Steuern:Rom gegen Google

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Italien plant die Einführung einer Umsatzabgabe für Internetkonzerne - im Alleingang. So will das Land digitalen Unternehmen "Anstand" beibringen.

Von Ulrike Sauer, Rom

Mit der Steuerpflicht für Google, Facebook und Apple ist es in Europa wie mit Godot. Man wartet vergeblich auf sie. Nun raffen sich in Rom die Abgeordneten des italienischen Parlaments auf, den Steuermanipulationen der Netzgiganten aus den USA einen Riegel vorzuschieben. "Wir haben zehn Jahre gewartet, dass sich etwas rührt", sagt Massimo Mucchetti, Vorsitzender des römischen Haushaltsausschusses. Der Senator des Partito Democratico (PD) möchte die Internetkonzerne schon von kommendem Jahr an in die Pflicht nehmen, notgedrungen im italienischen Alleingang. "Wir wollen den digitalen Unternehmen Anstand beibringen", sagt er.

Mucchetti hat einen Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz für 2018 eingebracht, über den nun die beiden Parlamentskammern in Rom beraten. Es ist nicht der erste Anlauf des ehemaligen Journalisten, doch die Aussichten sind diesmal gut. Die Koalitionsparteien PD und AP unterstützen den Antrag. Auch in der Opposition stößt er auf Zustimmung. Kürzlich hat sogar Regierungschef Paolo Gentiloni ausdrücklich für die umgehende Einführung der "web tax", wie man die Steuer für Internetfirmen in Italien nennt, plädiert.

Erst im September, auf dem Treffen der EU-Finanzminister in Tallinn, war der Versuch, den Missstand europaweit abzustellen, wieder ins Leere gelaufen. Der Vorstoß der EU-Mitglieder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, eine Art Umsatzsteuer für die digitalen Multis einzuführen, fand keine Mehrheit. Die Einen warnten, das würde innovative Firmen vergraulen. Die Anderen forderten eine weltweite Vereinbarung.

Nun also handeln die Italiener auf eigene Faust. In Rom scheut man die Konfrontation mit den mächtigen US-Konzernen nicht. "Wir müssen uns anstrengen, wenn wir uns nicht länger bestehlen lassen wollen", sagt Mucchetti. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Internetkonzerne in Europa Milliardenumsätze mit Apps, Musik und Videos machen und der Fiskus leer ausgehe. "Die saugen Geld aus unseren Daten und entrichten in Europa nicht einmal ihre Steuern", beschwert sich der Senator.

"Wir wollen den digitalen Unternehmen Anstand beibringen."

Die italienische Initiative ähnelt dem Vorschlag, den die vier EU-Länder vor zwei Monaten in Tallinn gemacht hatten: Die Netzkonzerne sollen künftig zur Zahlung einer Umsatzsteuer verpflichtet werden, wenn sie vorgeben, nicht über einen Firmensitz in Italien zu verfügen. Denn die klassische Gewinnbesteuerung, der sich die Internetkonzerne erfolgreich entziehen, setzt eine Niederlassung im jeweiligen Land voraus. Diesem Spiel will Rom ein Ende bereiten. Künftig sollen die US-Unternehmen vor die Alternative gestellt werden, entweder einen Firmensitz in Italien anzugeben, womit sie dann der Ertragsteuer unterliegen, oder eine Abgabe auf ihre Umsätze in Italien zu zahlen. Vorgesehen ist, die Einnahmen mit sechs Prozent zu besteuern.

Es geht um ansehnliche Summen. Laut Mucchetti erzielt etwa Google schätzungsweise knapp zwei Milliarden Euro Umsatz in Italien. Davon melde der Konzern nur 90 Millionen Euro, auf die er fünf Millionen Euro Steuern zahle, so der Parlamentarier. Und: "Google ist durchaus nicht die Ausnahme, sondern der Vorreiter." Auf der Grundlage seines Vorschlags müsste der Suchmaschinenkonzern in Italien 120 Millionen Euro ans Finanzamt überweisen.

Dem Vorschlag zufolge sollen die italienischen Firmenkunden von Google, Facebook, Booking.com und Co. künftig die Umsatzsteuer auf ihre Rechnungen einbehalten und direkt an den Fiskus abführen. Zugleich werden die Banken verpflichtet, Überweisungen von Karten- und Kontoinhabern an die Internetkonzerne den Steuerbehörden zu melden. Wenn bei einer Internetfirma im Halbjahr mehr als 1500 Transaktionen im Wert von mindestens 1,5 Millionen Euro aus Italien auflaufen, erhält sie eine Vorladung vom Finanzamt. Dann wird geprüft, ob das Unternehmen tatsächlich keine italienische Niederlassung hat. "Wir wollen dann wissen, wie sie arbeiten. Es wird ihnen nicht leicht fallen, sich rauszureden", mutmaßt Mucchetti.

Italien fängt im Kampf für die Steuergerechtigkeit nicht bei null an. In einem Steuerstreit mit Google kassierte der Staat im vergangenen Frühjahr 306 Millionen Euro. In Rom wurde das als Durchbruch gefeiert. Denn erstmals hatte sich das Unternehmen verpflichtet, einen Teil seiner Geschäfte über die italienische Niederlassung abzuwickeln. Zwei Jahre zuvor hatten die Italiener gegen Apple gepunktet. Sie knöpften dem iPhone-Konzern 318 Millionen Euro Steuernachzahlungen ab. Mit dem Haushaltsgesetz soll nun aber soll eine grundsätzliche Regelung gefunden werden.

Mucchetti hält mittelfristig Staatseinnahmen aus der "web tax" in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr für realistisch. Zugleich hofft er, dass das römische Vorbild den Entscheidungsprozess in der EU antreiben wird.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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