Steuerparadies Jersey:Insel des Geldes

Auf Jersey sind 600 Milliarden Euro angelegt. Nimmt man dort auch unser Geld? Ein Selbstversuch.

Andreas Oldag

Der erste Versuch, als Test-Steuerbetrüger im Steuerparadies Jersey zu reüssieren, scheitert. Misstrauisch mustert die Angestellte der Bank Lloyds TSB den Besucher, der vorgibt, 85.000 Euro in bar auf einem Konto möglichst diskret deponieren zu wollen. "Das machen wir so nicht. Wir sind nicht in Liechtenstein.

Woher haben Sie überhaupt das Geld?", fragt die Dame schnippisch. Auch die Standardausrede von Schwarzgeld-Profis, dass man das Geld im Kasino gewonnen habe, hilft nicht weiter.

"Tut uns leid. Auf Wiedersehen". Nur wenige Minuten hat das Gespräch in der Filiale der altehrwürdigen britischen Bank in Jerseys Hauptstadt St. Helier gedauert.

Begrenzt diskret

Zum Glück gibt es außer Lloyds TSB noch andere Kreditinstitute, die ihre Dienste anbieten. Fast 50 Banken aus Europa, aber auch aus den USA, Südafrika und dem Mittleren Osten, haben auf der Kanalinsel eine Niederlassung.

Auch die Deutsche Bank ist vertreten - ein Gespräch mit Journalisten wird allerdings abgelehnt. Außerdem residieren etwa 200 Fonds- und Finanz-Firmen auf dem 116 Quadratkilometer großen Eiland, das neben der Nachbarinsel Guernsey als Steuerparadies par excellence im Ärmelkanal gilt. Gesamtanlagevolumen auf Jersey: Mehr als 600 Milliarden Euro.

Seitdem die Zeiten für Gutbetuchte wie Ex-Postchef Klaus Zumwinkel in Liechtenstein ungemütlicher geworden sind, könnte es viele Steuersparer auf eine der sonnenverwöhnten Inseln ziehen. Aber lässt sich tatsächlich so problemlos Unterschlupf finden in den meerumschlungenen Fluchtburgen des Geldes?

Zweiter Testbesuch in der Privatkundenabteilung von ABN Amro in der Castle Street von St. Helier: Der Besucher will diesmal taktisch geschickter vorgehen - und nicht als neureicher Hallodri mit einem Koffer voller Bargeld ins Haus fallen.

Ein seriöser Geschäftsmann aus Deutschland, der nach einer langfristigen Anlage für etwa 800.000 Euro sucht - das müsste den Bankern doch gefallen. Der Start läuft vielversprechend. Die ältere Dame am Empfang nickt freundlich. Sie schickt den Kunden umgehend in einen kleinen Besprechungsraum.

Die holzgetäfelten Wände signalisieren gediegene Solidität. Also nochmals die Krawatte zurechtgerückt und einen forschen Mein-Porsche-meine-Rolex-meine-Yacht-Blick aufgesetzt.

Der junge Anlageberater ist begeistert über den neuen Kunden. "Wir kümmern uns um Ihr Geld", verspricht der Banker. Doch dann macht auch er unmissverständlich klar, dass die Bank verpflichtet ist, den deutschen Steuerbehörden Auskunft zu erteilen.

Dritter Versuch bei der Fairbairn Private Bank, ein kleineres, exklusives Kreditinstitut mit südafrikanischen Wurzeln. Auch hier wird der Besucher in einen separaten Besprechungsraum gelotst. Er darf sich in bequemen Ledersesseln niederlassen und bekommt einen Kaffee angeboten.

Die Anlageberaterin ist freundlich und zuvorkommend. Sie erkundigt sich nach der Risikobereitschaft des Klienten: "Je höher das Risiko, desto höher auch die mögliche Rendite", doziert sie. Zehn bis zwölf Prozent seien durchaus "drin", fügt die eloquente Geldmanagerin hinzu. Das klingt verlockend. Und die Versteuerung? "Dafür sind Sie selbst verantwortlich", lautet die knappe Antwort.

Fazit: Die Diskretion hinter den malerischen Hausfassaden von St. Helier hat ihre Grenzen. Zumindest für Privatanleger ist das Bankgeheimnis löchrig.

Außerdem kassiert Jersey eine Quellensteuer auf Zinseinkünfte, die sich an den EU-Sätzen orientiert. Unternehmen profitieren allerdings vom konkurrenzlos günstigen Steuersatz von maximal 20 Prozent. Stiftungen und Treuhänderfirmen (Trusts) zur Vermögensverwaltung können sogar weitgehend alle Abgaben vermeiden. Es gibt keine Erbschaftsteuer.

Nicht wie bei Zumwinkel

Kein Zufall, dass an den Hauseingängen in St. Heliers Gassen blankgeputzte Messingschilder mit den Namen wie "Stirling Trust", "Investec Trust" und "Basel Trust" prangen. Es sind jene verschwiegenen Finanzfirmen, die Jersey zu einem der wichtigsten Offshore-Zentren der Welt gemacht haben.

Jeder vierte der 90.000 Einwohner arbeitet in der Geldbranche. So schwärmen die dynamischen Anzugträger in der Mittagspause durch St. Heliers King Street und Queen Street und schlürfen ihren Cappuccino in einem der vielen Straßencafés. Man pflegt durchaus die ungezwungene, französische Lebensart auf der Insel, die nur 22 Kilometer von der Normandie-Küste entfernt ist.

Doch wenn es ums Geld geht, bleiben die Türen geschlossen. "Wir geben keine Auskunft", heißt es bei der feinen Adresse New Street Nummer 26 in St. Helier. In dem edel renovierten Gebäude residiert die Finanz- und Beratungsgesellschaft Bedell Group.

Zwei Firmenpartner stehen in enger Verbindung mit der umstrittenen Meinl European Land (MEL). Die ebenso in Jersey registrierte Immobiliengesellschaft könnte ins Visier der Ermittler der österreichischen Finanzmarktaufsicht rücken, die sich gerade die Meinl Bank vorgeknöpft haben. Meinl soll Anleger bei Aktiengeschäften getäuscht haben.

Verbraucherverbände prüfen Schadensersatzklagen gegen MEL und Meinl. Politisch brisant ist das Verfahren auch deshalb, weil der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser in der Meinl-Gesellschaft Meinl Power Management (MPM) im Management sitzt. Auch diese Firma hat ihren Sitz auf Jersey. Meinl weist bislang alle Vorwürfe zurück.

Insel des Geldes

"Es gibt überall schwarze Schafe", verteidigt Martin De Forest-Brown das Steuerparadies Jersey. Der 46-jährige Regierungsberater residiert im fünften Stock eines schmucklosen Betonbaus in St. Helier. Die Büromöbel sind verkratzt und abgewetzt. Hier ist nichts zu sehen von der glitzernden Finanzwelt Jerseys. Forest-Browns Blick schweift hinaus auf die Dächer der Stadt. "Wir wollen nicht als Steueroase verschrien sein. Jersey steht für saubere Geschäfte", sagt der Regierungs-Mann.

Ähnliches ist von Colin Powell und John Harris zu hören. Die beiden freundlichen, grauhaarigen Herren sind so etwas wie die Börsenpolizei Jerseys. 110 Mitarbeiter unterstehen ihnen bei der "Jersey Financial Commission".

Die Regierungsbehörde soll Unregelmäßigkeiten bei Banken aufspüren, aber auch dubiose Investoren unter die Lupe nehmen. Dabei geht es vor allem um Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

"So etwas wie die Zumwinkel-Affäre in Liechtenstein wäre bei uns nicht möglich", sagt Harris. So seien beispielsweise Stiftungen generell verpflichtet, Namen von Trust-Inhabern offenzulegen. Vertraulichkeit gegenüber gutbetuchten Investoren dürfe nicht mit Geheimnistuerei verwechselt werden, meint der Finanzaufseher.

Bemüht um den Ruf

Harris spricht von "High Profile"-Personen wie bekannten Politikern, Managern und Industriellen, die man sich "sehr genau anschaue", ob sie gegen internationale Gesetze verstoßen. "Wenn Sie heute Geld verstecken wollen, können Sie das problemloser in den großen Finanzzentren wie London oder New York machen, nicht aber auf unserer kleinen Insel", versichert Powell.

So sind Jerseys Bankenaufseher sichtlich um den Ruf der Insel als international respektiertes Finanzdienstleistungs-Zentrum bemüht. Keinen Hehl machen sie allerdings daraus, dass die Insel einem verstärkten Druck der Schutzmacht Großbritannien, der EU und der USA ausgesetzt ist. Auch dass die Bundesregierung nach der Liechtenstein-Affäre harsche Töne gegen Europas Steueroasen anschlagen hat, wird in St. Helier genau registriert.

Für die sturmerprobten Insulaner ist dabei allerdings klar, dass sie an ihrem Sonderstatus festhalten wollen. Und schon gar nicht wollen sie sich in schulmeisterlicher Art vom Ausland belehren lassen. Solche Mentalität hat durchaus eine lange Tradition auf dem felsigen Eiland.

Im Jahre 1204 - nachdem die Normandie von Herzog Wilhelm dem Eroberer wieder an Frankreich verloren ging - entschieden sich die Bewohner zwar zum Verbleib unter der englischen Krone. Doch als Kronbesitz ist Jersey ähnlich wie die anderen Kanalinseln bis heute weder Teil des Vereinigten Königreichs noch eine Kronkolonie. Die Regierung Jerseys legt ihre eigenen Steuer- und Finanzgesetze fest, und die Insel ist nicht Teil der EU.

Im Zweiten Weltkrieg besetzten die Deutschen Jersey. Mehrere tausend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene schufteten unter mörderischen Bedingungen, um die Insel zu einer Festung als Teil des Atlantikwalls auszubauen. Öffentliche Gebäude wurden für militärische Zwecke requiriert. Die Jugendherberge "Haute de la Garenne", in deren Kellergewölben die Polizei in diesen Tagen die vermutlich aus den sechziger Jahren stammenden Leichenteile von Kindern entdeckte, diente zum Beispiel während des Krieges als Signalstation.

Die Bewohner Jerseys wehrten sich damals vor allem durch passiven Widerstand gegen die deutsche Okkupanten. So malten sie zum Beispiel ein großes "V" für Victory (Sieg) auf Verkehrsschilder. Mit selbstgebastelten Radios lauschten die Einheimischen dem britischen BBC-Rundfunk. Ein Vergehen, das von den Besatzern mit schwersten Strafen - bis hin zur Deportation in ein Konzentrationslager - geahndet wurde.

Die deutschen Wörter "strengstens verboten" haben deshalb noch heute einen üblen Beigeschmack auf der Insel. "Unsere Unabhängigkeit ist uns heilig", heißt es unter den Insulanern. Und sie lassen keinen Zweifel daran, dass dies vor allem auch wirtschaftliche Eigenständigkeit bedeutet.

Abflug am Abend von der Insel Jersey: Auf dem kleinen Flughafen bei St. Peter ist reges Treiben. Geschäftsleute mit Aktenköfferchen hasten zu den Check-in-Schaltern. Die meisten Kurzbesucher fliegen zurück nach London. Sie haben ihre Geschäfte in Jersey erledigt. Und sie werden wiederkommen.

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