Steuern:Die fleißigen Kollegen aus Malta

Eine neue Studie befeuert einen alten Verdacht: Großbanken sollen ihre Gewinne regelmäßig so zwischen den EU-Ländern verschieben, dass sie am Ende möglichst wenig Steuern darauf bezahlen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Deutsche Bank hätte wohl kaum ein Problem mit der Profitabilität, würden ihre Mitarbeiter überall so viel Gewinn pro Kopf erwirtschaften wie auf der Mittelmeerinsel Malta. Die vier Kollegen dort brachten es 2014 immerhin auf ein Vorsteuerergebnis von 83 Millionen Euro. Während im Steuerparadies Malta damit also jeder Mitarbeiter stolze 20,8 Millionen Euro zum Konzernergebnis beitrug, kamen die 45 300 Vollzeit-Angestellten in Deutschland zusammen auf 1,98 Milliarden Euro. Pro Kopf waren das nur ungefähr 44 000 Euro.

Welche derart profitablen Geschäfte die Bank auf Malta macht, darüber gibt das Institut keine Auskunft. Klar ist also nur, es fährt hohe Erträge und Gewinne ein und verursacht kaum Kosten. In Deutschland dagegen bedient die Bank vor allem Privatkunden, dazu braucht es ein Filialnetz und viele Mitarbeiter. Und um auch das nicht unter den Tisch fallen zu lassen: In Malta zahlte die Bank nach vorliegenden Angaben auf diesen Gewinn durchaus 23 Millionen Euro Steuern.

Diese Zahlen sind nicht geheim, sie stammen aus der neuen sogenannten länderspezifischen Berichterstattung. Dort veröffentlicht das Institut seit Jahresanfang erstmals für jede nationale Niederlassung genaue Daten zu Ertrag, Ergebnis vor Steuern, zur Zahl der Mitarbeiter und zur Höhe der gezahlten Steuern. Das gilt nicht nur für Malta und Deutschland, sondern für alle 69 Länder, in denen sie aktiv ist, von A wie Argentinien bis V wie Vietnam.

Bis spätestens 1. Juli mussten die großen Kreditinstitute detaillierte Länder-Daten melden

Für Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament, sind die Zahlen ein großer Gewinn an Transparenz. Denn nicht nur die Deutsche Bank, alle großen europäischen Kreditinstitute mussten die Daten auf Geheiß der EU-Kommission bis spätestens 1. Juli 2015 veröffentlichen. "Country-by-Country-Reporting" heißt das in der Fachsprache. Brüssel will damit verhindern, dass Banken unbemerkt ihre Gewinne und damit ihre Steuerlast von EU-Land zu EU-Land verschieben. "Über die Jahre werden diese Zahlen höchst spannend. Journalisten und Ökonomen können dann die richtigen Fragen stellen, um Steuerdumping auf die Schliche zu kommen", sagt Finanzexperte Giegold.

Bisher genügte es, wenn Banken angaben, wie viel sie in Summe an Steuern gezahlt haben. Jetzt müssen sie diese Daten für jedes einzelne Land, in dem sie aktiv sind, ausweisen. Zunächst hat sich die Kommission die Bankenbranche herausgegriffen, um die Steuertransparenz zu verbessern, wurden doch in der Finanzkrise viele Institute mit Steuergeld gerettet.

Am Mittwoch aber steht das Thema in Brüssel erneut auf der Agenda: Das EU-Parlament will dann über die Neufassung der Regeln für Aktionärsrechte abstimmen. Diese Richtlinie soll nach den Vorstellungen der Grünen und der Sozialdemokraten auch das "Country-by-Country-Reporting" aufnehmen. Dann würden diese Daten auch von größeren Industrie-Unternehmen verlangt. Denn: Angesichts der nach wie vor großen Unterschiede in den nationalen Steuersystemen, können gerade internationale Konzerne - anders als nur national tätige Mittelständler - ihre Steuerlast senken, indem sie Gewinne in Länder mit niedrigeren Steuerquoten schieben. So zahlen Konzerne wie Google, Apple oder Amazon nur wenig Steuern auf ihren außerhalb der USA erzielten Profit.

Um zu zeigen, dass die neuen Berichtspflichten tatsächlich mehr Licht in das Steuergebaren der Banken bringen, haben die Grünen nun eine Studie zu den ersten von 26 Instituten gemeldeten Daten in Auftrag gegeben: Die Erhebung, die der SZ vorliegt, kommt zu dem Schluss, dass "vermutlich einige oder sogar alle Banken systematisch höhere Gewinne in Ländern mit niedriger Steuerquote ausweisen, während sie in den Ländern, wo sie ihren Sitz oder den Großteil ihres Geschäfts betreiben, niedrigere Gewinne ausweisen".

Basierend auf mehreren Faktoren, der Wirtschaftskraft eines Landes oder der Zahl der von der Bank beschäftigten Mitarbeiter, haben die Autoren zudem errechnet, in welchen Ländern Banken einen höheren oder niedrigeren Gewinn ausweisen als zu erwarten wäre. In Deutschland hätten die untersuchten Kreditinstitute demnach 1,1 Milliarden Euro weniger Gewinn ausgewiesen, als es zu erwarten gewesen wäre. Dabei eingeflossen sind die Daten von Deutscher Bank, Commerzbank, DZ Bank, Dekabank, Landesbank Baden-Württemberg sowie der Landesbank Hessen-Thüringen.

Im Ländervergleich stellte sich heraus, dass nicht nur Institute in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden, Großbritannien, der Schweiz oder Spanien weniger Gewinne meldeten als erwartet. Von höheren Profiten profitierten die USA, Belgien, Luxemburg, Irland oder Singapur.

Es gibt aber auch Kritik an der Wirksamkeit der neuen Berichtspflichten

Im Vergleich der deutschen Institute vermuten die Studienautoren, dass die Deutsche Bank ihre Gewinne am stärksten steueroptimal verteilt: "Und generell scheinen größere Banken ihre Gewinne stärker zu verschieben als kleinere", heißt es dort. Die Transparenzpflicht sei daher ein kraftvolles Mittel, die Institute künftig davon abzuhalten, ihre Gewinne zu verschieben. Gleichwohl müsse die Datenbasis verbessert werden, um klare Schlüsse daraus zu ziehen. Zum Beispiel müssten Banken nur die tatsächlich gezahlten Steuern melden und nicht die latenten Steuern, also Lasten oder Vorteile, die sie erst später erhalten oder zahlen. Zudem fehlt noch der längerfristige Vergleich.

Die Deutsche Bank wies daher sogleich zurück, Gewinne zu verschieben. "Die Bank weist grundsätzlich ihre Gewinne in den Ländern aus, in denen sie erwirtschaftet werden", sagte ein Sprecher. Die Studie lasse relevante Faktoren, wie die verschiedenen Aktivitäten und Geschäftsbereiche der Deutschen Bank in den jeweiligen Standorten, unberücksichtigt. 2014 habe die Konzernsteuerquote der Deutschen Bank bei 45,7 Prozent gelegen. "Aus diesen Gründen sind die aus der Analyse gezogenen Ergebnisse zur Deutschen Bank unseres Erachtens nicht zutreffend".

Es gibt auch Kritik an der Wirksamkeit der Berichtspflichten. So gibt das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zu bedenken, "dass es gerade bei multinationalen Konzernen unmöglich ist, die Quelle von Gewinnen eindeutig zu bestimmen, sodass unklar ist, wie Gewinne und Steuerlast fair aufzuteilen sind". Die Berichte verursachten hohe Kosten; außerdem könne es Firmen schaden, wenn sie sensible Daten preisgeben oder in falschen Verdacht geraten.

Und natürlich stellt sich bei dem Thema immer auch die Frage, warum die Mitgliedsländer immer noch so stark unterschiedliche Steuersysteme zulassen. "Mich wundert nicht, dass Unternehmen ihre Steuern optimieren. Solange es dafür gesetzlich zulässige Schlupflöcher gibt, werden sie das tun", sagt Ralf Jasny, Professor für Betriebswirtschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences. Denn klar ist auch: In einem einheitlichen Steuersystem müsste sich die Deutsche Bank nicht mehr fragen lassen, welchen Geschäften sie eigentlich in Malta nachgeht.

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