Steinmeier bei VW:Ein bisschen Arbeiterführer

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Wahlkampf in Wolfsburg: Außenminister Steinmeier, der "liebe Frank-Walter", besucht die VW-Mitarbeiter. Er versucht sich als Arbeiterführer.

Ralf Wiegand, Wolfsburg

Die Werks-Regie switcht in schneller Folge immer wieder zwischen den beiden Stars des Vormittags hin und her. Sie ist ein multimediales Großereignis, diese Betriebsversammlung der Volkswagen-Belegschaft am Stammwerk Wolfsburg.

Ganz dicht am Wahlvolk: Der SPD-Kanzlerkandidat schaut bei VW in Wolfsburg vorbei, an seiner Seite Betriebsratschef Bernd Osterloh. (Foto: Foto: AP)

Halle elf ist komplett verkabelt, an jedem Pfosten der Werkstätte, in der sonst Züge entladen werden, hängt ein riesiger Monitor - und genau gegenüber der Bühne eine Leinwand, auf der sich der jeweilige Redner selbst sehen kann. Alle Wortbeiträge werden aufgezeichnet; wer das nicht möchte, der soll es vorher ansagen, sagt der Versammlungsleiter.

Frank-Walter Steinmeier möchte natürlich, dass jedes seiner Worte festgehalten wird. Irgendwann, wenn die Krise vorbei sein wird, wird sich der Mann, der jetzt noch Außenminister und Vizekanzler ist, es sich vielleicht noch einmal anhören wollen: Weißt du noch, damals im März nullneun, vor zehntausend Kolleginnen und Kollegen in Wolfsburg - wie ich da gekämpft habe fürs Automobil! Und wie gut ich aussah neben diesem neuen Wagen!

Denn neben dem SPD-Kandidaten Steinmeier nehmen die Werkskameras immer wieder den zweiten Star des Morgens ins Visier, den neuen Golf GTI. Wie Steinmeier, der graue Wolf, ist auch der neueste Golf ganz weiß lackiert.

Steinmeier, ein Freund der Belegschaft

Den "lieben Frank-Walter" begrüßt VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh als "Freund der VW-Belegschaft". Eigentlich sei er gar nicht der Richtige, um den Zorn der Arbeiter abzubekommen, die "wütend sind, weil sie die Wirtschaftskrise bezahlen müssen", die jeden Tag um ihren Arbeitsplatz bangen. "VW, Opel, Conti und Karmann sind nicht bereit, die Zeche für unfähige Banker und Finanzhaie zu zahlen!"

Der liebe Frank-Walter hat viel zu tun, wenn er denn erst mal Kanzler sein wird.

Deswegen ist Steinmeier ja hier: Der Einfluss des deutschen Außenministers auf die aktuelle Wirtschafts- und Finanzpolitik ist vergleichsweise gering. Steinmeier ist mehr ein Versprechen auf die Zukunft, es ist Wahlkampf, und geschadet hat es noch nie, der Wunschkanzler des VW-Werks zu sein. Gerhard Schröder, der einstige VW-Aufsichtsrat, war das früher auch.

"Ich will dafür sorgen, dass Vernunft einzieht", ruft Steinmeier und meint die Finanzpolitik, er sieht "das Fenster der Geschichte" sich öffnen, und von draußen schaut der Staat in die Vorstandsetagen. Steinmeier, sagt Steinmeier, habe gehört, in Brüssel bröckele der Widerstand gegen das VW-Gesetz. Das Gesetz sichert dem Land Niedersachsen seinen Einfluss imi Wolfsburger Konzern und ist Brüssel bisher immer ein Dorn im Auge gewesen.

Jetzt aber, da es ganz übel durchs offene Fenster der Geschichte zieht, würden einige dieser EU-Brüsselaner denken, "dass wir sogar mehr VW-Gesetz brauchen". Vielleicht kommt ja bald ein Opel-VW-Gesetz und schützt den Einfluss der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Steinmeier und die Autokrise, da haben sich zwei gefunden. Bei Opel war der Sozialdemokrat schon, er will es retten; bei VW gibt es nichts zu retten, aber zu schützen, und außerdem zur Solidarität aufzurufen mit Opel.

Das "Silicon Valley der Autoindustrie" (Steinmeier) darf nicht untergehen, und so wird er weiter für sie kämpfen, zum Beispiel für die Umweltprämie. Erfunden hat er sie sowieso, durchgesetzt mit Hilfe der Betriebsräte aus der Autorepublik Deutschland, und so wird er sie auch nicht aufgeben: Das Geld der Abwrackprämie reiche für zirka 600.000 Autos, rechnet Steinmeier, 338.000 Anträge sind nach eineinhalb Monaten schon gestellt, "Ostern ist vielleicht das ganze Geld weg". Dass es, wie am Morgen durch die Rheinische Post gemeldet, Einigkeit über eine Verlängerung des Abwrackprogramms in Berlin gebe, "ist, so gemeldet, falsch", sagt Steinmeier.

Aber dann ruckelt er wieder ein bisschen am Fenster der Geschichte, nicht dass es plötzlich zufällt, und ruft: "Die Umweltprämie läuft beängstigend gut! Wenn die Lage weiter schwierig bleibt, und so sieht es ja aus, werden wir nicht auf das einzige Instrument sang- und klanglos verzichten können, das gut funktioniert. Das wird keiner verantworten können."

Ende Steinmeier, Schwenk über die applaudierende Belegschaft, Schnitt zum neuen Golf GTI - "jetzt schon im Werksverkaufs-Leasing zu haben".

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