Steuern:Zahlen gegen die Angst

Lesezeit: 3 min

Deutsche Unternehmen exportieren wieder mehr ins europäische Ausland, wie der Monatsbericht des Finanzministeriums zeigt. (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Die Deutschen sorgen sich um Niedrigzinsen, Flüchtlinge und vieles mehr. Doch in offiziellen Zahlen sieht das anders aus.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Immobilienblase, Nullzinsen, Flüchtlingskrise - es fehlt in diesen Monaten nicht an defätistischen Szenarien, die den Bundesbürgern Sorge bereiten. In einem klaren Kontrast dazu stehen die Zahlen und Daten, die das Bundesfinanzministerium an diesem Montag veröffentlicht. Der Monatsbericht Juni zeigt, dass Deutschland auf bestem Weg ist, von dem "Rendez-vous mit der Globalisierung", wie es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gerne bezeichnet, zu profitieren.

Zwar sind es die Bürger mittlerweile beinahe gewohnt, regelmäßig davon zu hören, dass die Steuereinnahmen unaufhörlich steigen. So auch im Mai. Bund und Länder haben im vergangenen Monat wieder deutlich mehr Steuern im Vergleich zum Vorjahresmonat eingenommen. Die spannende Frage ist allerdings: Wo steigen die Steuern am meisten? Die Antwort darauf zeigt auch, dass sich das Verhalten der traditionellen deutschen Sparer ändert. Im vergangenen Monat wuchsen die Ländersteuern besonders kräftig - um knapp 12 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass sich immer mehr Bürger entschließen, ihr Geld in Wohneigentum und Grundstücke zu investieren. Zudem ist die Zahl der Baugenehmigungen von Januar bis April um gut 31 Prozent gestiegen. Insgesamt genehmigten die Behörden 117 000 Wohnungen, so viele wie zuletzt im Jahr 2000. Niedrige Zinsen, der wachsende Bedarf durch die hohe Zuwanderung und die gute Konjunktur sorgen derzeit für einen Immobilienboom. Was dazu führt, dass die Einnahmen aus der Grundsteuer deutlich anziehen, und den Ländern zugute kommen.

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank führt zwar andererseits dazu, dass die Einnahmen aus der Abgeltungssteuer auf Zinsen und Veräußerungserträge weiter drastisch zurückgehen. Gleichzeitig aber erspart sie dem Bund Milliarden an Zinsausgaben bei der Refinanzierung der Staatsschuld. Der Bund zahlte in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres knapp 23 Prozent weniger an Zinsen als im Vorjahreszeitraum, insgesamt 7,7 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Diese Summe entspricht etwa der Rücklage, die der Bundesfinanzminister aus dem Haushaltsüberschuss des vergangenen Jahres gebildet hat, um die Kosten zu finanzieren, die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge verursachen.

Die Zuwanderung ist auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Mehr als 43,4 Millionen Menschen waren im April erwerbstätig, das ist eine halbe Million mehr als im Vorjahreszeitraum. Mehr als 185 000 Personen davon kamen aus den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den früheren Ostblockstaaten. Die Zahl der Beschäftigten aus Asyl-Ländern stieg um 57 000 Personen an. Deutlich mehr Asylsuchende jedoch haben sich als arbeitslos registrieren lassen - 72 000 Personen insgesamt. Im Laufe des Jahres, schreiben die Experten des Bundesfinanzministeriums, werde sich diese Zahl auch in der Arbeitslosenstatistik widerspiegeln. Das heißt, erstmals seit Jahren könnten die Zahlen der Arbeitslosen am Jahresende wieder steigen.

Die niedrigen Zinserträge auf herkömmliche Geldanlagen werden weiterhin durch weitgehend stabile Verbraucherpreise ausgeglichen. Dank des niedrigen Rohölpreises mussten Kunden im Mai 2016 für Haushaltsenergie und Kraftstoffe noch mal weniger zahlen als im Vorjahresvergleich, dagegen stiegen die Preise für Dienstleistungen an. Erst gegen Ende des Jahres erwarten die Finanzexperten, dass die Inflation anziehen könnte.

Und noch eine Kehrseite hat die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. In der Euro-Zone steigt die Kaufkraft, mit der Folge, dass deutsche Unternehmen wieder mehr nach Europa ausführen - was zugleich Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Deutschland sichert. Die Exporte nach Europa nahmen in den ersten drei Monaten kräftig zu, fast drei Prozent mehr Güter gingen in Euro-Länder, noch einmal 50 Prozent mehr in Nicht-Euro-Länder. Dagegen sanken die Ausfuhren in nichteuropäische Drittländer unter Vorjahresniveau.

Nicht nur die Einnahmen, auch die Ausgaben des Bundes steigen kräftig im Vergleich zum Vorjahr - als die Flüchtlingskrise noch nicht absehbar war. Fast 25 Prozent mehr Geld, das sind 9,5 Milliarden Euro gab der Bund in den ersten fünf Monaten 2016 für Investitionen aus. Wie viel davon flüchtlingsbezogen ist, geht aus den Daten nicht hervor. Auch bei den Ausgaben der Länder bleibt offen, wie viel Geld in die Finanzierung der Flüchtlingskosten fließt. Eines machen die Zahlen aber deutlich. Beim zähen Gerangel zwischen Bund und Ländern um die Verteilung der Integrationskosten für bestätigte Asylanten ist es nicht der Mangel an Geld, der eine Einigung so schwer macht.

Die Beteiligungen des Bundes tragen kaum zum Plus im Staatshaushalt bei. Finanzstaatssekretär Thomas Steffen weist im Vorwort vorsorglich darauf hin, dass staatliches Eigentum "in erster Linie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und nicht etwa der Vermögensmehrung" diene. So erklärt sich, dass von den 60 unmittelbaren Bundesbeteiligungen zuletzt immerhin 33 Gesellschaften Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt erhalten haben, insgesamt 5,46 Milliarden Euro. Die Deutsche Bahn AG, die komplett dem Staat gehört, erhielt mit 3,79 Milliarden Euro das meiste Geld. Im Management dagegen sind zumindest die Unternehmen, bei denen der Bund die Mitglieder in den Aufsichtsräten bestimmt, bereits zeitgemäß aufgestellt. Im Jahr 2015 lag der durchschnittliche weibliche Anteil in Aufsichtsgremien bei 36 Prozent und damit über Plan.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: