Statistisches Bundesamt:Es gibt wieder mehr Kinder

Statistisches Bundesamt: SZ-Grafik; Quelle Statistisches Bundesamt

SZ-Grafik; Quelle Statistisches Bundesamt

Erstmals seit Langem steigt die Geburtenrate in Deutschland - vor allem Akademikerinnen entscheiden sich für Nachwuchs. Das ist das Ergebnis des Mikrozensus 2016.

Von Ulrike Heidenreich und Pia Ratzesberger

Wie geht es den deutschen Familien? Sicher ist erst einmal eines: Die Zahl der Familien schwindet. Zwar leben immer noch 48 Prozent der Deutschen in Familien - und Ehepaare mit Kindern sind mit 68 Prozent nach wie vor die häufigste Form dieser Kernzelle der Gesellschaft. Vor neun Jahren jedoch waren es 71 Prozent. Der Mikrozensus 2016, den das Statistische Bundesamt am Mittwoch vorstellte, wartet aber auch mit einer stagnierenden Zahl auf, die man als erfreulich werten kann: Die Kinderlosigkeit in Deutschland ist in den vergangen Jahren nicht weiter gestiegen. Vor allem akademisch gebildete Frauen entscheiden sich wieder für Kinder. Der Mikrozensus ist mit 800 000 Befragten die größte Haushaltserhebung in Deutschland. Es ist ein umfangreiches Zahlenwerk, das tiefe Einblicke ermöglicht:

Mehr Kinder

Die Deutschen bekommen zu wenige Kinder, Wissenschaftler deuten mit Sorge auf die umgedrehte Pyramide: So wird das mal aussehen, warnen sie, viele Alte, die Rente brauchen, wenig Junge, die einzahlen. Dieses Bild besteht zwar weiterhin, aber Frauen bekommen mittlerweile so viele Kinder wie lange nicht mehr. Eineinhalb Kinder kommen statistisch auf eine Frau, das war zuletzt 1982 so. Trotzdem gehört die Bundesrepublik gemeinsam mit der Schweiz, Italien und Finnland zu den Ländern, in denen so viele Frauen ohne Kinder leben wie sonst nirgends in Europa. Jede fünfte bis 1967 geborene Frau hat keine Kinder. Ihre Zahl war die vergangenen Jahre stets gestiegen, im Jahr 2016 aber stagniert sie. Das liegt zum einen an der Zuwanderung, aber auch an den Akademikerinnen, die wieder mehr Kinder bekommen. Im Alter von 40 bis 44 Jahren zum Beispiel hat heute etwa ein Viertel der Frauen keine Kinder, vor acht Jahren lag der Wert höher.

Mütter und Beruf

Nicht mehr nur Frauen bleiben zu Hause, sondern auch Männer, aber meist nur ein paar Monate. Egal, ob das Kind gerade erst geboren oder ein, zwei Jahre alt ist - 87 Prozent der Väter arbeiten (siehe Grafik). Die meisten Frauen dagegen machen nach wie vor eine Pause vom Job, vor allem im ersten Jahr - in dieser Zeit arbeiten nur neun Prozent der Mütter. Wenn das Kind zwei Jahre alt ist, sind mehr als die Hälfte der Mütter zurück im Job, ihr Anteil hat zugenommen. Besonders der Ausbau der Kleinkindbetreuung dürfte der Grund für diese Entwicklung sein, so der Vizepräsident des Statistischen Bundesamts, Georg Thiel. Aber auch die gute Konjunktur und niedrige Arbeitslosigkeit wirkten sich günstig aus. Die meisten Mütter arbeiten aber nach wie vor nicht in Vollzeit,dies macht nur etwa ein Viertel.

Schneller im Job

Ob eine Mutter arbeitet oder nicht, hängt von ihrer Ausbildung ab. Akademikerinnen kehren inzwischen schneller in den Beruf zurück, sie arbeiten öfter in Vollzeit. In Deutschland haben 74 Prozent aller Mütter einen Job, wobei diese Zahl auch jene umfasst, die in Mutterschutz oder Elternzeit sind. Ohne sie wären es 70 Prozent, Deutschland liegt damit über dem europäischen Durchschnitt. Schweden und Dänemark erreichen die besten Quoten. Italien und Griechenland dagegen liegen auf den hinteren Plätzen - was aber vermutlich auch damit zu tun hat, dass die Wirtschaft dort lahmt.

Fast einzigartig in Europa ist die Besteuerung von Paaren in Deutschland durch das Ehegattensplitting. Es teilt die Steuerlast von Verheirateten, unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht. Kritiker fordern ein Familiensplittung, von dem Paare mit Kindern profitieren.

Familie und Geld

Immer weniger Menschen in Deutschland leben in einer Familie, mittlerweile sind es nur noch knapp die Hälfte - dafür gibt es mehr Alleinstehende, auch mehr Paare ohne Kinder. Die meisten Familien haben ein Kind, in gut einem Drittel leben zwei Kinder. Drei Kinder oder mehr aber sind sehr selten, nur etwa jede achte deutsche Familie hat so viel Nachwuchs.

Kritik gibt es an der Förderung von Familien. So gibt der Staat pro Jahr mehr als 200 Milliarden Euro für rund 150 verschiedene familienpolitische Leistungen aus. Etwa den Kinderzuschlag, das Kindergeld, Pauschalen des Bildungs- und Teilhabepakets, die beitragsfreie Mitversicherung für Familienangehörige, das Ehegattensplittung und vieles mehr. Das Kindergeld wird regelmäßig erhöht. Momentan sind es jeweils 192 Euro für das erste und zweite Kind, für das dritte 198 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind 223 Euro. Anfang 2018 wird es angehoben, um zwei Euro. Als sich die Koalition im Oktober auf diesen doch recht überschaubaren Betrag geeinigt hatte, erntete sie viel Spott - etwa vom Deutschen Kinderhilfswerk. Experten fordern seit Langem einen einheitlichen, wesentlich höheren Betrag, der das Existenzminimum aller Kinder abdeckt.

Städte ohne Nachwuchs

Die Mieten in den deutschen Großstädten steigen stetig. Wer eine Familie gründet, zieht oft ins Umland. Vor allem in den Großstädten bleiben viele Frauen kinderlos, in Hamburg zum Beispiel sind es 31 Prozent, in Berlin fast genauso viele. Besonders deutlich zeigt sich im neuen Mikrozensus der Unterschied zudem in Bayern: Während auf dem Land nur 15 Prozent aller Frauen keine Kinder haben, sind es in den Städten doppelt so viele.

Unterschied Ost und West

In den neuen Bundesländern bekommen die Frauen noch immer mehr Kinder. Im Westen lag der Anteil der kinderlosen Frauen zwischen 45 und 49 Jahren laut Bundesamt zwischen 19 und 24 Prozent, im Osten zwischen elf und 13 Prozent. Hier spielen überlieferte Rollenbilder weiter ein Rolle. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR war es Normalzustand, dass Mütter kleiner Kinder arbeiten. Der Westen holt hier noch auf.

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