Steuerpolitik:30 Milliarden Euro Nachlass

Maisach: Krippe Maisach + 40 Jahre Kispul e. V. / Kinderkrippe

Trockenkränze kosten mehr Steuer als solche aus echtem Grün.

(Foto: Johannes Simon)

Die reduzierte Mehrwertsteuer nutzt Verbrauchern.

Von Guido Bohsem, Berlin

Verwaltungstechnisch betrachtet ist die Mehrwertsteuer ein einziges Ärgernis. Wohl bei keiner anderen Einnahmequelle des Staates gibt es derart viele Ausnahmeregelungen. Für Adventskränze gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz, wenn sie hauptsächlich aus frischem Grün zusammengesteckt sind. Für trocken-grüne Adventskränze gilt der volle Mehrwertsteuersatz. Für Hörbücher auf CDs zahlt man den halben Steuersatz, wer dasselbe Buch hingegen aus dem Internet lädt, muss den vollen Steuersatz zahlen.

Diese komplizierte Unterteilung kostet den Staat jedes Jahr jede Menge Geld. 2016, so hat es das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Thomas Gambke jetzt ausgerechnet, verzichtet er auf etwa 30 Milliarden Euro Steuergelder, weil für viele Produkte und Dienstleistungen eben nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent fällig ist und nicht der volle von 19 Prozent.

Ursprünglich war die Ermäßigung einmal dafür gedacht, um den Verbraucher beim Einkauf von Lebensmitteln und Kulturgütern zu entlasten. Und tatsächlich macht dieser Bereich auch weiterhin den größten Teil der Steuernachlässe aus. Für Nahrungsmittel werden sich die Ermäßigungen im kommenden Jahr auf rund 20,3 Milliarden Euro belaufen. Für Presseartikel wie Zeitungen beträgt der Nachlass immerhin noch 2,7 Milliarden Euro, nimmt man andere kulturelle Leistungen noch hinzu, erhöht sich der Betrag um eine weitere Milliarde Euro. Knapp dahinter kommen dann auch schon die Nachlässe für das Hotelgewerbe in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.

Angesichts der Zahlen fordert Grünen-Finanzexperte Gambke eine dramatische Vereinfachung der Mehrwertsteuer. "Das aktuelle System ist zu kompliziert." Durch eine Beschränkung des reduzierten Steuersatzes auf Lebensmittel, Kultur und den öffentlichen Personennahverkehr würden Bereiche der Daseinsvorsorge weiter angemessen gefördert - und ein großer Teil der Abgrenzungsprobleme beseitigt, argumentiert der Bundestags-Abgeordnete. "Leider hat nicht einmal die Große Koalition den Mut, eine nötige Reform der Mehrwertsteuer anzugehen", so der Grünen Politiker.

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