Steuerkontrolle:Das hohle Bankgeheimnis

Ab April 2005 kann die Steuerfahndung in alle Konten vermeintlicher Steuersünder einsehen — ohne, dass die Betroffenen darüber informiert werden.

Von Lothar Gries

Steuersünder werden es schwerer haben. Bis zur Entstehung des gläsernen Bürgers, über den der Staat beinahe alles erfahren kann, dauert es in Deutschland nur noch wenige Monate.

Ab April 2005 können Finanzämter, die Arbeitsagentur oder Sozialämter auf die Daten sämtlicher Konten und Depots bei deutschen Banken und Sparkassen zugreifen.

Denn wenn Ende März nächsten Jahres das Amnestieangebot von Bundesfinanzminister Hans Eichel an die Steuerflüchtlinge ausläuft, tritt nur einen Tag später, am ersten April, das so genannte Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit in Kraft.

Angriff auf die Privatsphäre der Bürger

Dahinter verbirgt sich ein bisher ungeahnter Angriff auf die Privatsphäre der Bürger, den zahlreiche Juristen schlicht für verfassungswidrig halten. Im Klartext erlaubt das Gesetz jedem Finanzbeamten die Bankkonten und Depots eines Bürgers einzusehen, wenn dies zur Erhebung von Steuern erforderlich ist und ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht.

"Von dem Bankgeheimnis, das ja auch bisher schon durchlöchert war wie ein Schweizer Käse, bleibt dann nichts mehr übrig", urteilt Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband.

Abrufen kann der Steuerbeamte zwar nur die so genannten Stammdaten eines Kunden, wie Name, Geburtsdatum oder Anschrift sowie Angaben über weitere Kontoverfügungsberechtigte.

Erhärtet sich durch diesen Einblick allerdings der Verdacht auf Steuerbetrug, etwa weil der Betroffene über mehrere Konten verfügt, aber keine Zinserträge angegeben hat, können die Finanzbehörden dann gezielt von den Banken auch die Offenlegung der Kontoguthaben und Geldbewegungen verlangen.

Wer nachfragt, erhält auch Auskunft

Steueranwälte und Datenschützer betrachten das Vorhaben mit Skepsis, weil der bisher geltende Anfangsverdacht auf Steuerbetrug für die Datenabfrage nicht mehr notwendig ist. Kritisiert wird auch, dass die Betroffenen von der Abrufaktion und deren Ergebnis noch nicht einmal unterrichtet werden.

Die Daten müssen von den Banken drei Jahre elektronisch gespeichert werden, sodass sie online vom Bundesamt für Finanzen abgerufen werden können. Einen solchen Automatismus hält der Strafrechtler Erich Samson für verfassungswidrig.

Denn eine Kontrolle darüber, ob die Weitergabe der Daten überhaupt gerechtfertigt oder verhältnismäßig ist, findet nicht statt. Ein Gremium, das nach klar formulierten Kriterien entscheidet, welche Auskunft berechtigt ist und welche nicht, ist nicht vorgesehen. Wer nachfragt, erhält auch Auskunft.

Das Bundesamt für Datenschutz moniert zudem, dass auch Sachbearbeiter der Bundesagentur für Arbeit, der Sozialämter, bei der Wohngeldstelle oder dem Bafög-Amt Einsicht in die Konten und Depots der Bankkunden beantragen dürfen.

Diese Behörden könnten dann völlig willkürlich ihre Daten untereinander abgleichen, ohne dass bei den Betroffenen zuvor irgendwelche Hinweise auf Unregelmäßigkeiten vorlägen. Dies führe zu einer Art "gläsernem Bürger", den die Verfasser des Grundgesetzes sicher nicht gewollt hätten.

Umfassender Einblick

Einen solch umfassenden Einblick in die Privatsphäre der Bürger stand den Behörden bisher nur im Rahmen der Terrorfahndung oder bei Verdacht auf kriminelle Machenschaften zur Verfügung.

Zu diesem Zweck besteht seit Herbst 2003 bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ein automatisiertes Kontenabfragesystem, das Polizei und Geheimdiensten helfen soll, die Finanzströme terroristischer Organisationen nachzuvollziehen und Geldwäsche zu unterbinden.

Angesichts der mehr als 17.000 Anfragen, die beim Bafin bisher eingegangen sind, bezweifeln Experten allerdings, dass die Behörden dabei nur Schwerstkriminelle im Visier hatten. Wenn ab April 2005 die Nutzung der Kontenabrufmöglichkeiten quasi auf jeden Bürger erweitert werden, seien Missbräuche praktisch unvermeidbar.

Die Bundesregierung reagiert auf die Kritik gelassen. Der Steuerehrliche, verlautet aus Berlin, habe nichts zu befürchten.

Steuerfahnder halten Gesetz für überfällig

Der Staat könne nicht länger dulden, dass nur fünf von hundert Aktionären ihre Gewinne beim Fiskus anmeldeten. Mit dem neuen Gesetz werde es nun möglich, große wie kleine Vermögen problemlos zu überprüfen.

Auch zahlreiche Steuerfahnder halten die geplante Neuregelung für überfällig. Viele Steuerpflichtige verfügten nämlich über hohe Einkommen, hätten aber angeblich keine Kapitaleinkünfte. Auffällig sei auch, dass manche Bürger gar keine Steuererklärung abgäben, sondern sich nur schätzen ließen. Dadurch würden oft hohe Einkünfte verschwiegen.

Damit soll nun endgültig Schluss sein. Für Professor Wolfgang Gehrke von der Universität Erlangen ist dies ein fadenscheiniges Argument, weil die wirklich großen Steuersünder ihre Gelder längst nach Dubai oder auf die Cayman-Inseln verbracht hätten.

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