Steuermilliarden:Begehrliche Blicke nach Nürnberg

Die Bundesagentur für Arbeit hat überraschend hohe Überschüsse erwirtschaftet, die die Politiker ausgeben möchten.

Nina Bovensiepen

Frank-Jürgen Weise galt lange Zeit vor allem als Verkünder schlechter Nachrichten. Monat für Monat musste der Chef der Bundesagentur für Arbeit von leeren Kassen und hohen Arbeitslosenzahlen berichten.

Das Blatt hat sich inzwischen gedreht: Die bessere Konjunktur bringt wieder mehr Menschen in Arbeit. Und in der Kasse der Nürnberger Behörde vollzieht sich geradezu eine wundersame Geldvermehrung.

Rechnete Weise Anfang des Jahres damit, dass sein Haus 2006 einen Überschuss von 1,8 Milliarden Euro erzielen würde, geht er nun von gut zehn Milliarden aus.

Es dürfte mehr sein

Ebenso wie das Steuerplus weckt auch dieses Geld Sehnsüchte. Schon lange beschlossen ist, dass die Bundesagentur aus dem Überschuss die geplante Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent finanzieren soll.

Nach Meinung vieler Koalitionäre dürfte es aber auch noch mehr sein. Die Bundesagentur könnte auch eine Senkung des Beitrags auf 4,2 Prozent finanzieren, ohne in den nächsten Jahren in Not zu kommen, sagt etwa CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Die SPD signalisiert neuerdings Entgegenkommen - am Freitag auf dem Finanzgipfel wollen die Koalitionsspitzen darüber beraten.

Die Entwicklungen in Nürnberg rufen noch mehr, teils recht abenteuerliche Vorschläge hervor. So möchte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Strafzahlungen erhöhen, welche die Bundesagentur für nicht vermittelte Erwerbslose an den Bund abführen muss. Das würde den Überschuss schmälern.

Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) blickt auf seiner Suche nach einem sozialeren Profil begehrlich nach Nürnberg. Rüttgers fordert, dass ältere Arbeitslose künftig länger das in der Regel höhere ArbeitslosengeldI bekommen sollen, bevor sie auf Hartz-IV-Niveau abrutschen.

Einschnitte für junge Menschen

Dafür müsste es im Gegenzug aber entweder Einschnitte für junge Menschen ohne Beschäftigung geben - oder der Nürnberger Überschuss würde schnell zusammenschnurren.

Jenseits solcher Vorstöße zeichnet sich in der Arbeitsmarktpolitik in jüngster Zeit ohnehin wieder ein Trend zum Geldausgeben ab. So hatten Union und SPD einst versprochen, das Wirrwarr von Programmen und Zuschüssen für Arbeitslose zu lichten.

Inzwischen reden die Koalitionäre aber vor allem über neue Maßnahmen. Kombilöhne für Junge, Alte und Alleinerziehende sollen her, zudem wird über die Einführung eines dritten Arbeitsmarktes für nicht vermittelbare Erwerbslose geredet.

Während völlig unklar ist, was all dies kosten würde, gibt es auch noch Zwist über die Ausgaben für Hartz IV. Konkret geht es um die Wohnkosten für Arbeitslose.

Pläne für Geld, das es nicht gibt

Hier fordern die Länder vom Bund Hilfe in Höhe von 5,8 Milliarden Euro - Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will aber höchstens 3,9 Milliarden geben. Der Ausgang dieses Streits ist noch offen. Aber auch dieser Konflikt offenbart, dass in der Politik gerne Geld verplant wird, von dem keiner weiß, wo es herkommen soll.

Finanzminister Steinbrück hat in seinem Etat für den fraglichen Posten bisher nämlich nicht 5,8 oder 3,9 Milliarden eingeplant - sondern lediglich zwei Milliarden Euro.

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