Steuerhinterziehung:Die da oben

Lesezeit: 3 min

Das Bild, das man sich inzwischen von den Schrempps, den Hartzens und den Zumwinkels macht, addiert sich zu einem Gesamtbild der Schamlosigkeit.

Heribert Prantl

Es reiht sich alles wie zu einem Rosenkranz des Desasters: Da sind die Manager mit den frivolen Gehältern; die Aufsichtsräte, die keine Aufsicht üben; die Landesbanken, die sich nicht mehr ums Gemeinwohl scheren; die Vorstände, denen an ihren eigenen Aktienpaketen mehr liegt als an ihren Beschäftigten.

Klaus Zumwinkel kehrt in Köln nach seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft in sein Haus zurück. (Foto: Foto: AP)

Angesichts des Zusammentreffens solcher Syndrome verlernt die Öffentlichkeit das Differenzieren. Sie unterscheidet nicht mehr zwischen den Gerissenen, Gierigen und Gefährlichen, den Fehlspekulanten und den Untreuen; den Steuervermeidern und den Steuerbetrügern, den nur übertrieben Geschäftstüchtigen, den Unmoralischen und den richtig Kriminellen.

Das Bild, das man sich von den Schrempps, den Hartzens und den Zumwinkels macht, addiert sich zu einem Gesamtbild der Schamlosigkeit.

Wirtschaftsverdrossenheit

Überall, wo jetzt über die Steuerhinterziehung des Großmanagers Klaus Zumwinkel diskutiert wird, ist der Satz nicht weit, dass man "die alle" in einen Sack stecken und draufschlagen könne, weil es dabei keinen Falschen treffe.

So ein Satz ist genauso erbärmlich wie das Verhalten derer, die dazu Anlass gegeben haben. Aber es ist mittlerweile tatsächlich so, dass sich das individuelle Fehlverhalten von Großanlegern im Urteil der Öffentlichkeit zu einem Systemfehler verdichtet. Die Wirtschaftsverdrossenheit ist so groß wie die Politikverdrossenheit; und das ist eine fatale Kombination.

Soweit die Präambel zum Fall Zumwinkel. Sein Fall ist einer, der dem Generalverdacht vieler Bürger gegen Politik und Wirtschaft neue Nahrung gibt: "Die da oben lügen und betrügen doch alle", sagen die da unten, die auch lügen, auch betrügen und auch die Steuern hinterziehen - aber das damit rechtfertigen, dass "die da oben" das alles in viel größerem Stil, ja bisweilen in gigantischem Ausmaß, auch machen.

Das Ausmaß freilich gibt einem Gelddelikt nicht nur eine besondere Quantität, sondern neue Qualität. Eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ist für einen Großmanager nicht einfach das, was für Lieschen Müller der Ladendiebstahl ist.

Ein Steuerbetrug via Liechtenstein hat eine andere Qualität als ein Diebstahl bei Aldi. Das gewaltige öffentliche Interesse, das der Fall Zumwinkel auf sich zieht, ist daher nicht automatisch ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, sondern (auch) ein Preis der Prominenz. Zumwinkel ist öffentliche Person. Was das bedeutet, haben er und seinesgleichen noch nicht verstanden.

Der Fall Zumwinkel, so wie er sich derzeit darbietet, ist ein Exempel für die Erosion bürgerlichen Normbewusstseins im Bereich der Wirtschaft. Dieser Fall ist hier so exemplarisch, wie es die Parteispedenskandale für den Bereich der Politik waren.

Sonderangebots-Gesetz

Es mag nicht ganz zufällig sein, dass dabei stets die Steueroase Liechtenstein eine Rolle spielt. Liechtenstein ist einer der Orte, an denen sich das Rechtsgewissen von politisch und finanziell Mächtigen eine Auszeit nimmt. Die Steuerhinterziehung unter Zuhilfenahme solcher Orte wird (bisweilen auch vom Staat) als Kavaliersdelikt einer Wirtschaftsgesellschaft betrachtet.

Deshalb wurden und werden den Groß-Steuerhinterziehern staatliche Sonderangebote gemacht. Die Steueramnestie der Jahre 2004 und 2005 war ein solches Sonderangebot. Steuerflüchtlinge sollten ihr im Ausland gebunkertes Geld zurückholen, und dann nicht nur nicht bestraft, sondern auch mit einer besonders niedrigen Steuersatz belohnt werden.

Das Gesetz wurde perfiderweise "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" genannt. Die Unehrlichkeit begann aber schon mit diesem Namen: Das Gesetz belohnte ja nicht die ehrlichen Steuerzahler, sondern, aus staatlicher Geldnot, die Steuerflüchtlinge.

Anders gesagt: Wenn das Geld im Kasten klang, der Täter von der Schaufel sprang. Aber nicht einmal dieses Superangebot wurde angenommen, der Rücklauf blieb weit hinter den Erwartungen zurück - und auch ein Zumwinkel blieb in Liechtenstein.

Die Schere zwischen Reich und Reich

Warum? Weil der Staat mit solchen Sonderangeboten zeigt, dass er Steuerflüchtlinge hofiert. Die Amnestie hat offenbar die funktionale Eingewöhnung in die großdimensionierte Steuerhinterziehung eher bestärkt als verhindert.

Es wird viel über die Spaltung der Gesellschaft geschrieben - die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Es geht aber auch die Schere zwischen Reich und Reich immer weiter auseinander. Es gibt einerseits immer mehr Reichtum, der via Stiftungen ins Gemeinwohl fließt.

Es gibt aber auch immer mehr Reichtum, der in die Gemeinheit fließt, nämlich in Steuerhinterziehung und Betrug. Beide Scheren - die zwischen Arm und Reich, und die zwischen Reich und Reich - gefährden den inneren Frieden.

Hinter all der Empörung, der berechtigten und der unberechtigten Kritik an Politikern und Großmanagern, steckt vor allem eine Sehnsucht: die nach Vorbildern und Werten; es ist die Sehnsucht danach, sich an etwas halten zu können.

Der Fall Zumwinkel beleidigt diese Sehnsucht. Innere Sicherheit ist ja nicht nur ein Gefühl, das mit Paragraphen, Polizei und Justiz zu tun hat. Innere Sicherheit ist auch das Ergebnis eines Grundvertrauens in das Führungspersonal eines des Landes. Dieses Grundvertrauen wird von den Zumwinkels zerstört.

© SZ vom 15.02.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: