Steuer-Deals:Schweigen fürs Geschäft

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George Town auf den Kaiman-Inseln galt lange als Paradies für Steuerhinterzieher. Doch selbst dort sind dubiose Firmen nicht mehr vor dem Zugriff deutscher Behörden sicher, wie der Cum-Ex-Fall zeigt.

(Foto: Richard Cummins/Imago)

Immer mehr Banken geraten unter Verdacht, dem Staat mithilfe von Aktiengeschäften finanziell geschadet zu haben. Statt aufzuklären, warten die meisten Institute einfach ab und riskieren so Durchsuchungen.

Von Klaus Ott

Wenn es heikel wird, dann schweigt die Finanzbranche gerne. Erst recht in diesem Fall, in dem es um Milliardenbeträge geht, die aus der Staatskasse ergaunert worden sein sollen. Die Frankfurter Niederlassung des Bankhauses Mellon, das aus New York stammt, bittet um Verständnis dafür, dass man "zu dieser Angelegenheit" nichts sage. Auch das Institut State Street, das gleichfalls in den USA zu Hause ist und in Deutschland Geschäfte macht, mag sich "hierzu nicht äußern". Eine Münchner Fondsgesellschaft der französischen Großbank Société Générale will das "nicht kommentieren". Mit der Bitte um Verständnis, natürlich. Die äußert auch ein Münchner Ableger der Crédit Agricole, die wie die Société Générale zu den führenden Geldhäusern in Frankreich und Europa zählt. "Gemäß unseren internen Richtlinien beantworten wir Presseanfragen dieser Art grundsätzlich nicht", teilt der Ableger der Crédit Agricole mit, die Bank Caceis.

Interne Richtlinien, die Transparenz verhindern oder gar verbieten: interessant.

Diese Angelegenheit, das sind Börsengeschäfte, bei denen Banken und andere Akteure nach Erkenntnissen von Staatsanwälten und Steuerfahndern den deutschen Fiskus jahrelang systematisch ausgenommen haben. Indem sich die Institute und deren Partner beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal an die Finanzämter gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten ließen. Für die einzelnen Institute könnten mittlere bis größere Millionenbeträge herausgesprungen sein. Insgesamt sollen mehr als zehn Milliarden Euro aus der Staatskasse gestohlen worden sein. Behörden in München, Frankfurt, Stuttgart, Köln und anderswo ermitteln seit Jahren wegen Steuerhinterziehung in zahlreichen besonders schweren Fällen.

Man kläre aktiv auf, sagen die Institute. Davon haben die Behörden wenig mitbekommen

Jetzt packen Cum-Ex-Akteure aus und schildern der Staatsanwaltschaft Köln und dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, was da wie gelaufen ist. Und nennen Namen. Darunter viele Banken und deren Manager, die bei den mutmaßlich kriminellen Aktiendeals mitgemacht hätten. Mellon, State Street, Caceis, BNP Paribas aus Frankreich, die UBS aus der Schweiz, und etliche andere. Aber nur wenige Institute wollen sich bislang mit dem Fiskus einigen oder haben das schon getan, wie die Hypo-Vereinsbank (HVB). Es sieht so aus, als hätten weite Teile der Finanzbranche nicht viel aus diversen Affären und Skandalen dazugelernt. Vor allem aus der Bankenkrise vor zehn Jahren, als zahlreiche Institute in den USA und Europa mit vielen Milliarden Dollar und Euro gerettet wurden. Mit staatlichen Mitteln, mit dem Geld der Steuerzahler also.

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) erklärt auf Anfrage, nach seinen Informationen werde "das Thema Cum-Ex derzeit" in den Instituten "aktiv, sorgfältig und in engem Austausch mit den Behörden aufgearbeitet". Bei den Behörden ist von dieser Bereitschaft indes noch nicht sehr viel angekommen. Weshalb die Ermittler lieber die Banken oder deren betroffene Gesellschaften filzen, statt zu warten, ob sich die Geschäftsführer und Vorstände der mutmaßlich betroffenen Institute selbst offenbaren. Zuletzt soll es die Société Générale Securities Services GmbH (SGSS) in München erwischt haben, ein Unternehmen der Société Générale. Die SGSS zählt nach eigenen Angaben zu den weltweit größten Instituten, die Vermögen von Kapitalanlagefonds verwalten. Von Fonds, mit denen vor allem Millionäre und Milliardäre ihr Geld vermehren wollen. Einige dieser Fonds haben das den Ermittlungsergebnissen zufolge mit Cum-Ex-Aktiendeals zu Lasten der Staatskasse gemacht. Die Staatsanwaltschaft Köln soll vor einiger Zeit die SGSS in München durchsucht haben. Wegen des Verdachts, die dortige Niederlassung sei bei Cum-Ex-Deals, also beim Griff in die Staatskasse, behilflich gewesen. Die Kölner Strafverfolger ermitteln offenbar gegen mehrere SGSS-Manager.

Sie seien in die Steuertricks voll eingebunden gewesen, sagt ein Insider

Die Société Générale Securities Services GmbH äußert sich dazu nicht. Sie ist genauso verschlossen wie das in München ansässige Institut Caceis aus der Crédit-Agricole-Gruppe, die als sogenannte Depotbank ebenfalls in großem Stil Vermögen verwaltet. Solche Depotbanken seien in die Cum-Ex-Strategien voll eingebunden gewesen, hat einer der Insider, die jetzt auspacken, den nordrhein-westfälischen Behörden erzählt. Ihnen sei klargemacht worden, dass die mehrmalige Erstattung von Kapitalertragsteuern Grundlage der Geschäfte sei. Dieser Insider hat Caceis genannt, die BNP Paribas aus Frankfurt, die UBS aus der Schweiz und viele andere Institute wie Mellon und State Street. Sie alle hätten geholfen. Teils als Vermögensverwalter; teils als Verleiher riesiger Aktienpakete, die für diese Deals nötig gewesen seien.

Was auffällt: Vor allem Banken aus Frankreich und Übersee beziehungsweise deren deutsche Ableger tun sich offenbar schwer, mit den Behörden zu kooperieren. Vielleicht liegt das ja daran, dass diese Institute noch wenig Erfahrung mit deutschen Ermittlungen haben. Anders als etwa die UBS aus der Schweiz. Die prüft nach Angaben aus der Finanzbranche intern bereits mögliche Cum-Ex-Fälle und soll sehr daran interessiert sein, mit den Behörden alles zu klären. Es handele sich um einzelne Fälle, bei denen die UBS nicht Initiator gewesen sei. Die Schweizer Großbank hat längst einschlägige Erfahrungen gesammelt. Die UBS zahlte 300 Millionen Euro Bußgeld in Nordrhein-Westfalen, weil sie deutschen Bürgern mit Schwarzgeldkonten in Zürich und anderswo geholfen hatte, Steuern zu hinterziehen.

Die im Jahr 2014 verhängten 300 Millionen Euro sind bislang das höchste Bußgeld dieser Art in Deutschland gewesen. In den USA waren für die UBS, die auch Vermögen von Amerikanern vor dem Fiskus versteckt hatte, sogar 780 Millionen Dollar fällig gewesen. An neuen Konflikten mit den Ermittlern hat die UBS dem Vernehmen nach kein Interesse. Sie orientiert sich offenbar an der Hypo-Vereinsbank (HVB), dem ersten Institut, das reinen Tisch gemacht und den Steuerschaden beglichen hat. Das sei ein "schmerzhafter Prozess" gewesen, hat HVB-Chef Theodor Weimer als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss im Bundestag ausgesagt, der Cum-Ex-Geschäfte aufklären sollte. Dazu habe es aber keine Alternative gegeben. Es könne und dürfe nicht sein, so Weimer, dass eine einmal an den Fiskus abgeführte Steuer mehrmals erstattet werde. Das sieht nicht jeder so in der Finanzbranche.

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