Steuer-CDs und die Folgen:Deal mit der Commerzbank

Steuer-CDs und die Folgen: Touristen schlendern über die Plaza Francia in Panama City. Panama war für Kunden der Commerzbank und ihr Geld lange ein beliebtes Ziel.

Touristen schlendern über die Plaza Francia in Panama City. Panama war für Kunden der Commerzbank und ihr Geld lange ein beliebtes Ziel.

(Foto: Rodrigo Arangua/AFP)
  • Das Anfang des Jahres eingeleitete Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen die Commerzbank wird in absehbarer Zeit eingestellt.
  • Die Bank soll ein Bußgeld in Höhe von 17 Millionen Euro entrichten; bestehend aus Strafzahlungen und Gewinnabschöpfung.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Als rund 250 Steuerfahnder die Commerzbank in Frankfurt wegen Luxemburg-Geschäften heimsuchten, gaben sich die Größen des Geldhauses empört. Der Vorstandssprecher klagte, es handele sich um "eine gezielte Aktion gegen unsere Bank und unsere Kunden". Beide würden "in ungerechtfertigter Weise kriminalisiert".

Die Heimsuchung fand 1996 statt, Vorstandssprecher war damals Martin Kohlhaussen. Sieben Jahre später zahlte das Institut rund 31 Millionen Euro an den Fiskus. Die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Hauses wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurden im Gegenzug diskret abgeschlossen. Ex-Vorstandsmitglieder mussten hohe Geldauflagen zahlen.

Über all die Jahre schaute immer wieder die Steuerfahndung vorbei. Hessische Ermittler gründeten sogar mal ein "Coba-Team" (Coba für Commerzbank). Routiniert erklärte die Bank meist, dass an den Vorwürfen nichts oder wenig dran sei.

"Hohe Standards bei Integrität und Transparenz"

Als dann im Februar dieses Jahres Kölner Staatsanwälte und Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen die Frankfurter Zentrale wegen Geschäften der Luxemburger Commerzbank-Tochter, der Commerzbank International, in Panama durchsuchten, erklärte die Bank , da gehe es um "Altfälle". Die Praktiken, für die sich die Ermittler interessierten, seien seit 2007 "grundsätzlich untersagt". Man pflege "hohe Standards bei Integrität und Transparenz".

Das Anfang des Jahres eingeleitete Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR in absehbarer Zeit eingestellt. Die Bank soll ein Bußgeld in Höhe von 17 Millionen Euro entrichten; bestehend aus Strafzahlungen und Gewinnabschöpfung. So ist es zwischen der Staatsanwaltschaft und der Coba verabredet. Die formale Umsetzung, also der Bußgeldbescheid an die Bank und die Überweisung des Betrages, steht noch aus.

Die Commerzbank ist das dritte Institut, das wegen der Luxemburg-Panama-Geschäfte bestraft wird. Als erstes Geldhaus hatte die Hypo-Vereinsbank (HVB) einen Deal mit den Strafverfolgern ausgehandelt. Die HVB hatte ebenfalls via Luxemburg Briefkastenfirmen in Panama vermittelt. Sie zahlt weniger als zwanzig Millionen Euro.

Dann war die HSH Nordbank an der Reihe; eine Landesbank. Die HSH, sie gehört vor allem der Hansestadt Hamburg und Schleswig Holstein, muss gut 22 Millionen Euro berappen. Aber die Schizophrenie bleibt: Ein staatliches Institut hat Steuerbetrügern geholfen, den Staat über Luxemburg und mithilfe von Briefkastenfirmen in Panama um viel Geld zu betrügen.

Und jetzt die Commerzbank: Das zweitgrößte Geldhaus der Republik ist keine Staatsbank. Aber der Staat war da, als die Bank Hilfe brauchte. In der Finanzkrise erhielt die Commerzbank 18 Milliarden Euro aus dem Steuersäckel. Das hat sie lange Zeit nicht davon abgehalten, Löcher in das Steuersäckel zu schneiden. Mindestens drei weitere Banken werden in dem Verfahren wohl noch zur Kasse gebeten. Zwei weitere Landesbanken sind darunter.

Behörden völlig überlastet

Was sagt das über die Welt? Zahlenmenschen werden argumentieren, das Verfahren habe sich für den Staat gelohnt. Für eine knappe Million Euro hatte NRW Unterlagen über die illegalen Geschäfte gekauft. Hunderte von Ermittlungsverfahren gegen Steuerbetrüger, die sich in der Steueroase Panama sicher gewähnt hatten, wurden eingeleitet. Die Briefkastenfirmen hatten Tarnnamen wie "La Rosita" oder "Crocodile Tree Corp.", und hinter dem exotischen Getue stand meist der schlichte Entschluss, dem Fiskus nicht zu geben, was des Fiskus ist.

Die Verfahren gegen die Steuerhinterzieher aus ganz Deutschland werden zu hohen Nachzahlungen und, als Sanktion, Geldauflagen führen. Und die deutschen Beihilfe-Banken werden, das lässt sich ahnen, am Ende insgesamt über hundert Millionen Euro Bußgeld zahlen müssen. Also haben die Zahlenmenschen recht?

Der Fall ist aus mehreren Gründen komplizierter: Zum einen fällt schon auf, dass gerade im Fall Commerzbank die mündlich vereinbarte Strafzahlung sehr kommod ausfällt. Mehr als 500 Millionen Geldbußen haben allein drei Schweizer Banken - Julius Bär, Credit Suisse und UBS - gezahlt. Sie haben offenbar aufgrund höherer Gebühren an den Schwarzgeldgeschäften mit ihren deutschen Kunden auch mehr verdient als die deutschen Institute.

Es ist jeder Fall anders und muss auch unterschiedlich betrachtet werden, aber 17 Millionen Euro Bußgeld für jahrelange systematische Unterstützung von Steuerhinterziehern sind wirklich nicht üppig. Man kann auch die Rechtssysteme in den Ländern dieser Welt nicht vergleichen, doch ausgerechnet die Commerzbank hat vor ein paar Monaten für eine Reihe von Verstößen in den USA Strafgelder in Höhe von 1,45 Milliarden Dollar zahlen müssen. Die Coba kommt in Köln wirklich gut weg. Unter anderem deshalb, weil sie mit den Fahndern kooperierte.

Der Fall Commerzbank zeigt auch, dass die Kölner Behörde offenbar am Rande ihrer Kapazitäten steht. Zwar will sich die Strafverfolgungsbehörde vom Rhein nicht zum laufenden Verfahren äußern, aber es ist kein Geheimnis, dass die dortigen Spezialisten für Wirtschaftsdelikte angesichts einer Vielzahl von Verfahren mit ihrer Arbeit kaum noch nachkommen. Die Kölner sind die erste Anlaufstelle für Steuerstraffälle geworden. Was früher eher in Bochum oder Düsseldorf landete, geht seit einer Weile nach Köln.

Die Strafverfolger aus der Domstadt kümmern sich um so komplizierte Fälle wie die Cum-Ex-Aktiendeals zulasten des Fiskus, um die merkwürdigen Geschäfte der Oppenheim-Bank, um Korruptionsfälle in der Wirtschaft und so weiter. Lange Streitigkeiten mit dem Ziel, höhere Bußgeldzahlungen durchzusetzen, sind offenbar angesichts der Personalstärke der zuständigen Hauptabteilung nicht drin. Dafür bräuchte es mehr Dezernenten.

Fehlendes Unrechtsbewusstsein

Zwei weitere Fragen sind mit dem Fall verbunden: Warum hat die Bank Steuerhinterziehung gefördert? Und: Reichen die Sanktionsmöglichkeiten des Staates aus? Die Commerzbank ist nur eines von vielen betroffenen Geldhäusern, in denen wohl das Unrechtsbewusstsein fehlte. Das Luxemburg-Panama-Geschäft der Coba nahm schon früh Fahrt auf und bereits Mitte der Neunzigerjahre stand die Bank wegen der Geschäfte ihrer Luxemburg-Tochter Cisal im Fokus der Öffentlichkeit. Eine Kunden- und Kontenliste der Cisal war auf verschlungenen Wegen in den Besitz der Finanzverwaltung geraten. 1700 Kunden hatten riesige Summen am Fiskus vorbei nach Luxemburg geschafft. Der damalige Kanzler Helmut Kohl sagte 1995 in einer Festrede, er sei "voller Schadenfreude" gewesen, als er vom Reinfall der Commerzbank gehört habe. Ein Land, in dem Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt angesehen werde, habe "seine Zukunft schon verloren".

Da legte die Cisal erst so richtig los. Um zu erklären, wie das alles so lief, hat die Commerzbank heute Tabellen über all die Maßnahmen verfasst, die man doch getroffen habe, um diese Form der Kriminalität zu beenden. Der Verwaltungsrat, steht da, habe 2008 "explizit darauf hingewiesen", dass das Geschäft der Cisal "im Rahmen der geltenden Gesetze durchzuführen" sei. Vier Jahre später seien Kunden "systematisch und aktiv" angesprochen worden: Sie seien verpflichtet, Erträge aus Vermögensanlagen den zuständigen Fiskalbehörden zu erklären. Dann wurden entsprechende Briefe an die Kunden verschickt. Die Zahl der Konten der Cisal sei von etwa 19 000 im Jahr 2008 auf rund 4600 im Jahr 2015 verringert worden. Die Panama-Firmen seien besonders stark reduziert worden.

Auch wenn in diesen sieben Jahren durch die Verschmelzung mit der Dresdner Bank und die Integration der Dresdner Bank Luxemburg in die Cisal viele zusätzliche Aufgaben zu erfüllen waren, leuchtet einerseits schwer ein, dass das schmutzige Panama-Geschäft nicht früher beendet werden konnte. Andererseits sollen die Ermittlungen ergeben haben, dass die Cisal ab 2008 in der Tat kein neues Schwarzgeld mehr angenommen und nach Panama geleitet habe. Andere Banken waren Steuerhinterziehern weit länger behilflich, oder sind es möglicherweise sogar noch.

Die Steuerfahndung Wuppertal etwa beschäftigt sich derzeit unter anderem mit verdächtigen Geldhäusern in der Schweiz, deren Mitarbeiter schon vor Jahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufgefallen waren. Die Credit Suisse hatte 2011 rund 149 Millionen Euro an NRW gezahlt. Im Gegenzug wurden Strafverfahren gegen Mitarbeiter des Züricher Instituts eingestellt. Wie kann es dann sein, dass bei den Ermittlungen der nordrhein-westfälischen Steuerfahnder mehr als fünfhundert CS-Kunden einräumten, auch in den Jahren 2012, 2013 und 2014 Steuern hinterzogen zu haben? Suchen Banken ernsthaft den Weg ins Weißgeld? Oder sind das alte Fälle, die gerade abgestellt werden?

Man brauche dringend die Möglichkeit, "einer Bank im äußersten Fall sogar die Lizenz zu entziehen", fordert NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Ihm kommen die Banken noch viel zu billig weg.

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