Steuerhinterziehung:Razzia über Razzia - und eine Flut von Selbstanzeigen

München, Frankfurt, Hamburg: Nach ersten Durchsuchungen in Bayern und Hessen sind die Steuerfahnder nun auch im Norden der Republik aktiv.

Sie kamen von Düsseldorf aus mit dem Flugzeug, sie fuhren in unauffälligen Wagen vor - die Abgesandten deutscher Finanzbehörden bei ihrer bundesweiten Jagd auf Steuersünder. Nach der Aufdeckung zahlreicher Schwarzgeld-Depots in Liechtenstein haben Ermittler am Montag von Hamburg bis München Wohnhäuser und Geschäftsräume durchsucht. Das bestätigten Sprecher von Polizei, Finanzbehörden und Staatsanwaltschaft.

Steuerhinterziehung: Nennt keine Details über den betroffenen Personenkreis: der Leitende Münchner Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld.

Nennt keine Details über den betroffenen Personenkreis: der Leitende Münchner Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld.

(Foto: Foto: ddp)

Beteiligt an dem Großeinsatz waren nach Informationen von Spiegel online insgesamt 37 Steuerfahnder, acht Staatsanwälte und einige hundert Polizeikräfte.

Ein Ort des Großeinsatzes war München. Hier durchsuchten die Fahnder zwei kleinere Privatbanken und zwei Privatvillen, eine davon im noblen Vorort Grünwald. Bei einer der Privatbanken handelt es sich um die Münchner Niederlassung der Privatbank Metzler, wie ein Sprecher des Unternehmens, Matthias Butzlaff, bestätigte; auch die Frankfurter Metzler-Zentrale wurde durchsucht. Nähere Details wollte der Sprecher nicht nennen. Ob die Bank dabei Beschuldigter oder Zeuge sei, kommentierte er nicht. Auch in Ulm und Stuttgart soll es Durchsuchungen gegeben haben.

In und um Hamburg gab es nach Angaben der Finanzbehörde der Hansestadt ebenfalls mehrere Razzien. Insgesamt sei es um fünf Fälle des Verdachts der Steuerhinterziehung gegangen, sagte ein Behördensprecher. Für den Nachmittag rechne er mit Selbstanzeigen.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg verwies am Montag zu dem Thema auf die Ermittler in Bochum. Die Finanzbehörde wollte sich ebenfalls nicht äußern. Ob es über das Wochenende mehr Selbstanzeigen bei den Finanzämtern in Hamburg gegeben hat, ist nach Angaben eines Sprechers der Finanzbehörde erst am Montagnachmittag absehbar. Bis dahin sollen die Daten aus den einzelnen Ämtern zusammengetragen sein.

Bei den Strafverfolgern hieß es jedoch: "Es rappelt jetzt mit Selbstanzeigen." Die Anwälte der Betroffenen legten offenbar Sonderschichten ein. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die ersten prominenten Namen bekannt würden. Es gehe quer durch alle Schichten.

Zahl der Betroffenen in Berlin noch unklar

Auch in der Bundeshauptstadt gibt es Betroffene. Es gebe in Berlin eine zweistellige Zahl von Fällen, sagte eine Sprecherin der Senatsfinanzverwaltung. "Die genaue Zahl ist unklar." Es seien auch Durchsuchungen in Berlin geplant, die Finanzverwaltung wisse aber nicht, wann. Die Staatsanwaltschaft Berlin lehnte auf Anfrage jede Stellungnahme ab.

Nach Informationen derLübecker Nachrichten hat es auch in Schleswig-Holstein eine Razzia gegeben. Die Ermittlung richteten sich gegen einen Privatmann mit Wohnsitz im Süden des Landes, schreibt die Zeitung. Vor Ort seien die federführende Staatsanwaltschaft Bochum und ein Beamter der Steuerfahndungsstelle Lübeck. Über die genaue Örtlichkeit machte die Zeitung zunächst keine Angaben. In den kommenden Tagen sei mit weiteren Razzien im Norden zu rechnen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf informierte Stellen.

Keine Informationen von der Staatsanwaltschaft

Die Bochumer Staatsanwaltschaft wollte sich nicht zu den angelaufenen Durchsuchungen im Zuge der Liechtensteiner Steueraffäre äußern. "Wir bestätigen und dementieren nichts", sagte Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek in Bochum. "Wir können und dürfen nichts sagen", betonte Bienioßek unter Bezug auf das Steuergeheimnis. Auskünfte gebe es weder über Orte noch Namen.

Nach Informationen des Handelsblatts gibt es auch Durchsuchungen im Großraum Frankfurt. Die Steueraffäre war mit der Razzia beim bisherigen Post-Chef Klaus Zumwinkel am vergangenen Donnerstag bekanntgeworden.

Die Münchner Staatsanwaltschaft bestätigte Durchsuchungen im Großraum München. Der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte, Details über den betroffenen Personenkreis oder die Größenordnung der Aktion könne er nicht nennen.

Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Bochum und der Steuerfahndung hätten ihn darüber unterrichtet, dass es Durchsuchungen in seinem Zuständigkeitsgebiet gebe. "Die Durchsuchungen macht die Staatsanwaltschaft Bochum in Kooperation mit der Steuerfahndung."

Spezial-Einsatztruppe angereist

Bereits am Sonntag sei eine Spezial-Einsatzgruppe der Steuerfahndung aus Düsseldorf nach einer Einsatzbesprechung am frühen Abend in die bayerische Landeshauptstadt gereist, berichtet die Rheinische Post unter Berufung auf Finanzbehörden in NRW.

Die Gruppe bereite sich offenbar auf einen längerfristigen Einsatz vor und werde mindestens bis zum Ende der Woche in Bayern ermitteln. Eine Ende der Aktion sei bislang nicht festgelegt.

Die Online-Ausgabe des Handelsblatts berichtete, im Großraum Frankfurt würden Privatwohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Es solle sich um vermögende Personen handeln, aber nicht um in der Öffentlichkeit bekannte Namen, hieß es.

In den vergangenen Tagen hatte es bereits Berichte gegeben, wonach eine Welle von Durchsuchungen in der Steueraffäre bevorstehe. Aus Ermittlerkreisen berichtete die SZ, die Fahnder wollten pro Tag 20 bis 25 Wohnungen und Büros durchsuchen.

Bund hoff auf mehrere hundert Millionen Euro

Die Bundesregierung erhofft sich Einnahmen von mehreren hundert Millionen Euro aus Steuernachforderungen. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums Torsten Albig sagte, der Kauf der Daten von einem Mittelsmann sei eine Abwägungsfrage gewesen. "Es gibt keinen Zweifel bei allen Beteiligten, dass die Daten strafrechtlich verwertbar sind", sagte Albig. Die gesamte Aktion sei "intensivst im Vorfeld" geprüft worden.

Wegen der Affäre hatte Post-Chef Zumwinkel seinen Rücktritt erklärt. Ihm wird Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vorgeworfen.

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