Steuerreform:Komm mit auf den Schuldenberg ...

Die Bundesregierung will die Steuerentlastungen im kommenden Jahr über zusätzliche Kredite von knapp fünf Milliarden Euro finanzieren. Privatisierungserlöse sollen darüber hinaus zwei Milliarden Euro erbringen.

Susanne Höll und Ulrich Schäfer

(SZ vom 16. Juli 2003) Das gab Finanzminister Hans Eichel am Mittwoch in Berlin bekannt. Zudem sollen rund 2 Milliarden Euro aus Privatisierungserlösen erzielt werden, der Rest aus weiterem Subventionsabbau. Der Bund benötigt für das Vorziehen der Steuerreform etwa 7 bis 7,5 Milliarden Euro.

Steuerreform: Steuern runter, Schulden hoch: Finanzminister Eichel.

Steuern runter, Schulden hoch: Finanzminister Eichel.

(Foto: DPA)

Offensichtlich hatte Kanzler Schröder Druck auf Eichel ausgeübt, möglichst frühzeitig bekannt zu geben, wie er das Vorziehen der Steuerreform finanzieren wolle. Eichel war deshalb direkt nach seiner Rückkehr vom EU-Finanzministertreffen in Brüssel ins Kanzleramt geeilt, um gemeinsam mit seinem Steuerstaatssekretär Volker Halsch und Kanzleramtsminister Frank Walter Steinmeier die Details des Finanzierungskonzeptes zu klären.

Schröder hatte vorige Woche in einem Fernsehinterview angekündigt, die Regierung werde ihre Eckpunkte Mitte dieser Woche vorlegen, gegenteilige Äußerungen aus dem Finanzministerium hatten im Regierungslager zuletzt für erhebliche Irritationen gesorgt.

Eichel will nun offenbar gut die Hälfte dessen, was das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe kostet, durch Kredite finanzieren. In der SPD hatte es in vergangenen Wochen wiederholt Forderungen gegeben, das Vorziehen der dritten Stufe notfalls ganz über neue Schulden zu bezahlen. Eichel hingegen hat sich, auch mit Hinweis auf die Defizitregeln des Europäischen Stabilitätspaktes, vehement dagegen gewehrt.

Den Rest des Sieben-Milliarden-Pakets will der Finanzminister mit Privatisierungserlösen bezahlen, aber nicht mit Post- und Telekom-Aktien. Diese Wertpapiere wird die Regierung im nächsten Jahr nur dann auf den Markt werfen, wenn es die Börsenkurse erlauben.

Auch den Verkauf von Forderungen aus den Russland-Schulden in Höhe von 15 Milliarden Euro, über den noch am Dienstag spekuliert wurde, lehnt Eichel ab. Der Finanzminister plane aber andere "interessante Maßnahmen", hieß es in seinem Haus - und zwar jenseits von Privatisierungen und Subventionsabbau.

Kürzung der Pendlerpauschale und der Eigenheimzulage

Weitere Subventionskürzungen will Eichel vorerst nicht vorschlagen. Dies sei die Aufgabe der Opposition, hieß es in seinem Umfeld. Die Regierung habe ja schon selber ausführliche Vorschläge unterbreitet, so etwa die Kürzung der Pendlerpauschale und der Eigenheimzulage. Diese Maßnahmen nützten, weil sie sich auf das gesamte Steueraufkommen auswirken, auch den Ländern.

Alles in allem würden die Bundesländer durch die Schnitte, die Eichel in seinem Etat vornimmt, um acht Milliarden Euro entlastet - genug also, wie das Finanzministerium erklärt, damit die Ministerpräsidenten der Länder die Ausfälle durch das Vorziehen der Steuerreform decken können.

Eichel selber allerdings nützen die bisherigen Kürzungen, was die Finanzierung der Steuerreform anbelangt, relativ wenig: Er hat sie bereits zur Deckung seines normalen Etats verwendet.

Die Union bemüht sich unterdessen, aus der steuerpolitischen Defensive zu kommen und ihren Plan für eine große Steuerreform schon im Herbst vorzulegen. Aus CDU-Kreisen verlautete, Ziel sei es, dass Anfang Oktober über ein Konzept für eine drastische Vereinfachung des Steuersystems mit deutlich niedrigeren Sätzen in den CDU-Spitzengremien beraten wird.

Zügiges Handeln bei Union gewünscht

Das Konzept soll sich an dem einstigen Petersberger Modell sowie den Plänen des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof orientieren. Es sieht einen Spitzensteuersatz von unter 40 Prozent vor und soll durch Streichung von Vergünstigungen, etwa auch für Nacht- und Feiertagszuschläge, finanziert werden.

Die Federführung liegt bei Vizefraktionschef Friedrich Merz, der ursprünglich am Jahresende ein Konzept präsentieren wollte. In der unionsinternen Debatte wurde aber ein zügigeres Handeln gewünscht. Zumindest Eckpunkte des Plans sollen auf den für Oktober vorgesehenen CDU-Regionalkonferenzen präsentiert werden. Dort sollen vor dem CDU-Bundesparteitag im Dezember die christdemokratischen Strukturreformpläne zur Debatte gestellt werden.

Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass es sich um eine schwierige Materie handele und die Finanzierung geklärt werden müsse. In der Union waren dazu Kappungen der Eigenheimzulage und der Pendlerpauschale ins Gespräch gebracht worden. Beides steht aber nicht mehr voll zur Verfügung, weil Eichel sie zur Finanzierung des Etats 2004 benötigt.

In der CDU wurde die Forderung, das Tempo zu erhöhen, auch mit taktischen Erwägungen erklärt: Wenn die Bürger bei den Strukturreformen zusätzlich belastet würden, müssten sie bei den Steuern entlastet werden.

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