Steuerfahndung:Bochumer Lektionen

In der Liechtenstein-Steueraffäre führt der hohe Fahndungsdruck durch zahlreiche Razzien bislang offenbar kaum zu Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern. Auch in München gehen die Fahnder äußerst konspirativ vor.

An diesem Montag, an dem die Bochumer Steuerfahnder in München ihre Großrazzia beginnen, hat der Anwalt Michael Hans seinen Internetauftritt bereits neu gestaltet. Die Homepage des Fachmanns für Steuerrecht begrüßt mögliche Kunden jetzt mit ganz speziellen "Verhaltenstipps": Steuerfahnder, heißt es dort, erschienen meist schon "früh am Tage und gehen dann rigoros vor". Michael Hans warnt davor, "Aussagen zur Sache zu machen, auch nicht im informellen Gespräch mit einem 'wohlgesonnenen' Begleiter der Steuerfahndung".

Die junge Frau im dunklen Bürokostüm wirft die Tür fast augenblicklich wie er zu, als sie nach dem Besuch der Fahnder gefragt wird: "Wir geben keinerlei Auskünfte." Morgens um zehn Uhr begann die Durchsuchung der Münchner Niederlassung des Frankfurter Privat-Bankhauses Metzler am Odeonsplatz, wie Unternehmenssprecher Jörg-Matthias Butzlaff später bestätigt. Etwa sechs Stunden seien Staatsanwälte und Steuerfahndung im Haus gewesen. Das ging äußerst diskret vor sich: Unbemerkt von der Nachbarschaft waren die Fahnder in den zweiten Stock des ockerfarbenen Gebäudes gelangt. Ob Unterlagen beschlagnahmt worden seien, wollte der Sprecher nicht sagen, ebenso wenig, ob die Bank beschuldigt sei. Ebenfalls durchsucht wurde die Privatbank Hauck & Aufhäuser in München. "Wir haben Besuch bekommen", bestätigte die Unternehmenssprecherin Silke Roth. "Es sind Untersuchungen zugange." Mehr wollte sie nicht sagen.

Die Anwaltskanzleien, die sich auf Finanzen und Steuerrecht spezialisiert haben, registrierten am Montag viele Fragen irritierter Klienten. "Wir stehen Gewehr bei Fuß", sagte ein Münchner Anwalt. Schnell hatte sich rumgesprochen, dass die Steuerfahnder in der Stadt sind. Die zuständige Bochumer Staatsanwaltschaft aber hüllte sich in Schweigen und mochte nicht einmal die Anwesenheit ihrer Fahnder bestätigen. Erst der Leiter der Münchner Staatsanwaltschaft, Christian Schmidt-Sommerfeld, ließ dies durchblicken. Staatsanwaltschaft und Polizei in München wurden von den Razzien nicht unterrichtet, um die Aktion so lange wie möglich geheim zu halten.

Münchner Polizisten suchen Kollegen

So kam es, dass am Montag sogar neugierige Münchner Polizisten ihren Streifenbereich nach Fahrzeugen der Kollegen aus NRW absuchten. Auch Reporter und Fernsehteams zogen durch die besseren Viertel Münchens, um die Steuerfahnder bei der Razzia in Prominentenvillen erleben zu können. Ihr Interesse konzentrierte sich stark auf das wohlhabende Grünwald bei München.

Die 40 Mann starke NRW-Fahndungsgruppe in München - drei Staatsanwälte, mehrere Kripobeamte und vor allem Steuerfahnder - will bis Freitag zahlreiche Häuser und Büros durchsuchen. Die Federführung liegt weiter bei der Staatsanwaltschaft Bochum und den Steuerfahndungen Düsseldorf und Wuppertal, die am Sonntag mit ihren Leuten angereist sind. Die Ermittlungsbehörden in München erhalten die Informationen erst am Tag des Einsatzes. Die Ermittler aus NRW wollen sich jeweils morgens mit den Münchnern an einem geheim gehaltenen Ort treffen, um das Vorgehen zu besprechen.

Angeblicher Hintergrund des unüblichen Schweigens gegenüber den örtlichen Behörden: das Jagdfieber der Medien. Als "Tag des Zorns" hatte am Montag eine große Ruhrgebiets-Zeitung in dicken Lettern den Auftakt der Liechtenstein-Operation angekündigt. Diese Schlagzeile löste bei den Ermittlern Wut aus. "Wir sind doch nicht die Rächer der Nation", erklärte ein Bochumer Fahnder. Hintergrund der Geheimhaltung könnte aber auch eine Verunsicherungsstrategie sein. Denn die Frage, ob die via Bundesnachrichtendienst erlangten Verweise vor Gericht verwertbar sind, spielt keine Rolle mehr, wenn die Beschuldigten Selbstanzeige erstatten.

Angeblich gab es am Montag auch Durchsuchungen in Starnberg, Grünwald, im Münchner Herzogpark im Stadtteil Bogenhausen, im Tegernseer Tal sowie in Bad Tölz. Meldungen über einen angeblich deutlichen Anstieg von Selbstanzeigen durch Steuersünder bei Finanz- und Justizbehörden bleiben aber fraglich. In München registrierten die zuständigen Ämter keine einschlägige Post, und der Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek sagte der SZ, auch in Nordrhein-Westfalen sei derzeit "kein signifikanter Anstieg von Selbstanzeigen" festzustellen. Eine Anwältin aus einer auch im Münchner Raum tätigen deutschen Großkanzlei kommentierte sarkastisch: "Wer jetzt noch brisante Unterlagen im Keller hat, gehört schon wegen Dummheit bestraft."

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