Steuerabkommen zwischen Schweiz und Griechenland:Die Spur der Scheine

Liegen sagenhafte Vermögenswerte wohlhabender Griechen auf Schweizer Bankkonten? Experten äußern diese Vermutung. Es soll um bis zu 200 Milliarden Euro gehen. Ein Steuerabkommen nach deutschem Vorbild könnte zumindest einen Teil des Geldes sichern - doch auch viele griechische Politiker haben Konten in der Schweiz.

Christiane Schlötzer

Vor wenigen Monaten erstritt der Athener Anwalt Ilias Bissias als Vertreter des griechischen Staates in der Schweiz einen Sieg. Es ging um griechisches Vermögen, wenn auch nur um eine einzige Münze - aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Die seltene Antiquität, von Raubgräbern illegal in die Schweiz verbracht, soll - so entschied ein eidgenössisches Gericht - als kulturelles Erbe zurück in die hellenische Heimat.

Nach dem antiken Acht-Drachmen-Stück würde Griechenlands Finanzminister Philippos Sachinidis seine Hand gern auch auf neuzeitliches Kapital in der Schweiz legen. Geradezu sagenhafte Vermögenswerte wohlhabender Griechen werden auf Schweizer Konten vermutet, nach Schätzungen bis zu 200 Milliarden Euro. Anwalt Ilias Bissias hält dies für eine "Traumzahl". Dennoch, so sagt er, "es geht um viel Geld" für den klammen griechischen Staat.

Jetzt soll es auf einmal schnell gehen in Athen

Bis vor kurzem aber zeigten Regierung und Parlament in Athen wenig Eile, ein Steuerabkommen mit der Schweiz zu schließen, wie es Deutschland, Großbritannien und jüngst auch Österreich bereits ausgehandelt haben, um wenigstens eine pauschale Besteuerung der Bankguthaben zu erreichen. Nun aber soll es auf einmal auch in Athen schnell gehen.

Der Grund: Am 6. Mai stehen Parlamentswahlen an, und die Wut vieler Griechen richtet sich gegen die Dauerregenten der sozialistischen Pasok-Partei und der konservativen Nea Dimokratia, die es jahrzehntelang versäumt haben, die Steuerhinterziehung ernsthaft zu verfolgen. Sachinidis hat nun in einer Fernsehdebatte angekündigt, er wolle noch vor dem Wahltag das Steuerabkommen mit Bern unterschriftsreif machen. Experte Bissias bleibt skeptisch: "Ich habe noch keinen offiziellen Entwurf gesehen."

A und O ist die neue Auskunftsklausel

Vorbild für das griechische Abkommen soll das deutsche sein, das eine - zehn Jahre zurückreichende - pauschale Besteuerung von 21 bis 41 Prozent vorsieht, bei Wahrung der Anonymität. Eine Weile beriefen sich die Griechen auf rechtliche Zweifel der EU-Kommission an dem Abkommen. Seit diese jüngst von Brüssel ausgeräumt wurden, ist dieses Argument entfallen. Gegen die Ratifizierung in Deutschland gibt es derzeit aber noch Widerstand aus der Opposition.

Wie Athen reagieren würde, wenn das deutsche Abkommen doch noch scheitern sollte, vermag Bissias nicht zu sagen. "Das ist eine gute Frage", meint der Anwalt, der in Athen und Zürich tätig ist. So manchem Kunden muss er derzeit bereits klarmachen, dass seit Anfang 2012 zumindest ein geändertes Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz gilt. Relevant ist hier der neue Artikel 25, der einen Informationsaustausch vorschreibt. "Das A und O", nennt Bissias die neue Auskunftsklausel. Sie gibt bei entsprechender Verdachtslage den griechischen Behörden die Möglichkeit, umfangreiche Informationen über einzelne Steuerpflichtige zu erhalten.

Beinahe wäre auch dieses geänderte Abkommen ein Zukunftsprojekt geblieben. In Bern wurde es schon im November 2010 unterzeichnet, das griechische Parlament ließ sich dann jedoch über ein ganzes Jahr mit der letzten Unterschrift Zeit. Auch griechische Politiker haben Konten in der Schweiz. Nicht immer muss sich es dabei um unversteuertes Vermögen handeln. Aber ob legal oder illegal, das Kapital scheut das Licht.

Viel Geld liegt auch auf deutschen und britischen Banken

Auch Sachinidis stellte fest, dass viele Griechen schon seit 2009 die Schweiz offenbar nicht mehr für einen sicheren Hafen halten - seit das dortige Bankgeheimnis Lücken bekam und in Griechenland der Staat begann, nach neuen Geldquellen zu suchen. So ist die Summe der an Athen gezahlten Zinsen aus deklarierten Vermögen auf Schweizer Konten von 9,9 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 5,9 Millionen Euro in 2010 gesunken.

Der Geldabfluss aus der Schweiz dürfte in den nächsten Monaten noch größer werden, denn das geplante Steuerabkommen soll - wie das deutsche Modell - erst zum 1. Januar 2013 in Kraft treten - viel Zeit also, Geld in Sicherheit zu bringen.

Thomas Koblenzer, Steueranwalt in Düsseldorf und Zürich, kennt die Steueroasen und Geldwaschanlagen in Asien und am Golf. Auch seine Kunden fragen gern danach. Koblenzer interessiert sich aber besonders dafür, wie es den finanziell bedrängten Euro-Staaten gelingen kann, flüchtiges Vermögen wieder ins eigene Land zu holen. Dazu hat der Honorarprofessor an der Universität Siegen "eine Rechtsanalyse am Beispiel Griechenland" erarbeitet, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin kommt Koblenzer zu dem Schluss, dass Griechenland entgegen der gängigen Meinung schon bislang mehr hätte tun können, um im Einzelfall Zugriff auf unversteuertes griechisches Vermögen im Ausland zu bekommen - auch in der Schweiz.

2010 gaben 70 Prozent der grichischen Unternehmer ein Jahreseinkommen unter dem steuerfreien Minimum an

Der Jurist verweist dabei auf das Schweizer Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG), das zwar eine länderübergreifende Zusammenarbeit im fiskalischen Bereich grundsätzlich ausschließt. "Allerdings macht das Gesetz eine entscheidende Ausnahme", schreibt Koblenzer. Nicht für den Steuerbetrug, aber für den "Abgabenbetrug". Über den wiederum heißt es im Schweizer Verwaltungsstrafrecht: Abgabenbetrug liegt vor, wenn ein Täter durch "arglistiges" Vorgehen ein Gemeinwesen um einen "erheblichen Betrag" schädigt.

Die Schweizer Rechtsprechung hat die Arglist auch noch genauer definiert. In Frage kämen "besondere Machenschaften, Kniffe oder ganze Lügengebäude", ja selbst bloßes Schweigen könne "arglistig" sein, heißt es in dem Koblenzer-Gutachten. Natürlich müssten die griechischen Behörden in solchen Fällen über Indizien verfügen, Zeugenaussagen zum Beispiel oder entsprechende Dokumente. Und - weitere Voraussetzung - die Steuerschulden können in Griechenland selbst nicht eingetrieben werden, weil sich der Betreffende im eigenen Land "arm gerechnet" hat, "entreichert", wie der Jurist sagt.

2010 gaben 70 Prozent der 273.000 Unternehmer in Griechenland ein Jahreseinkommen unter dem steuerfreien Minimum von 12.000 Euro an. 2011 reduzierte die Regierung den steuerfreien Betrag auf 5000 Euro. Inzwischen sind allerdings Tausende Firmen pleitegegangen.

Koblenzer kritisiert aber nicht nur Athen für die lange Nachlässigkeit. Ihm ist auch aufgefallen, dass die von Griechenland und anderen EU-Staaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen "bedauerlicherweise" keine Amtshilfeklausel nach OECD-Norm enthalten. Das erstaunt den Juristen, angesichts der griechischen Misere, von der auch alle anderen Euro-Staaten betroffen sind, denn schließlich haften sie für die Milliarden-Hilfsprogramme mit.

Auch auf Konten deutscher und britischer Banken liegt Geld aus Griechenland

Gründe dafür kann man sich schon denken. Auch auf Konten deutscher und britischer Banken liegt viel Geld aus Griechenland. Nicht immer waren es die Reichen, die ihr Erspartes beispielsweise zur Stadtsparkasse München oder zur Deutschen Bank getragen haben. Den griechischen Banken trauen auch viele Kleinsparer nicht mehr.

Bissias teilt die Zuversicht des deutschen Kollegen nicht. Er sieht derzeit "keine rechtliche Zugriffsmöglichkeit der griechischen Behörden auf unversteuerte griechische Vermögenswerte in der Schweiz". Er rechnet auch nicht damit, dass das neue Doppelbesteuerungsabkommen so schnell Wirkung zeigt. Denn dazu braucht es auch in Griechenland eine funktionierende Steuerverwaltung, die die richtigen Fragen an die Schweiz stellt. "Sonst bleibt alles Theorie."

Übrigens ist die Münze, für die Bissias kämpfte, Athen zwar versprochen, aber dort noch nicht eingetroffen. Denn dazu muss Griechenland ein weiteres Gutachten vorlegen. "Sie wissen", sagt Bissias, "unsere Gerichte arbeiten langsam."

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