zusammengestellt:

2008 - Der ehemalige UBS-Mitarbeiter Bradley Birkenfeld bringt den Stein ins Rollen. Er lieferte den Amerikanern die ersten Beweise dafür, dass die Großbank von der Schweiz aus reichen Amerikanern bei der Hinterziehung von Steuern geholfen hatte. Birkenfeld ging 2010 zwar wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung im Jahr 2011 erhält er von der US-Steuerbehörde IRS für seine Informantenrolle aber eine Belohnung von mehr als 100 Millionen Dollar.

2009 - Die Klage, die der durch die Finanzkrise angeschlagenen UBS in den USA drohte, hätte für die Bank das Aus bedeuten können. Die Schweiz und die USA einigen sich auf einen Vergleich. Die UBS zahlte 780 Millionen Dollar Buße wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung und gab mit dem Einverständnis der Schweizer Behörden die Namen von rund 4500 mutmaßlichen US-Steuersündern heraus.

2010 - Das Schweizer Parlament heißt den UBS-Vergleich in Form eines Staatsvertrages zwischen den beiden Staaten gut. Die USA kündigen Ermittlungen gegen weitere Schweizer Banken an.

2011 - In den USA werden mehrere Angestellte der Credit Suisse und der Bank Wegelin verhaftet, die amerikanischen Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen haben sollen. Die US-Behörden drohen mit Klagen gegen die Credit Suisse und weitere Banken, falls die Schweiz keine Daten über die Steuerhinterziehung von US-Bürgen liefern. Verlangt werden Details zum Geschäft von Banken mit US-Kunden, unter anderem die Namen von Kundenberatern.

2012 - Die Amerikaner erhöhen den Druck. In New York werden drei Wegelin-Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Das St. Galler Traditionshaus muss sein Geschäft außerhalb der USA an Raiffeisen verkaufen. Schweizer Banken übergeben mit dem Segen der Regierung den US-Justizbehörden Bankunterlagen, in denen die Namen von involvierten Bankmitarbeitern verschlüsselt sind. Der Schlüssel zur Decodierung soll erst geliefert werden, wenn die zwischenstaatlichen Verhandlungen über den Steuerstreit abgeschlossen sind. Im Visier haben die US-Behörden inzwischen rund ein Dutzend Schweizer Banken, darunter mit der Zürcher Kantonalbank und der Basler Kantonalbank auch Institute im Staatsbesitz.

2013 - Im Januar bekennt sich Wegelin vor einem New Yorker Gericht schuldig und gibt zu, reichen Amerikanern dabei geholfen zu hat, mindestens 1,2 Milliarden Dollar am Fiskus vorbeizuschleusen. Die älteste Schweizer Bank zahlt 58 Millionen Dollar Strafe und Wiedergutmachung - und stellt nach Abschluss des Verfahrens ihr Geschäft ein. Die US-Behörden nehmen die Schweizer Vermögensverwaltungsbranche erneut unter Beschuss, ein Banker und ein Anwalt werden der Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Der Chefunterhändler der Schweiz, Michael Ambühl, tritt zurück.

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