Steuerhinterziehung:Warum Deutschland eine Finanzpolizei braucht

Italien ist finanzpolitisch kein Vorbild - aber Deutschland im Kampf gegen Steuerhinterziehung dennoch voraus. Dort bearbeitet die "Guardia di Finanza" Delikte von Steuerflucht bis zu schwarzen Mafiakonten. Eine Bundesfinanzpolizei wäre auch hier die richtige Antwort auf die Steuerflucht.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

Der italienische Staat besitzt, mit aller Vorsicht gesagt, finanzpolitisch nicht den allerbesten Ruf. Paradoxerweise verfügt er jedoch über eine Finanzpolizei, die zu den besten der Welt gehört - sonst sähe es im Land noch viel schlimmer aus. In den beliebten Kriminalromanen von Donna Leon jedenfalls braucht der Commissario Brunetti verstockten Zeugen nur andeuten, er könne ihren Namen auch der Guardia di Finanza melden, da singen sie schon wie die Vöglein. Die "Wache der Finanzen" hat über 60.000 Beamte, ist gefürchtet und streng militärisch aufgebaut, sie bearbeitet Delikte von Steuerflucht bis zu schwarzen Mafiakonten.

Man muss ja nicht gleich das Militär zum Vorbild nehmen. Eine effizientere Steuerfahndung könnte Deutschland aber sehr gut brauchen. Die Idee einer Bundesfinanzpolizei wird seit langer Zeit von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) propagiert, sie hat auch im Bundestag Anhänger, bisher aber siegten stets die Beharrungskräfte. Nun hat auch Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) ein deutsches FBI gegen internationale Steuerhinterziehung ins Gespräch gebracht.

Und schon klang es aus Bayern: Unsinn, die Länder handelten flexibler als irgendwelche bundesstaatlichen Mammutbehörden. Flexibel sind die Länder tatsächlich, aber leider eher in der Kunst, die Steuerfahndung zu vernachlässigen und das Thema auf die lange Bank zu schieben. Und eine starke Zentralinstitution, bei der die Fäden zusammenlaufen, wäre in der globalisierten Welt der "Offshore-Leaks" womöglich besser aufgestellt.

Eine Bundesfinanzpolizei, unabhängig von Eigensinn und Egoismen der Bundesländer, wäre zumindest ein Denkmodell, das Besseres verdient als reflexhafte Abwehr. Sie würde die Steuerfahndung der Länder ja nicht abschaffen, sondern als Zentralstelle ergänzen und koordinieren - und hätte bei grenzüberschreitenden Ermittlungsverfahren viel größere Möglichkeiten.

Und sie müsste nicht bei null beginnen. Mit dem Zoll gäbe es bereits eine Bundesbehörde, die bereits in der einschlägigen Kriminalitätsbekämpfung arbeitet, freilich bislang nicht im notwendigen Ausmaß. Er ist viel zu kompliziert aufgebaut - aber fachkundiges Personal gibt es hier durchaus, das den Nukleus einer Finanzpolizei bilden könnte, ohne dass der Staat Tausende neue Stellen schaffen muss.

Dieser Staat könnte in Gestalt der Bundesländer Milliarden sparen, wenn eben diese Länder einige Millionen mehr für zusätzliche Stellen bei den Finanzermittlern lockermachen würden. Aber das ist seit Jahren nicht oder nicht genug geschehen. Zum einen scheuen sich die Länder, ihren beträchtlichen öffentlichen Dienst zu vergrößern, sie ächzen unter der wachsenden Last der Pensionen.

So verständlich das sein mag, so kurzsichtig ist die Weigerung, die Steuerfahndung aufzustocken und zu einem scharfen Schwert zu machen; derzeit gleicht sie eher dem Knüttel, mit dem die Geldeintreiber der Landgrafen einst über die Dörfer zu zogen. Vielen, auch finanzkräftigen Ländern fehlt zudem schlicht der Anreiz, unterschlagene Steuermillionen aufzuspüren - sie wollen "Verunsicherung" bei Bürgern, Unternehmern und Investoren vermeiden; und die Mehrgewinne müssten sie über den Finanzausgleich ohnehin teils wieder abdrücken.

Es ist schon seltsam: Der Staat gibt einiges Geld aus, um Steuer-CDs aus nebulösen Quellen zu kaufen. Er wollte ein zweifelhaftes Steuerabkommen mit der Schweiz durchsetzen. Er bittet Medien, die Identität einschlägiger Informanten den Finanzbehörden preiszugeben. Aber zu einer effizienteren Verfolgung von Steuer- und Finanzbetrug ist er nicht bereit. Früher gab es ein schönes Wort für diese Art von kurzfristigem Denken in Gelddingen: Milchmädchenrechnung.

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