Steuerparadies:Belgien muss 700 Millionen Euro Steuern zurückfordern

  • Die EU-Kommission weist Belgien an, 700 Millionen Euro von multinationalen Konzernen zurückzufordern.
  • Diese haben dort jahrelang zu wenig Steuern gezahlt.
  • Die Konzerne haben von illegalen Vorteilen bei der Berechnung ihrer Gewinnüberschüsse profitiert.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Im Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb in Europa hat die EU-Kommission Belgien ins Visier genommen. Konzerne sollen dort unzulässige Steuervorteile erhalten haben und nun 700 Millionen Euro nachzahlen. Dies gab die Brüsseler Behörde am Montag bekannt. Betroffen sind der Kommission zufolge 35 multinational tätige Unternehmen. Sie alle hätten illegale Vorteile bei der Berechnung von Gewinnüberschüssen erhalten. Durch die belgischen Regelungen habe sich die Bemessungsgrundlage zur Erhebung der Körperschaftssteuer seit 2005 um 50 bis 90 Prozent verringert.

Welche Unternehmen die Steuern nachzahlen müssen, gab die EU-Kommission nicht bekannt. Es handele sich aber vornehmlich um europäische Firmen aus verschiedenen Sektoren. Die für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissarin Margrethe Vestager kündigte an, dass die Behörde am 27. Januar weitere Vorschläge präsentieren will, wie die Umgehung der Körperschaftsteuer bekämpft werden soll.

Vorteile nur für bestimmte multinationale Firmen

"Only in Belgium" - so lautete der Slogan, mit dem die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse von den belgischen Finanzbehörden beworben wurde. Diese kam aber nur bestimmten multinationalen Firmen zugute, denen ein Steuervorbescheid (Tax Ruling) ausgestellt wurde. Unternehmen, die ausschließlich in Belgien tätig sind, konnten diese Vorteile hingegen nicht in Anspruch nehmen. "Dadurch werden kleinere Konkurrenten im Leistungswettbewerb benachteiligt", sagte Vestager. Dies sei nichts anderes als unfairer Wettbewerb und widerspreche damit europäischem Recht. "Wenn ein Mitgliedsstaat Unternehmen unzulässige Steuervergünstigungen gewährt, die es ihnen ermöglichen, den Großteil ihrer tatsächlich erzielten Gewinne nicht zu versteuern, dann schadet dies dem fairen Wettbewerb in Europa und letztlich auch den EU-Bürgern erheblich."

Belgiens Finanzminister Johan Van Overtveldt erklärte, die Kommissionsentscheidung entspreche den Erwartungen. Er habe deshalb bereits im Februar 2015 diese Praxis ausgesetzt, als die Kommission ihre Ermittlungen aufgenommen hatte. Eine Rückforderung der rund 700 Millionen Euro bedeute jedoch "sehr große Konsequenzen" für die betroffenen Unternehmen und sei rechtlich schwierig, erklärte der Minister. Belgien werde dazu seine Position auf Grundlage "künftiger Verhandlungen" mit der Kommission festlegen. Bis diese abgeschlossen seien, schließe seine Regierung "keine Option" aus, auch nicht einen Einspruch gegen die Entscheidung der Behörde.

Das System beruht auf der Idee der "Gewinnüberschüsse"

Nach den belgischen Vorschriften wurde der tatsächlich erzielte Gewinn eines multinationalen Unternehmens mit dem hypothetischen durchschnittlichen Gewinn verglichen, den eine eigenständige Firma in einer vergleichbaren Lage erwirtschaftet hätte. Diese geltend gemachte Gewinndifferenz wird von den Finanzbehörden als sogenannter "Gewinnüberschuss" eingestuft. Dieser wiederum bildet die Grundlage dafür, dass sich die Steuerlast der Firma verringert. Die belgischen Behörden verringerten so die tatsächlich erzielten Gewinne im Durchschnitt um mehr als 50 Prozent - in einigen Fällen sogar um bis zu 90 Prozent.

Die Idee für diese Berechnungsmethode beruht auf der Annahme, dass multinational tätige Unternehmen aufgrund von Synergien, Größenvorteilen, ihrer Reputation oder ihres Kunden- und Lieferantennetzwerkes eben diese "Gewinnüberschüsse" verbuchen würden.

Die EU-Kommission geht bereits gegen eine Reihe von Großkonzernen wegen Absprachen mit Steuerbehörden in einzelnen EU-Staaten vor, darunter Starbucks in den Niederlanden und Fiat-Chrysler in Luxemburg.

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