Steuerflucht:Der Spion aus den Alpen

Steuerflucht: Der Schweizer Geheimdienst NDB, im Bild die Zentrale in Bern, soll den Agenten M. beschäftigt haben.

Der Schweizer Geheimdienst NDB, im Bild die Zentrale in Bern, soll den Agenten M. beschäftigt haben.

(Foto: Google)
  • Die Schweiz hat wohl den Chef der Steuerfahndung Wuppertal bespitzeln lassen. Das berichtet das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz.
  • Auftraggeber sei der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gewesen, das eidgenössische Gegenstück zum deutschen BND und zum Verfassungsschutz.
  • Der Vorgang wäre nicht nur ein Politikum, sondern auch eine Straftat.

Von Thomas Knellwolf und Klaus Ott, München/Zürich

Die Schweiz hat möglicherweise einen Spion auf den deutschen Steuerfahnder Peter Beckhoff und seine Kollegen angesetzt. Das berichtet das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz.

Beckhoff ist Chef der Steuerfahndung Wuppertal und einer der erfolgreichsten Schwarzgeld-Jäger im Land. Er trifft sich mal hier, mal dort und auch jenseits der deutschen Grenzen mit Informanten, die Datensätze anbieten. Meist geht es um die Kontounterlagen Tausender Bundesbürger, die bei Banken im Ausland ihre Vermögen vor dem Fiskus verstecken.

Nur ein Staat ist für Beckhoff bei seinen Einsätzen seit einiger Zeit tabu: Ausgerechnet die Schweiz, deren Bankgeheimnis der Wuppertaler Ermittler mit Hilfe gekaufter CDs voller Kontodaten schon oft geknackt hat. Schweizer Behörden haben 2012 einen nationalen Haftbefehl gegen den Beckhoff und zwei seiner Kollegen erlassen. Die Vorwürfe lauten auf Gehilfenschaft zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst, also Wirtschaftsspionage, sowie Verletzung des Bankgeheimnisses.

Auftraggeber: der Nachrichtendienst des Bundes

Jetzt stellt sich heraus, dass die Schweiz im Zuge des Ermittlungsverfahrens selbst zum Instrument der Spionage gegriffen haben könnte. Wie Bilanz berichtet, hat ein Agent Informationen über die Steuerfahnder aus dem Ruhrgebiet beschaffen sollen. Auftraggeber sei der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gewesen, das eidgenössische Gegenstück zum deutschen BND und zum Verfassungsschutz.

Der NDB ist im Inland wie im Ausland tätig. Ein Insider, der den Fall bestens kennt, bestätigt die Angaben. Er sagt, ein Agent mit Namen M. habe als freier Mitarbeiter des NDB mit seinen Erkenntnissen zu dem Verfahren der Bundesanwaltschaft in Bern gegen Beckhoff und Kollegen beigetragen. Das ist jenes Verfahren, aus dem die Haftbefehle gegen die Steuerfahnder aus Wuppertal stammen. M. sollte offenbar auskundschaften, wie die deutschen Beamten an die Daten-CDs von Schweizer Banken gelangt waren. Zu diesem Zweck sei der Agent in einer geheimen Wohnung des NBD geschult sowie mit einem präparierten Handy und einem verschlüsselten Laptop ausgestattet worden.

Nicht nur Politikum, sondern auch Straftat

Ein eidgenössischer Agent, der deutsche Ermittler bespitzelt, die Schwarzgeldkonten in der Schweiz enttarnen und so systematische Steuerhinterziehung bekämpfen: Das wäre nicht nur ein Politikum, es wäre wohl auch eine Straftat. Paragraf 99 des deutschen Strafgesetzbuches verbietet geheimdienstliche Tätigkeiten für Spionagebehörden fremder Mächte gegen die Bundesrepublik. In besonders schweren Fällen sind bis zu zehn Jahre Gefängnis vorgesehen - zum Beispiel wenn Amtsgeheimnisse ausspioniert werden oder die "Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik" herbeigeführt wird.

Der deutsche Fiskus will seine Informanten schützen, die ihm CDs mit den Daten von Schwarzgeldkonten im Ausland liefern. Gelänge es der Schweiz, die CD-Verkäufer reihenweise zu enttarnen und zu verfolgen, dann würde das den Kampf Deutschlands gegen die Steuerhinterziehung ungemein erschweren.

Freiberuflicher Agent aus Zürich

So weit ist es bei M. aber offenbar nicht gekommen. Der Agent hatte wohl keinen Erfolg. Es gibt keinerlei Hinweise, dass einer von Beckhoffs Informanten wegen des Wirkens des Schweizer Spions entdeckt worden wäre. Stattdessen ist M. selbst aufgeflogen. Die Berner Bundesanwaltschaft nahm den freiberuflichen Agenten, einen ehemaligen Polizisten aus Zürich, im Februar 2015 fest. Er verbrachte mehrere Wochen in Untersuchungshaft.

M., der nach seiner Zeit bei der Polizei im Sicherheitsbereich des Schweizer Großbank UBS arbeitete und sich 2010 als Berater und Privatermittler selbständig machte, soll UBS-Daten und andere aus eidgenössischer Sicht angeblich sensible Informationen verkauft haben. M. bestreitet, illegal agiert zu haben. Was sich da zugetragen haben soll, das ist eine ganz andere, ziemlich wilde Geschichte, in der unter anderem auch Werner Mauss vorkommen soll. Das ist ein deutscher Privatdetektiv mit einst besten Kontakten ins Bundeskanzleramt.

Mit dem Spionageeinsatz gegen die deutschen Steuerfahnder hat das insoweit zu tun, als M. bei den Ermittlungen der Berner Bundesanwaltschaft gegen ihn erzählte, wie er auf Beckhoff und seine Kollegen angesetzt worden sei. Der Vorgang wurde erst aktenkundig und nunmehr öffentlich bekannt. Der NDB dementiert den Einsatz von M. gegen die Steuerermittler aus dem Ruhrgebiet nicht. Die Behörde sagt lediglich, man äußere sich nicht zu laufenden Strafverfahren der Bundesanwaltschaft in Bern. Der eidgenössische Nachrichtendienst, so eine NDB-Sprecherin, erfülle seinen Auftrag im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Bekomme man Kenntnis von möglichen strafbaren Handlungen eigener Quellen, werde die Zusammenarbeit beendet und gegebenenfalls Anzeige erstattet.

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